Was ist ein korrektes Zitat in der Wissenschaft?

Von Doz. Dr. Stefan Weber, 2020

Warum gibt es überhaupt das Zitiergebot?

Der Sinn des Zitierens in der Wissenschaft ist, …

  • dass Ihr Leser bei jedem Satz, den Sie geschrieben haben, Ihre Ideen und Formulierungen von denen anderer („geistiges Eigentum“) unterscheiden kann. Somit ermöglichen Sie erst dem Leser die Zuordnung, und das heißt auch zu erkennen, was Sie neu gedacht haben.
  • dass Sie die Ideen und Formulierungen von anderen korrekt wiedergeben (dass Sie z.B. nicht jemandem eine Auffassung unterjubeln, die er/sie gar nicht vertritt).
  • dass Sie – quasi wie im Blockchain-Denken – auf dem aufbauen, was schon da ist, was schon gedacht/konzipiert/erforscht wurde (die Basis der Wissenschaft ist immer der aktuelle Stand der Forschung – das ist eine der zentralen ethischen Normen).
  • dass Sie Bestimmungen der jeweiligen nationalen Urheberrechtsgesetze zur Verpflichtung zur Quellenangabe1 einhalten und etwaige Bestimmungen in den jeweils in Frage kommenden Hochschulgesetzen zum Plagiat2 anerkennen.

Es gibt nur zwei Arten des wissenschaftlichen Zitats:

Das wörtliche (direkte) Zitat und das sinngemäße (indirekte, inhaltliche) Zitat. Wörtliche (direkte) Zitate kommen in den Naturwissenschaften, in den technischen Wissenschaften und in der juristischen Wissenschaft selten vor.

© Hannes Fuß

Das wörtliche (direkte) Zitat

Es besteht aus …

  1. einem wortwörtlich aus einem anderen Text übernommenen Textteil,
  2. der Kenntlichmachung („Einrahmung“) dieses Textteils durch doppelte Anführungszeichen („…“) und
  3. dem anschließenden Literaturbeleg, meist in der Form von: (Luhmann 1986, S. 234) oder auch (Luhmann 1986: 234) u.a. Varianten (nie aber mit einem vgl. – das „Vergleiche“ ist ausnahmslos für sinngemäße Zitate reserviert!). Die konkrete Ausformung des Literaturbelegs ist egal und variiert von Zitierstil zu Zitierstil, wichtig ist nur die – auch vom Urheberrecht geforderte – leichte Auffindbarkeit der Quelle. Das heißt etwa, Sie müssen bei jedem wörtlichen Zitat auch eine Seitenzahl angeben, auf der die Textstelle zu finden ist.

Wörtliche Zitate haben somit in der Regel die Form:

„Xxxxx xxx Xxxxx xxx xxxxx.“ (Luhmann 1986, S. 234)

Das wörtliche (direkte) Zitat sollte vor allem verwendet werden für die wörtliche Wiedergabe …

  • eines Spezialbegriffs, den ein Autor geprägt hat;
  • einer Definition;
  • einer besonders markanten Position, die für die Auffassung des Autors steht; oder
  • einer sonstwie besonders interessanten Passage.

Wörtliches Zitieren sollte daher immer mit Bedacht erfolgen: Rechtfertigt eine Stelle tatsächlich ein wörtliches Zitat? Eine einfache Regel lautet: Wörtliches Zitieren bitte nur dort, wo es tatsächlich auf den Wortlaut ankommt.

Das sinngemäße (indirekte, inhaltliche) Zitat

Ein weit verbreiteter Irrtum ist es, dass dieses aus einem – wie stark auch immer „umgeschriebenen“ – Originaltext besteht, dem dann meist am Absatzende ein Literaturbeleg der Art (vgl. Luhmann 1986, S. 234 f.) angefügt wird. Solche Zitate sollten jedoch unbedingt vermieden werden, da der Leser in aller Regel nicht erkennt, welche Gedanken vom Verfasser stammen und welche aus der Literatur. In Wahrheit geht es beim sinngemäßen Zitat um…

  • die Wiedergabe einer Idee;
  • eines Konzepts; oder
  • einer Position bzw. einer Meinung eines Verfassers.
  • In seltenen Fällen kann ein sinngemäßes Zitat auch aus einer Zusammenfassung des Originals bestehen – aber nur dann, wenn diese konsequent in eigenen Worten erfolgt ist.

