Lammertplag: Nachweis der Täuschung in wesentlichem Umfang bereits erbracht

Die Mühen des „Robert Schmidt“ sind es wert, sich die Nacht um die Ohren zu schlagen. Hier also meine Einschätzung: Der Nachweis der Täuschung in wesentlichem Umfang ist mit den 42 beanstandeten Fließtext-Seiten (von insgesamt 116) bereits erbracht worden. Es ergibt sich ein eindeutiges Muster der suggerierten eigenständigen Auseinandersetzung mit Literaturquellen, Studien und Forschungsergebnissen – wobei aber durchweg andere, nicht genannte Literatur dieser Auseinandersetzung zugrunde lag. Zudem fand „Robert Schmidt“ sogar isolierte, „rein“ plagiierte Sätze wie etwa den folgenden:

Quelle: http://lammertplag.wordpress.com/2013/06/30/seite-100/

Was wird nun geschehen? Wird man die Verjährung von Dissertationsplagiaten nun doch einführen (bevor weitere Spitzenpolitiker fallen werden) und polizeiliche Verfolgungen von anonymen Online-Plagiats“jägern“ ermöglichen? – Oder wird man endlich bekennen, dass in der Wissenschaft seit Jahren, seit Jahrzehnten, wenn nicht gar seit Jahrhunderten etwas systematisch schief läuft? Das Problem ist: Wissenschaftler und Politiker sitzen in einem Boot des Textbetrugs.

Politiker warnten gestern einhellig vor „Vorverurteilungen“. Nun, nach der Lektüre von Lammertplag sind wir längst bei der Nachverurteilung angekommen. Erschreckend, dass selbst gewisse Emeriti der Politologie die Plagiatsstellen nicht gesehen haben, sehen konnten oder wollten, bevor sie gegenüber den Massenmedien Kommentare abgegeben haben. Genau das ist Teil des Problems!

27 Kommentare zu “Lammertplag: Nachweis der Täuschung in wesentlichem Umfang bereits erbracht

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  1. Yolanda

    Da Prof. Köser auf lammertplag selbst etliche Fehler beim Zitieren bescheinigt werden, ist er als Richter über wissenschaftliche Standards denkbar schlecht geeignet. Aber mal aus Interesse: Wie lautet denn die Begründung dafür, dass der Vorwurf des Plagiats für Lammerts Übernahme auf S. 78 ungerechtfertigt ist?

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  2. Prof. Dr. Helmut Köser

    Ich habe den Plagiatsvorwurf gegen Dr. Norbert Lammert auf der Grundlage meiner Publikation von 1973 geprüft und bin zu dem Ergebnis gekommen, daß der Vorwurf unbegründet ist. Ich kenne Herrn Dr. Lammert nicht und sitze auch nicht mit ihm in einem Boot. Ich wende mich insbesondere gegen die Anonymität des „Plagiatjägers“ und die unkritische Übernahme des Vorwurfs durch den „Spiegel“.

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  3. mktk1

    Sie haben recht, „üblich“ war eine unpassende Wortwahl, die Arbeitsweise, dass Referenzen ungeprüft übernommen werden gab es und gibt es.
    Aber einerlei, denn das ist ja nicht das mutmaßliche Plagiats/Täuschungsproblem, sondern nur ein Hinweis auf mögliche inhaltliche Plagiate. Auf Erbloggtes gibt es interessante Artikel und Diskussionen dazu.

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  4. Briegel

    @mktk1 Also ich verstehe den Text von 1908 so, daß es immer wieder vorkommt, daß die wissenschaftlich korrektere Arbeitsweise nicht angewandt wird. Wieso Sie daraus lesen, daß das laxere Vorgehen „üblich“ war, erschließt sich mir nicht. Es gibt auch heute immer wieder Abschlußarbeiten, in denen es ausreicht, einfach nur die verwendete Literatur ins Literaturverzeichnis aufzunehmen, so wie es auch bei fast allen Lehrbüchern üblich ist, und wo man es sich offenbar abschaut. Nur ist das deshalb heute für akademische Qualifikationsarbeiten „üblich“? Ich denke nicht.

