Beispiel für Message Control? Die „150 Fake News zu Corona“ sind wohl Fake News

Update: Mein Blogbeitrag wurde am 31.03.2020 publiziert. Am 01.04.2020 erhielt ich vom Bundeskanzleramt dieses PDF mit 98 User-Kommentaren auf BKA-Kanälen, wobei einige dieser Kommentare zu zweifelhaften Nachrichten verlinken. Das Dokument wurde zuletzt am 01.04.2020 um 00:17 von einem „Raimund“ geändert. Damit wurde die Meldung über „150 Fake News“ von vergangenem Freitag weiter nicht verifiziert. Dennoch danke ich dem BKA für die Übermittlung dieses wissenschaftlich wertvollen Materials.

Die Nachricht ging am vergangenen Freitag durch alle heimischen Medien, basierend auf einer APA-Meldung: Der „Digitale Krisenstab“ im Bundeskanzleramt habe rund 150 Fake News zu Corona identifiziert. Die Zahl 150 wurde einfach so kommuniziert, ein Medium titelte dramatisch: „Fake News verbreiten sich so schnell wie das Coronavirus“.

Der ORF ließ uns wissen:
„Der ‚Digitale Krisenstab‘ im Bundeskanzleramt (BKA), der sich mit dem Aufspüren und Richtigstellen von Falschmeldungen um das Coronavirus beschäftigt, hat in der vergangenen Woche knapp 150 ‚Fake News‘ identifiziert und als solche gekennzeichnet. Das teilte das BKA der APA mit.“
Quelle: ORF.at

Nun steht aber diese Meldung selbst im Verdacht, Fake News zu sein. – Ich habe noch am vergangenen Freitag beim Pressesprecher im Bundeskanzleramt um die Zusendung der ca. 150 Falschnachrichten gebeten, um diese wissenschaftlich auswerten zu können. Zunächst wurde ich mit den Links zu den drei Social Media-Auftritten des Bundeskanzleramts bei Facebook, Instagram und Twitter abgespeist. Nach zwei weiteren E-Mails und einem Anruf musste man zerknirscht zugeben: Diese knapp 150 Nachrichten gibt es gar nicht. Man habe keine Screenshots gemacht, man habe sie nicht gesichert, hieß es dazu gestern am Telefon.

Nun stellen sich einige Fragen: Wie kam man dann überhaupt auf die Zahl 150? Was hat man da gezählt? Hat man weltweit nach Fake News gefahndet? Nur im deutschsprachigen Raum? Oder nur in Österreich? Nur im Web? Oder nur in sozialen Medien? Wenn ja, in welchen? Gar nur auf den Social Media-Kanälen des Bundeskanzleramts? Aber was würde es bringen, Nutzerkommentare von dort als „Nachrichten“ zu bezeichnen? Zu „Fake News“ würden doch solche Kommentare erst werden, wenn in ihnen auf Fake News verlinkt wird. User-Kommentare und Nachrichten, das ist etwas ganz anderes. Das verrät uns schon Wikipedia, dazu muss man nicht Kommunikationswissenschaft studiert haben. – Ich habe übrigens auch die Nutzer-Kommentare zu den Facebook-Videos der Regierung der vergangenen Woche durchgesehen und keinen einzigen als „Fake News“ gekennzeichneten Kommentar gefunden.

Mir ist klar: Alle haben im Moment wahnsinnig viel zu tun. Wir haben ein gewaltiges Gesundheitsproblem zu lösen, das im Moment und leider auch auf kürzere Sicht unlösbar erscheint. Aber warum muss man dann mit solchen Meldungen rausgehen, wenn sie letztlich nicht verifizierbar sind? Sollte man dann nicht besser die Finger davon lassen und sich ganz um die Beschaffung von mehr Tests, Masken, Handschuhen, statistisch belastbaren Zahlen zum Virus etc. kümmern?

Wir reden im Moment sehr viel von Evidenz und von evidenzbasierten Entscheidungen. Ich erwartete mir also nichts weiter als Evidenz in Form der 150 Fake News. Dass diese Erwartung nicht erfüllt wurde, lässt mich misstrauisch werden.

Alleine der Anschein, dass der „Digitale Krisenstab“ hier nicht korrekt gerarbeitet hat, wirft kein gutes Licht auf das Krisenmanagement der Bundesregierung. Hoffen wir sehr, dass die anderen Zahlen stimmen.

2 Kommentare zu “Beispiel für Message Control? Die „150 Fake News zu Corona“ sind wohl Fake News

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  1. Franz Furtlehner

    Herr Dr. Weber,

    Über die beschreibende, im besten Sinn verständliche Art Ihrer Beiträge zur aktuellen Situation bin ich sehr erfreut. So etwas ist sonst kaum zu finden im derzeitigen Wirrwarr. Es erscheint mir äußerst wichtig, dass kundige Personen die oft kryptischen Aussagen der Politik und vielfach widersprüchlichen der zuständigen Wissenschaft gut hinterfragen und auf mögliche Szenarien hinweisen, welche uns auch nach meiner Wahrnehmung verschwiegen werden.

    Mit besten Wünschen

    Franz Furtlehner

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