Sinngemäße Zitate haben die Form:

Xxxxx xxx Xxxxx xxxxx xxx Xxxxx (vgl. Luhmann 1986, S. 234 f.).

Da keine Kenntlichmachung durch Anführungszeichen möglich ist (Sie zitieren ja eben nicht wörtlich, sondern nur eine Idee, ein Konzept, eine Auffassung, eine Meinung), muss klar sein, auf welchen Textumfang sich das sinngemäße Zitat bezieht. Daher ist es in der Regel vernünftig, dies zu Anbeginn klarzumachen, etwa mit „Luhmann ist der Auffassung, dass …“. Auch indirekte Rede (Konjunktiv 1) ist dafür sinnvoll.

Falls Sie eine Textpassage eines Autors wortwörtlich übernehmen (und sei es auch nur ein Satzteil, der nachweislich aus seiner Quelle stammt), ist ein sinngemäßes Zitat unzulässig!

Weitere Grundregeln beim wissenschaftlichen Zitieren

Zitierfähigkeit

Es gilt die Regel: Wissenschaft zitiert Wissenschaft. Tut sie dies nicht, muss sie besonders quellenkritisch vorgehen. Vor jedem Zitat ist daher zu prüfen: Zitiere ich eine wissenschaftliche Publikation (das sind alle veröffentlichten Arbeiten ab der Ebene der Masterarbeiten, aber etwa keine Lehrveranstaltungsfolien oder nicht „die“ Lehrveranstaltung)? In der Regel sind wissenschaftliche Publikationen von Verlagen herausgebrachte Werke oder Qualifikationsschriften ab der Master-Ebene.

Nachrichtenkanäle, Wikipedia, Blogs usw. sind keine wissenschaftlichen Quellen! Wenn Sie diese dennoch zitieren, müssen Sie besonders quellenkritisch vorgehen. Es empfiehlt sich dann auch das Anlegen eigener Sub-Literaturverzeichnisse für diese Typen.

Vollständigkeit eines Zitats

In der Regel bedarf jedes wörtliche oder sinngemäße Zitat der Angabe einer Seitenzahl. Eine Ausnahme ist nur der Verweis auf ganze Werke beim sinngemäßen Zitat.

Prinzip des Originals

Vermeiden Sie Sekundärzitate. Wenn Sie etwa über den Originaltext von Niklas Luhmann verfügen könnten (weil dieser im Prinzip erhältlich ist), zitieren Sie nicht sekundäre Quellen über diesen Text, um Luhmann scheinbar im Original zu zitieren. Sekundärzitate sind nur erlaubt, wenn die Originalquelle nicht mehr erhältlich ist.

„Read Before You Cite“

Zitate und Literaturbelege dürfen nicht aus anderen Quellen abgeschrieben werden, die Sie selbst nicht anführen. Das kann Ihnen den Vorwurf des Plagiats einhandeln. Zitiert wird nur Gelesenes (oder zumindest kursorisch Gelesenes oder Durchsuchtes).

Vollständigkeit und Einheitlichkeit des Literaturverzeichnisses

Beachten Sie die Regeln für die vollständige und korrekte Zitation von Büchern und Beiträgen in Sammelbänden.

Wahl des Zitierstils

In den Sozialwissenschaften wird üblicherweise nach der Harvard-Methode („Autor-Jahr-Stil“) zitiert. Sie können aber auch nach dem naturwissenschaftlich-medizinischen numerischen Stil zitieren, wenn Sie aus einem entsprechenden Fach kommen und Sie dennoch direkte Zitate einbauen können (die Seitenzahlen stehen dann oft in den References). Auch eine Zitierung nach dem (älteren) Fußnotenstil ist möglich.

Die goldene Regel beim Zitieren

Entscheidend ist nicht der Zitierstil, sondern sind ausnahmslos das semantisch korrekte Erfassen eines Originaltextes („was wollte uns der Autor sagen?“) und die korrekte und einheitliche Anwendung des jeweiligen Zitierstils!

Wenn Sie diese Regeln einhalten, ist es für Sie ein Leichtes, Plagiate zu vermeiden!

