Offener Brief an Bundesminister Heinz Faßmann:
»Jetzt Farbe bekennen – Lehren u.a. aus dem Fall Aschbacher für die UG-Novelle und die zukünftigen Leistungsvereinbarungen«
Brief vom 13.01.2021
»Sehr geehrter Herr Bundesminister Prof. Dr. Faßmann!
Sehr geehrter Herr Sektionschef Mag. Pichl! Sehr geehrter Herr MinR Mag. Wulz!
Ich würde mit Ihnen gerne darüber diskutieren, ob es Möglichkeiten gibt, mehrere oder idealerweise alle der folgenden Punkte noch ins neue Universitätsgesetz aufzunehmen. Allesamt dienen sie aus meiner Sicht einer verbesserten Qualitätskontrolle und klareren Kommunikation der Qualitätssicherung primär in Lehre und Betreuung. Die Mehrzahl der Punkte könnte auch ins Fachhochschulgesetz mit übernommen werden.
Ich bin überzeugt davon, dass Österreich mit diesen Sprüngen nach vorne bzw. diesem kulturellen Wandel an Universitäten, FHs und PHs sogar eine Art Vorreiter in ganz Europa werden könnte. Es wären kleine Schritte für den Gesetzgeber, aber große Fortschritte für die Wissenschaft.
Die Punkte für das UG sind im Einzelnen:
- Neuaufnahme des Punkts ›Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und akademischer Integrität‹ in die leitenden Grundsätze für Universitäten (§ 2 UG)
- Neuaufnahme der Begriffe ›gute wissenschaftliche Praxis‹ und ›wissenschaftliches Fehlverhalten‹ in die studienrechtlichen Begriffsbestimmungen (§ 51 UG)
- Neuaufnahme einer Strafbestimmung ›Verstoß gegen die eidesstattliche Erklärung in einer schriftlichen Arbeit, in einer wissenschaftlichen oder künstlerischen Arbeit‹ mitsamt Normtext für eine solche Erklärung
- Abschaffung der Amtsverschwiegenheit, insbesondere bei Verfahren zu Verdachtsfällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens (zumindest aber Auskunftspflicht auch gegenüber dem Hinweisgeber/Whistleblower!)
- Rücknahme der Verjährungsfrist von 30 Jahren für die Möglichkeit des Widerrufs eines akademischen Grades; dagegen erweiterte Sanktionsmöglichkeiten bei schwerwiegenden Plagiaten nach § 19 Abs. 2a UG
- Reduktion der Anzahl der Prüfungsantritte (heißes Eisen!), damit Eindämmung des weit verbreiteten ›Prüfungsbazars‹ an Universitäten
Für die zukünftigen Leistungsvereinbarungen sehe ich folgende neuen Punkte und Aspekte:
- Pflichtlehrveranstaltungen ›Einführung in die gute wissenschaftliche Praxis‹ an den Studienbeginn in allen Studienfächern
- Verpflichtung der Universitäten, der FHs und der PHs zur nahtlosen Integration einer funktionierenden Plagiatssoftware in ihre Learning Management-Systeme (d.h. APIs ins jeweilige LMS)
- Verpflichtung aller LV-LeiterInnen, BetreuerInnen und auch externer LektorInnen von Lehrveranstaltungen zur Plagiatssoftware-Kontrolle von allen schriftlichen Aufgaben
- Schärfere Sanktionsmöglichkeiten bei Verletzungen der Betreuungspflichten bei schriftlichen und wissenschaftlichen Arbeiten
- Zeitliche Befristung der Dauer von Besetzungsverfahren
Die Punkte zum Universitätsgesetz finden Sie im Anhang in einer Langfassung in meiner heute eingereichten Stellungnahme zum UG-Begutachtungsverfahren, die auch das von mir seit langem aufgezeigte Problem der Studier(un)fähigkeit und Qualitätssicherung adressiert (Word- und PDF-Datei sind identisch).
Ich freue mich, wenn auch JournalistInnen diese Stellungnahme online publizieren möchten und an den diskutierten Themen weiterführend interessiert sind. Die Stellungnahme enthält in einigen Punkten auch einen Blick in die Nachbarländer.
Bitte, lieber Herr Bundesminister, lassen Sie mich wissen, was aus Ihrer Sicht sinnvoll und machbar ist. Ich freue mich auf einen Dialog mit Ihnen zur Qualitätsverbesserung des wissenschaftlichen Outputs!
Mit freundlichen Grüßen
DOZ. DR. STEFAN WEBER
Sachverständiger für Plagiatsprüfung
5020 Salzburg, Österreich«
Stellungnahme von Privatdozent Mag. Dr. Stefan Weber zur Änderung des Universitätsgesetzes 2002 (PDF-File, 8 Seiten, 748 KB)
Medienberichterstattung zum Offenen Brief:
kurier.at, »Offener Brief: Plagiatsforscher appelliert an Faßmann ›Farbe zu bekennen‹«, 14.01.2021
orf.at, »Plagiate: Weber für härtere Sanktionen«, 14.01.2021
Genau diese Bestimmungen wünsche ich mir bei uns in der Schweiz auch in jedem kantonalen Universitätsgesetz — denn bei uns ist das nicht national geregelt. Im «Gesetz über die Universität» des Kantons Bern (UniG) ist das wie festgehalten — nicht sehr detailliert, wie Sie sehen!
Viel Erfolg mit Ihrem Vorstoss wünscht Ihnen
Markus Bolliger
Art. 4
Titel, Bescheinigungen
1
Die Universität verleiht
a * Bachelor- und Mastertitel sowie Lizenziate und Diplome,
b Doktorate,
c die Habilitation.
2
Sie kann verleihen
a das Ehrendoktorat für hervorragende Leistungen in Wissenschaft oder Beruf,
b * …
c die Honorarprofessur für Persönlichkeiten in wissenschaftlichem Beruf oder öffentlicher Stellung.
3
Sie kann im Universitätsstatut weitere Titel schaffen. *
4
Sie entzieht einen Titel
a bei Erwerb durch Täuschung oder Irrtum,
b bei Begehung einer schweren Straftat in Ausübung der wissenschaftlichen Tätigkeit.
5
Sie stellt für erbrachte Studienleistungen Bescheinigungen aus.
Art. 5
Qualitätssicherung und -entwicklung *
1
Die Universität überprüft, sichert und entwickelt regelmässig die Qualität von Lehre, Forschung und Dienstleistung. *
2
Der Regierungsrat regelt die Grundzüge.
Mir ist das