Was haben die Universitäten eigentlich in den sieben Jahren nach dem Fall Guttenberg gelernt und geändert? Wird nunmehr endlich Plagiatssoftware wie Turnitin, das ‚Gegengift‘ erster Wahl, flächendeckend eingesetzt? Überprüfen die Lehrenden bei Software-Erstverdacht endlich manuell weiter? Wie ist es denn möglich, dass sechs Jahre nach Guttenberg, im Jahr 2017, offenbar wieder eine plagiatsinfizierte Dissertation eines deutschen Politikers angenommen wurde? Der Spiegel hat den neuen Fall aufgedeckt.
Zwei Dinge sind hier bemerkenswert: Der Verfasser Michael Neumann (SPD) hat selbst die Spuren zu seinen Quellen (die auch Turnitin entdeckt hätte) in der digitalen Version seiner Doktorarbeit hinterlassen: Er hat, ohne den Umweg eines neutralisierenden Text-Editors zu gehen, Textfragmente aus der Wikipedia mittels Copy/Paste unzitiert einfach in die Datei seines Textverarbeitungsprogramms eingefügt. Wenn man nun die Hyperlinks aus diesen Textfragmenten nur durch Umformatieren optisch beseitigt, bleiben diese als „Hidden Links“ im z.B. Word- oder auch PDF-Dokument erhalten. Schon im Word-Dokument werden sie angezeigt, wenn man sich mit dem Kursor auf einem verlinkten Begriff befindet. Diese Information geht bei der Umwandlung in das PDF-Format nicht verloren – der Hidden Link kann auf dieselbe Weise sichtbar gemacht werden!
Quelle: Dissertation Michael Neumann, S. 2
Wie auch Gerhard Dannemann von VroniPlag Wiki sagt, sollte man ab sofort alle digital abgegebenen Qualifikationsschriften automatisiert auch nach Hidden Links durchsuchen – wieder ein neues Feld für die Content-Qualitätssicherung!
Es kommt noch kurioser: Als Verfasser der Dissertation ist in den PDF-Dokumenteigenschaften ein gewisser „Oli Lukner“ angegeben.
Quelle: Dissertation Michael Neumann
Es handelt sich um einen lokalen FDP-Politiker, der auch Geschäftsführer eines Unternehmens namens „Edtorio“ ist. Und dieses schreibt auf seiner Webseite u.a.:
„Wir verfassen, formulieren und schreiben Texte auf der Basis Ihrer Ideen und Stichworte in der von Ihnen gewünschten Form, Formulierung und Feinheit.“
Quelle: Webseite Editorio
Nun, wie passt das alles zusammen? Ein ehemaliger SPD-Politiker kopiert unter anderem aus der Wikipedia und lässt einen lokalen FDP-Politiker Beiträge unbekannter Art und unbekannten Ausmaßes zu seiner Dissertation beisteuern. Dessen Schreibbüro verwischt aber weder die Spuren des Plagiats, noch ändert es die Dokumenteigenschaften. Eine geniale Intrige der FDP? Wohl eher nur da und dort ein ungemein plumpes Vorgehen. Und wieder einmal stehen die Glaubwürdigkeit und Qualität von Dissertationen in Frage.
Das ist ja nun mal eine beinahe schon amüsante Variante des Copy’n’pastens. Wenn die (mutmaßlichen) Plagiatoren sich mittlerweile noch nicht einmal die mindeste Mühe machen, ihr Treiben zu verschleiern, dann stehen die Glaubwürdigkeit und Qualität von Dissertationen – zumindest in den rein textbasierten Wissenschaften – erst recht mehr als in Frage.
Danke für diesen Blogeintrag. Das PDF-FDP-Palindrom ist im Übrigen auch gelungen… 🙂