    Ob Lammerts Arbeitsweise typisch für die damalige Zeit an der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Uni Bochum war, ließe sich ja relativ leicht feststellen, in dem man sich ca. 10 Dissertationen vor und nach Lammerts Dissertation ansieht, wie es ein Professor in der DLF-Sendung Campus & Karriere am 6.8.2013 vorschlug.

    Weiterhin wundert es mich, daß kein Journalist Herrn Lammert fragt, wie denn die problematischen Stellen zustande gekommen sind. Es ist zwar abzusehen, daß er sich dann auf Erinnerungslücken beruft, aber dann könnte man ihn auch noch fragen, wie er denn seine Kenntnisse im wissenschaftlichen Arbeiten damals erworben hat und wie er sein Werk aus heutiger Sicht einschätzt. Jemand der ein „Dr.“ vor seinen Namen stellt, sollte zur Qualität des Werkes, das die Grundlage für diesen akademischen Grad ist, etwas sagen können – das ist zumindest meine Erwartung. Es verbietet ihm schließlich niemand den Namenszusatz ggf. wegzulassen, wenn ihn der ganze wissenschaftliche Kram nicht mehr interessiert. Aber da er Honorarprofessor ist, dürfte das ja wohl kaum zutreffen. Um so schlimmer sein Schweigen zum Werk und die Inszenierung seiner selbst als unberechtigt Angeklagter.

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  5. Susan

    Die Suche nach Plagiaten scheint ja mittlerweile Trend zu sein.. Ob bewusst kopiert oder einfach nur ein Fehler kann man leider oft nicht nachweisen.

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  6. mktk1

    Interessanter Auszug von 1908, der allerdings auch zeigt, dass es auch zu dieser Zeit üblich war, Referenzen ungelesen zu kopieren und dass dies nicht wünschenswert ist. Als Plagiat wird dies hier allerdings nicht bezeichnet, so dass offen bleibt, ob diese Praxis alleine in einer Gesellschafts- oder Geisteswissenschaft ein Plagiat/eine Täuschung ist, oder nicht.

    Ansonsten ist Methodenliteratur immer nur eine Empfehlung, die nicht als verbindlich angesehen werden muss, zumal sich die Autoren in einigen Themen oft nicht einig sind.

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  7. S.

    Zur Aspekt der „Methodenliteratur aus der damaligen Zeit“ – man kann da auch noch weiter zurückgehen; falls von Interesse:

    http://archive.org/stream/wissenschaftlic00foncgoog#page/n278/mode/1up

    Leopold Fonck: Wissenschaftliches Arbeiten. Beiträge zur Methodik des akademischen Studiums, Innsbruck 1908

    S. 257:
    „Für die Zitationsweise sind vorzüglich folgende Punkte zu beachten: 1) Als erste Regel befolge man streng das ‚Thomäische Gesetz‘, das wir schon wiederholt kennen lernten: ‚Non credam, nisi viderim oculis meis‘. Man mache es sich zur unverbrüchlichen Gewohnheit, n i e m a l s e i n Z i t a t u n b e s e h e n a u s e i n e r a n d e r e n S c h r i f t o d e r n a c h d e r A n g a b e e i n e s a n d e r e n i n d i e e i g e n e A r b e i t z u ü b e r t r a g e n. Ist es aus irgendeinem Grunde nicht möglich, das Zitat zu vergleichen, so verzichte man lieber auf die Anführung desselben, oder überlasse die Verantwortung für seine Richtigkeit durch Angabe des Fundortes dem Gewährsmann, auf den das Zitat zurückgeht. […]
    Trotz hundertfacher und hundertmal gerügter Erfahrung richtet das bequeme Abschreiben der Zitate doch immer wieder neues Unheil an. […]“