Weitere Informationen

Typische Zitierfehler in studentischen Arbeiten

Paraphrase vs. Plagiat

Dieser Text findet sich in einer früheren Version auch hier (evolving document).

1 In Österreich etwa Urheberrechtsgesetz: § 57 Abs 2, https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/1936/111/P57/NOR40167949

2 In Österreich etwa im Universitätsgesetz: § 51 Abs 2 Z 31, https://www.ris.bka.gv.at/NormDokument.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20002128&Paragraf=51

Kommentare ()

  1. Markos 18 September 2020, 10:19 # 0
    Vielen Dank für diesen informativen und gut lesbaren Artikel. Gerade für Studienanfänger*innen oder wenn es um die Abschlussarbeit wertvoll!
    Eine Anmerkung: immer öfter wird der APA-Zitierstil verwendet und dieser auch proaktiv von Lehrenden, z.B. der Kommunikationswissenschaft in Wien, gefordert. Könnten Sie, Herr Weber, bitte deswegen einen Absatz dazu veröffentlichen? Darüber hinaus würde mich Ihre persönliche Meinung zum Für und Wider dieses Zitierstils interessieren. Meine persönliche ist vielleicht etwas radikal: ich würde APA für Bachelorstudierende verbieten, denn es lädt meiner Meinung nach gerade unerfahrenere Studierende geradezu herzlich ein wissentlich oder unwissentlich unsauber zu arbeiten.
    1. Doz. Dr. Stefan Weber 19 September 2020, 17:14 # 0
      Lieber Markos,
      vielen Dank für Ihren Kommentar und das Lob!
      Mir ist aber offen gesagt vollkommen neu, dass es Kritik am APA-Style gibt. Was veranlasst Sie gar, zu fordern, diesen für Bachelorstudierende zu verbieten?
      Ich erkenne hier nichts Böses, sehe nur geringe Unterschiede zur Harvard Citation bzw. zu sonstigen Autor-Jahr-Zitierweisen:
      https://www.lektorat-bachelorarbeit.de/zitieren-im-apa-stil/
      Würden Sie fordern wollen, dass auch die Sozialwissenschaften im numerischen (naturwissenschaftlichen Stil) zitieren?
      LG
      sw
      1. Markos 19 September 2020, 18:15(Der Kommentar wurde bearbeitet) # 0
        Lieber Stefan,
        danke für die schnelle Rückmeldung. Es überrascht mich aber etwas, dass Sie keinen einzigen Kritikpunkt — ob berechtigt oder nicht — am APA-Style kennen. Einer könnte ja der Unterschied beim indirekten Zitieren sein.
        Bei der Hardvard-Citation: «Xxxxx xxx Xxxxx xxxxx xxx Xxxxx (vgl. Luhmann 1986, S. 234 f.).»
        Beim APA-Style: Xxxxx xxx Xxxxx xxxxx xxx Xxxxx (Luhmann, 1986).

        Meine Vermutung (welche mir so mehrmals von Kolleg*innen bestätigt wurde): das Weglassen der Seitenanzahl bedeutet, dass es vermeintlich reicht, nur das Abstract zu lesen und der Artikel nicht mal mehr überflogen — geschweige denn gelesen — wird. Man hat dann formal zwar sauber zitiert, aber bestimmt nicht wissenschaftlich gearbeitet!

        Bzgl. des numerischen (naturwissenschaftlichen) Stils: was könnten hier die Vorteile/Nachtreile sein ggü. Harvard/APA — haben Sie hier vlt eine gute Gegenüberstellung?