    S. 258:
    „3) Mit der ersten Regel verwandt ist die Weisung, d e n z u z i t i e r e n d e n T e x t a u c h b e i e i n e r Q u e l l e, d i e m a n s e l b s t e i n s i e h t , g e n a u h i n s i c h t l i c h s e i n e s U r s p r u n g es z u p r ü f e n. Man setzt sich sonst der Gefahr aus, ein Plagiat oder ein stillschweigendes Zitat unter fremder Flagge weiterzuführen. Besonders notwendig ist dies bei älteren Schriftstellern, zu deren Zeit der Begriff des literarischen Eigentums noch nicht so ausgebildet war, oder doch noch nicht so streng beachtet wurde. Leider zeigen die nicht seltenen Fälle von „heimlicher Beraubung“, wie Paulsen es genannt hat, daß wir auf literarischem Gebiete noch längst nicht zu idealen Zuständen gelangt sind.“
    4) Bei allen Zitaten verlangt die wissenschaftliche Genauigkeit, daß die angeführte Quelle bestimmt und klar und mit Ausschluß jeder Mehrdeutigkeit angegeben werde. […]“

    S. 264 f.:
    „10) Wie für die wissenschaftliche Arbeit im allgemeinen so gilt namentlich für die Zitationsweise die Hauptregel, m i t p e i n l i c h s t e r S o r g f a l t a u f d a s K l e i n s t e z u a c h t e n. Diese alles durchdringende Akribie darf als vorzügliche Standestugend des zitierenden Schriftstellers bezeichnet werden.“

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  8. Luis Tobar

    Solche aggressiven Anwürfe und Mutmaßungen sind Quatsch. „Robert Schmidt“ bearbeitet seine selbst gestellte Aufgabe soweit ich sehe sehr sorgfältig und kohärent, argumentiert nicht unseriös, emotional oder unter der Gürtellinie und begründet seine Urteile kompetent und nachvollziehbar. Auch seine Anomymität kann man ihm m.E. nicht vorwerfen, sie dient ihm als Schutz für seine Neutralität und Unbestechlichkeit, gerade weil es sich um prominente „Opfer“ handelt. Über die Motive oder persönlichen Voraussetzungen für so ein Engagement zu spekulieren ist müßig, ich halte die von ihm ausgelösten Diskussionen nicht für „überflüssig“, noch weniger ihn selber, und sein Anliegen ist ernst zu nehmen.

    Dass er prominente Persönlichkeiten an empfindlicher Stelle trifft (Schavan, die seinerzeit selbst hart mit Guttenberg ins Gericht ging, fällt ihr Fremdschämen auf die Füße; Lammert wird für den anstehenden Wahlkampf unbrauchbar gemacht …) mag vllt. kein Zufall sein und ist sicher (historisch betrachtet) auch nicht immer ganz gerecht, aber exponierte Persönlichkeiten müssen natürlich damit rechnen, sich für ausgegrabene Fundstücke aus ihrer Vergangenheit rechtfertigen zu müssen.

    Durch unsachliche Diskreditierung der Person des „Jägers“ kann man die Sache jedenfalls nicht aus der Welt schaffen, sondern es bedarf einer sachlichen Auseinandersetzung.

    Allerdings – nur damit das auch klar ist – stimme ich je länger ich mich damit befasse immer weniger mit den Urteilen der Plagiatskritiker überein, weil ihnen m.E. das historische Verständnis fehlt und sie sich in einen positivistischen Formalismus verrannt haben, den ich im Kern nicht für wissenschaftlich redlich halte, sondern betriebsblind und voreingonommen. Von daher halte ich meine Kritik an der „inquisitorischen Arroganz“, mit der man Täuschungsabsichten konstruiert, die wahrscheinlich nie existiert haben, in vollem Umfang aufrecht. Aber das ist ein anderes Thema und Teil der sachlichen Auseinandersetzung, von der ich sprach.

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  9. Bernhardus

    Es soll ja Menschen geben, die ihre Daseinsberechtigung darin sehen, Mitmenschen zu diskreditieren – am besten noch anonym!! Man könnte die Meinung vertreten, daß solche Leute einfach überflüssig sind!! Vermutlich steckt da einfach eine übergroße Portion Mißgunst dahinter, möglicherweise gepaart mit fehlender gesellschaftlicher Anerkennung und viel Langeweile??

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  10. mktk1

    Der von Herrn Weber zitierte Auszug aus einem Handbuch zum wissenschaftlichen Arbeiten stellt im Wesentlichen eine Empfehlung dar, was zu vermeiden ist und weist darauf hin, dass Blindzitate als Indikatoren für Plagiate dienen können, jedoch nicht, das Blindzitate Plagiate sind. Auch heute finden sich in Leitfäden Empfehlungen zu Blindzitaten, die oftmals sogar noch lockerer formuliert sind, auch hier werden Blindzitate nicht als Plagiate beurteilt. Wenn ich Herrn Webers Argumentation richtig sehe, und auch die des Bloggers Erbloggtes, dann sind auch im mutmaßlichen aktuellen Fall die Blindzitate die Hinweise auf die eigentlichen Plagiate bzw. als Strukturübernahme ein Teil davon, wobei dies dann vermutlich auch zutreffen würde, wenn die Primärquellen gelesen worden wären.

    Hier muss man jetzt unterscheiden: In einer textbasierten Wissenschaft wird mit Texten als Untersuchungsgegenstand gearbeitet. Wenn die Aufgabe ist, das gestellte Thema an verschiedenen (selbst zu wählenden) Texten zu untersuchen, so ist es die Aufgabe, diese selbst zu recherchieren und zu rezipieren und zu bewerten, sonst wurde die gestellte Aufgabe nicht erfüllt, bzw. bei Verwendung von ungenannter Sekundärliteratur wird über die Leistung getäuscht.

    Dies unterscheidet sich z. B. in einer experimentellen Naturwissenschaft in denen häufig die Literaturrecherche nicht Teil der bewerteten Leistung ist, sondern fast ausschließlich die experimentelle Arbeit im Labor. Blindzitate sind hier unschön und können die Benotung beeinflussen, stellen aber keine Täuschung dar.

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  11. Luis Tobar

    Ein im westlichen Strafrecht seit jeher geltender Grundsatz lautet: Strafnormen sind immer eng auszulegen. Das gilt analog auch für solche Methodenrichtlinien. Wenn die Richtlinie von einer unsauberen Praxis strikt abrät (woraus im Übrigen mit einiger Plausibilität geschlossen werden kann, dass sie vermutlich sehr verbreitet war, wahrscheinlich deutlich stärker als heute, eben weil es viel mühevoller war, sich Originalaufsätze womöglich noch aus den USA oder sonstwoher zu beschaffen), heißt das eben nicht, dass diese Vorgehensweise absolut verboten war und man die Warnung nicht auch in den Wind schlagen durfte.

    Verboten war (und ist) allein die böswillige Täuschung, das Plagiat. Eine solche Täuschung darf man aber nicht einfach in eine unsaubere, nachlässige Praxis hineininterpretieren. Die Bequemlichkeit eines Verfassers ist sicher nicht lobenswert, aber eben auch nicht per se unredlich oder strafwürdig. Dazu gehört die berühmte Täuschungsabsicht. Und die kann man eben nicht einfach mal vermuten, sondern das Gegenteil gilt: Im Zweifelsfall darf man gerade keine unlautere Absicht unterstellen. Alles andere entspräche nicht mehr der Logik westlicher Strafjustiz, die hier maßgeblich sein dürfte.

    Was mich als Unbeteiligten an den Vorwürfen stört, ist die inquisitorische Arroganz, mit der zweifelhafte Passagen oder Verhaltensweisen stets zuungunsten des Betroffenen ausgelegt werden. Das ist m.E. keineswegs „redlich“ und entspricht nicht dem Grundsatz, nach dem sich die Verfolgung schuldhaften Fehlverhaltens zu richten hat.