        Beste Grüße!
        1. Doz. Dr. Stefan Weber 19 September 2020, 18:43 # 0
          Oh wie spannend, oder um McDonald's zu plagiieren: «Ich liebe es.»
          Wo steht denn, dass APA-Style normiert, dass bei indirekten Zitaten keine Seitenzahl erforderlich ist?
          Vor mir liegt das APA Publication Manual, 6. Auflage, S. 171:
          Abschnitt 6.03 regelt das wörtliche (direkte) Zitat.
          Abschnitt 6.04 die Paraphrase. Und da steht:
          «When paraphrasing or referring to an idea contained in another work, you are encouraged to provide a page or paragraph number, especially when it would help an interested reader locate the relevant passage in a long or complext text.» (Hervorhebung in fett S.W.)
          Kann es sein, dass sich hier im Netz wieder mal ein Halbwissen verselbstständigt hat? Wie ich erst jetzt sehe, steht das auch in dem Link des «Mitbewerbers», den ich vorhin gepostet habe. Wenn ja, würde das ja genau meine Warnungen und mein genaues Hinsehen wieder mal bestätigen. So «intelligent» sollte Google irgendwann mal werden!
          LG
          sw
      2. Markos 19 September 2020, 19:19 # 0
        Danke für Ihre schnelle Antwort. Was in der 6. Auflage bereits nur einen Vorschlagscharakter hatte, wird nun in der neuen 7. Auflage noch mehr abgeschwächt:
        «Although it is not required to provide a page [emphasis added] or paragraph number in the the citation for a paraphrase, you may include one in addition to the author and year when it would help interested readers locate the relevant passage within a long or complext text (e.g., a book).» (American Psychological Association, 2020, p. 269).

        Wenn Sie in die englischsprachigen Top-Journals der Kommunikationswissenschaft schauen, wo ausschließlich im APA-Style zitiert wird, so werden Sie auch keine Seitenanzahlen bei indirekten Zitaten finden.

        Beste Grüße!
        1. Doz. Dr. Stefan Weber 19 September 2020, 19:35(Der Kommentar wurde bearbeitet) # 0
          Nein, das ist wirklich ein Missverständnis!

          Siehe:
          apastyle.apa.org/style-grammar-guidelines/citations/paraphrasing

          NATÜRLICH gibt es jede Menge indirekte Zitate, bei denen eine Seitenzahl NICHT erforderlich ist. Genau so steht es auch in meinem Manual. Wenn ich etwa schreibe:

          Das Konzept der «Autopoiesis» biologischer Systeme stammt von Maturana, vgl. MATURANA/VARELA 1978.

          Ist das völlig in Ordnung! Es bezieht sich ja dann auf den ganzen Literaturtitel.

          Oder wenn ich schreibe:

          Neuere Forschungen zur News-Find-Me-Haltung (DE ZUNIGA et al. 2020; WEBER 2020; SCHOLL 2020)...

          ist das auch ok!

          Auf diese Use Cases bezieht sich die Formulierung.

          Ich fürchte, hier wurde wieder mal eine falsche «Lex Viennensis» abgeleitet: wonach man seitenbezogen indirekt zitieren könne, aber dann die Seiten nicht angeben müsse. Das ist eine Irrlehre.

          Ich habe schon mehrere solche in der Wiener Methodenliteratur gefunden: Unsinn zu Forschungsfragen, zu Hypothesen und zu statistischen Interpretationen.

          LG
          sw
        2. Gerald 08 Januar 2022, 07:17(Der Kommentar wurde bearbeitet) # 0
          Sehr geehrter Herr Dr Weber!

          Ich finde den Kommentar des Büros der Ministerin Susanne Raab, dass Ihre Behauptungen an den Haaren herbeigezogen und eines Kommentars gegenüber der Öffentlichkeit nicht würdig seien (vgl. ZIB2 7. 1. 2022), ziemlich frech. Unsauberes Arbeiten kann man Ihnen ganz sicher nicht vorwerfen.
          Und gerade deshalb muss ich Sie leider auf zwei Fallfehler aufmerksam machen, die sich auf dieser Seite eingeschlichen haben. Ich copy/paste die betreffenden Passagen mal eben so rein:
          «Wörtliche [...] Zitaten kommen [...] selten vor.»
          «Entscheidend ist [...] die [...] Anwendung der [...] Zitierstils!»

          Ich freue mich auf hoffentlich neue und sicher wieder sehr kurzweilige Interviews mit Ihnen zum Thema ÖVP Frauen- und Integrationsministerin und wünsche

          ein gutes Neues Jahr!
          1. Gerald 08 Januar 2022, 07:26 # 0
            Lieber Herr Weber,

            ich habe nach dem Abschicken meines vorherigen Kommentars betreffs Raab gesehen, dass Sie mein Posting vor dem Freischalten noch prüfen.
            Bitte, den Teil mit den Fallfehlern brauchen Sie selbstverständlich nicht öffentlich machen, genausowenig wie dieses Schreiben. Bessern Sie es einfach aus und fertig.

            Danke!

            * kennzeichnet erforderliches Eingabefeld