    Ein wunderschönes Beispiel für diese Art, dem Betreffenden eine gar nicht zwingend anzunehmende Täuschungsabsicht zu unterstellen, findet sich bei lammertplag auf der Seite 21 der Arbeit (die Sache mit dem Bernard ohne h). Die Stelle ist kurz und leicht überblickbar und eignet sich darum sehr gut für mein Exempel.
    Seite 21
    Die Zitationsweise ist natürlich ein glasklarer Beleg dafür, dass Lammert diesen Aufsatz nie eingesehen und den Literaturverweis ungeprüft von Mühleisen übernommen hat. So weit, so schlecht: ein „Zitat aus zweiter Hand“ also (wenn auch kein Wortzitat, aber ein Ideenzitat). Nicht schön, aber nicht verboten, klassischer Fall für Bequemlichkeit.

    Wie konstruiert aber nun „Roland Schmitz“ seinen Vorwurf? Er weist darauf hin, dass sich Erstautor B. Indik über die von Lammert erwähnten „spontanen Aktionen oder Initiativen“ an keiner Stelle äußert und schreibt: „Die Vermutung liegt nahe, dass der Verfasser Mühleisens Text ausschmückt und ihm Indiks Aufsatz gar nicht vorliegt.“ Ha!

    „Robert Schultz“ lag der Aufsatz des Erstautors vor. Das ist im Internetzeitalter nicht weiter verwunderlich. Er konnte so beweisen, dass Lammert den Aufsatz gar nicht kannte. Das ist im Prinzip nicht tragisch, denn dieser behauptet das in seiner Arbeit ja auch nicht, sondern formuliert seine Fußnote mit „siehe dazu Bernhard P. Indik …“ Es ist also ein weiter führender Literaturhinweis, der nur aussagt, dass sich der falsch geschriebene Bernard Indik zum Thema der vorausgehenden Ausführungen Lammerts auch mal in ähnlicher Richtung geäußert hat. Was er genau gesagt haben soll, referiert Lammert aber nicht (kann er ja auch nicht, weil er es nicht weiß, wie wir jetzt wissen). Da kann man ihm also keinen Strick draus drehen, jedenfalls nicht bei enger Auslegung der Verbotsnorm, wie sie hier geboten ist.

    „Raimund Schmidt“ geht aber weiter, er vermutet eine verschleiernde „Ausschmückung“. Das ist geradezu perfide. Also das, was Lammert hier wirklich selbst eingebracht hat (nämlich den Gedanken, der sich auch bei Mühleisen nicht findet: „die Möglichkeit spontaner Aktionen und Initiativen wird geringer“), wird ihm auch noch als „Ausschmückung“ (also im Sinne einer arglistig-planvollen Verschleierungstaktik) angekreidet. Statt ihn für seinen eigenständigen Gedanken zu loben, wird ihm Täuschungsabsicht unterstellt, völlig ohne Beweis. So etwas ist natürlich nicht „redlich“, sondern extrem voreingenommen.

    „Roland Schmitz“ tut so, als hätte Lammert behauptet, Indik hätte von diesen „Aktionen und Initiativen“ gesprochen. Das hat Lammert aber gar nicht getan.

    Das einzige, was man Lammert an dieser Stelle vorhalten müsste, ist die Tatsache, dass er in seiner Anmerkung nicht auch erwähnt, dass er Mühleisen paraphrasiert. Nun ist diese Paraphrase allerdings relativ weit von Mühleisens wörtlichen Formulierungen entfernt und wie gesagt mit Lammerts eigenen Ideen „ausgeschmückt“. Er nimmt also nur Mühleisens relativ banalen und nicht allzu originellen Gedanken auf, vertieft ihn durch ein eigenes Anwendungbeispiel und weist auf die weiter führende englischsprachige Literatur hin, aus der Mühleisen den Gedanken übernommen hat.

    Da von Vornherein klar ist, dass sich Lammert in seinen gruppendynamischen Ausführungen auf Mühleisens Dissertation stützt, kann man Lammert hier keineswegs vorwerfen, er habe so getan, als wäre der Gedanke auf seinem Mist gewachsen. Man kann ihm nicht einmal ein „Bauernopfer“ anlasten, schon gar keine „Verschleierung“. Der „Jäger“ interpretiert in das unsaubere und nachlässige Vorgehen Lammerts eine Täuschung hinein, die bei nüchterner und angemessener Betrachtung nicht beweisbar ist.

    Dieses Muster wiederholt sich immer wieder, und das stört mich durchaus. Wie gesagt wollte ich aber eigentlich vom Experten wissen, ob er an meinen laienhaften Gedankengängen einen grundlegenden Fehler entdeckt. Danke!

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  12. Luis Tobar

    Nein, natürlich nicht, darum frage ich ja den Experten und schildere ihm meine eher ungeordneten Gedankengänge zur sachkundigen Einordnung.

    Aber Sie haben ja in Ihrem gestrigen Blogbeitrag selbst schon ein einschlägiges Zitat geliefert (Böttcher/Zielinski, 1973). Darin wird vom „Zitieren aus zweiter Hand“ dringend abgeraten, es gelte „vielfach als unwissenschaftlich“ und sei bes. in Abschlussarbeiten „strikt zu vermeiden“. Auch könnten unwissentlich transportierte Zitatfehler möglicherweise als Nachweis für ein Plagiat gewertet werden.

    Das klingt für mich so, als handele es sich um eine unschöne, aber gängige Praxis, von der die Autoren künftige Generationen durch ihren Appell gern abbringen möchten, nach dem Motto: „Vorsicht, Leute, es machen zwar viele, aber macht ihr das lieber nicht!“ Ich nehme an, in aktuellen Methodenbüchern ist das Verbot des (unausgewiesenen) „Zitierens aus zweiter Hand“ schärfer formuliert, oder?

    An solche Warnungen hält sich nicht jeder, zumal Lammert ein gerade erst erschienenes Buch über wissenschaftliches Arbeiten wohl auch nicht kennen musste (wobei ich natürlich nicht weiß, was in noch älteren Studienratgebern schon davon stand).

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  13. Luis Tobar

    Können Sie mir als Experte für wiss. Arbeiten vllt. erklären, wieso das Paraphrasieren von Gemeinplätzen aus referenzierter Sekundärliteratur und der Verweis auf die dort genannten Erstautoren ohne gesonderten Hinweis darauf, dass man sie nicht alle selbst gelesen hat, ein „Plagiat“ sein soll? Und das im Jahr 1974. Da kam man doch nur mit ziemlichem Aufwand an alle Originalquellen für so eine Arbeit heran.

    Durch das Internet ist das Plagiieren einfacher geworden, aber man darf nicht vergessen, dass auch das Aufsuchen und Nachprüfen von Quellen im elektronischen Zeitalter wesentlich einfacher ist als früher, wo man sich alles per Fernleihe bestellen musste und dann vllt. den ein oder anderen unwichtigeren Aufsatz, dessen wesentlichen Inhalt man sowieso aus der Sekundärliteratur zu kennen glaubte, nicht selbst anschaute. Das ist doch nachvollziehbar. Als Literaturangabe genutzt hat man ihn natürlich trotzdem.

    Das man auch präziser arbeiten konnte, will ich ja nicht bestreiten. Es gab und gibt gute und schlechte wissenschaftliche Arbeiten, und schlechtere Arbeiten sind möglicherweise u.a. darum schlecht, weil sich ihr Verfasser weniger Mühe mit den Quellen macht als der Autor einer besseren Arbeit. Darum ist die schlechtere Arbeit aber doch kein „Fehlverhalten“, sondern schlicht von einer ungenaueren wissenschaftlichen Arbeitsweise. Das mag man kritisieren und die Arbeiten deshalb in die Tonne kloppen oder verreißen, aber deshalb mache ich den Autoren aber doch ihren Titel nicht streitig.

    Das wesentliche an einer Doktorarbeit und jedem anderen wissenschaftlichen Beitrag ist doch der eigenständige Gedankengang. Den darf ich nicht einfach abkupfern und den Autor verschweigen, das ist klar. Aber für jeden Halbsatz eine Fußnote zu machen ist völlig übertrieben und wurde früher eben auch nicht so wichtig genommen. Diese wissenschaftshistorische Perspektive geht den aktuellen Plagiatsjägern nach meinem Eindruck offenbar ab.

    Guttenberg schrieb zu einer Zeit, als die neuen Plagiiermöglichkeiten gerade aufgetaucht waren und die Studentenschaft diese Erleichterungen fröhlich in Anspruch nahm, sich dabei besonders schlau vorkam nahm und meinte, das würde garantiert niemals auffliegen. Dass diese Generation einen auf den Deckel bekommen hat, ist m.E. gerechtfertigt.

    Zu Lammerts und Schavans Zeiten herrschte dagg. ein ganz anderes Klima. Dass damals selbst die Autoren der Sekundärliteratur nicht alle Literaturangaben auf die Goldwaage legten, wird an Lammerts Fall ja sehr schön deutlich. Wieso sollte man ihm da ankreiden, dass er fehlerhafte Verweise aus der ihm zugänglichen Literatur übernimmt?

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  14. Maik Finke

    Sehr geehrter Herr Weber,

    wie konnte das nur passieren? Ein ungekennzeichneter Halbsatz in Ihrer Arbeit? Ich bin schockiert!?

    Aber Spaß beiseite: Ich finde es gut, dass Sie dazu stehen. Es zeigt doch, dass Fehler menschlich sind und niemand vollkommen ist.

    Viele Grüße

    MF

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  15. Maik Finke

    Sehr geehrter Herr Weber,

    ich achte Ihr Engagement gegen Textbetrug in der Wissenschaft. Dies möchte ich ersteinmal voraus schicken. Mit einigen Aussagen, die Sie treffen, bin ich allerdings nicht einverstanden, vor allem bzgl. der Diss. von Lammert. Ich habe alle Seiten, die Robert Schmidt hochgeladen hat, genauestens gelesen. Es finden sich hier und da Bauernopfer, auch hin und wieder Textübereinstimmungen. Diese können allerdings nicht immer als Plagiate gewertet werden, da allein das Umstellen, Kürzen und Trennen einzelner Passagen den Sinn verändert. Somit kann Lammerts Arbeit nicht in Bausch und Bogen als Plagiat gewertet werden, das wäre mE unredlich.

    Herr Weber: Wenn Ihnen gute wissenschaftliche Praxis so am Herzen liegt, dann gehen Sie doch als gutes Beispiel voran und lassen Sie Ihre Arbeit mal von Vroniplag offen diskutieren. Dies hätte den Effekt, dass alle Welt sehen könnte, wie man richtig zitiert; oder aber auch, dass es vielleicht auch bei Ihnen Stellen geben könnte, die möglicherweise zu einem Barcodeeintrag führen würden. Was denken Sie darüber?

    Antworten
    1. admin

      Hallo,

      wenn Sie denken, dass in meiner Diss auch Stellen „zu einem Barcodeeintrag führen würden“, dann bitte dokumentieren Sie diese und stellen Sie sie selbst auf VroniPlag ein. Ich wäre gespannt! Ich bitte Sie um Verständnis, dass ich das nicht selbst tun kann, da ich keine solchen Stellen sehe. Und auch meine größten Feinde haben unter Aufwendung aller Mühen, auch mit Offline-Literatur, bislang nur einen einzigen Halbsatz gefunden, der aber mit „vgl.“ belegt wurde.

      LG
      sw

  16. Plagiatorjägerjäger

    Woher weiß ich denn, dass Ihre Angaben der Wahrheit entsprechen oder dass die obigen Scans aus der Doktorarbeit des Herrn Lammert sind?

    Traue keiner Website, deren Inhalte du selbst gefälscht hast.

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  17. eyleen

    Es ist schon erstaunlich, dass Menschen anonym im Internet andere beurteilen oder verurteilen dürfen…….

    Solange de Plagiats-Jäger nicht mit offenen Karten spielt, sollte man ihn einfach unbeachtet lassen.

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    1. admin

      Was hat denn die Identität des Plagiatsjägers Ihrer Meinung nach mit der Faktizität oder Nicht-Faktizität eines Plagiats zu tun?

  18. John Doe

    Unabhängig von Ihrer Bewertung halte ich „Rübe ab für Lammert und Betreuer Faul!“ für sehr daneben.

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