Können Unternehmen noch selber texten? Problemfeld „Selbstdarstellungs-Plagiarismus“

Eine Salzburger Forschungsgesellschaft schreibt auf ihrer Webseite:

„Die Freiheit der Wissenschaft ist ein hohes Gut. Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erwächst daraus eine große Verantwortung. Die Research Studios Austria Forschungsgesellschaft nimmt diese Verantwortung wahr, auch und gerade im Dialog mit der Öffentlichkeit.“

Quelle: http://www.researchstudio.at/innovationspipeline

Das steht so auch bei der Max-Planck-Gesellschaft, allerdings im bundesdeutschen Kontext um einen Halbsatz angereichert:

„Die Freiheit der Wissenschaft ist ein hohes Gut – in der Bundesrepublik Deutschland ist die Forschungsfreiheit daher im Grundgesetz verankert. Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erwächst daraus eine große Verantwortung. Die Max-Planck-Gesellschaft nimmt diese Verantwortung wahr, auch und gerade im Dialog mit der Öffentlichkeit.“

Quelle: http://www.mpg.de/4898/standpunkte

Da stellt sich doch die Frage: Wer hat es warum von wem? Hätte man das nicht auch selbst schreiben können? Warum bedarf es offenbar selbst bei so einfachen Sachverhalten schon der „Inspiration“?

***

Eine neue Wiener Medienproduktionsfirma beschreibt sich auf ihrer Webseite:

„POPUP MEDIA greift mit seinen Mitarbeitern auf ein Netzwerk von Profis aus den Bereichen Video, Audio, Print und Internet. Mit dieser Stärke wollen wir unsere Kunden ganzheitlich und für alle Medien betreuen. Damit schätzen Partner und Kunden unsere Flexibiltät. Dieser integrative Zugang und die Freude an der Umsetzung machen uns zu einem zuverlässigen Partner. Eine langfristige und loyale Zusammenarbeit ist unser Ziel.“

Quelle: http://www.popupmedia.at/unternehmen

Und auch das findet sich so auch bei einer anderen Firma:

„Mediahaus Salzburg ist ein Netzwerk von Profis aus den Bereichen Video, Audio, Print und Internet. Somit ist es uns wie kaum einem anderen möglich, Kunden ganzheitlich und in allen Medien zu betreuen. Vor allem internationale TV- und Eventpartner schätzen unsere Flexibiltät. […] Unsere unkonventionelle Herangehensweise und die permanente Freude an der Arbeit machen uns zu einem zuverlässigen Partner. […] Eine langfristige und loyale Zusammenarbeit ist unser Ziel.“

Man beachte hier insbesondere die Falschschreibung „Flexibiltät“ bei beiden Unternehmen, die schon sehr deutlich auf Copy & Paste hinweist.

Quelle: http://www.mediahaus.tv/index.php/das-unternehmen

Ich habe nur zwei Erklärungsmodelle:

1) Texte werden zunehmend egal, man kopiert und übernimmt sie einfach aus „Wurschtigkeit“. Dann sollten wir darüber diskutieren, was das für unsere intellektuelle Kultur bedeutet und wie ehrlich und glaubwürdig dann Informationen aus dem Web überhaupt noch sind.

2) Diese Texte wurden von Leuten bewusst gecopypastet, die keinen anderen Zugang zum Texten mehr haben als Text zu klauen. Dann sollten wir über das (Aus-)Bildungsniveau diskutieren.

4 Kommentare zu “Können Unternehmen noch selber texten? Problemfeld „Selbstdarstellungs-Plagiarismus“

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  1. Erbloggtes

    Der Arbeitsaufwand unterscheidet sich wahrscheinlich vor allem im Selbstvertrauen, das nötig ist, damit man findet, dass man selbst etwas (die eigene Unternehmensphilosophie z.B.) besser formulieren kann, als es bereits von anderen formuliert wurde. Ich glaube ja, dass die Menschen strukturell klein gemacht, verängstigt und unter Druck gesetzt werden, bis sie denken, sie hätten nichts zu sagen, und auch gar nicht mehr wissen, wie. Meine Therapieempfehlung: Bloggen. 😉

    Antworten
    1. admin

      Ich gebe es zu: Das ist bei mir gestern und heute nur eine Therapie gegen die Feiertagsödnis, die mit zwei Kleinkindern fast ausnahmslos aus Wickeln, Wäsche aufhängen und Geschirrspüler an- und ausräumen besteht…

  2. Erbloggtes

    Ich möchte ein drittes Erklärungsmodell vorschlagen, das die anderen beiden ein Stück weit einschließt:
    3) Die Anforderungen an Autoren (solcher Texte, aber auch anderswo) sind erstens hohe Qualität (so dass sie Versagensängste haben), zweitens Effizienz (so dass sie Zeitdruck spüren) und drittens Austauschbarkeit (Uniformität, Normgerechtheit, so dass ähnliche Texte als Orientierungshilfen quasi benutzt werden müssen).
    Unter diesen Bedingungen würden schon starke Hemmnisse benötigt, um einen vom Plagiieren abzuhalten. Aber weder Kontrolle noch Ehre spielen in solchen Textproduktionszusammenhängen eine Rolle. Tatsächlich interessiert es den Vorgesetzten (Kontrolleur) doch nicht die Bohne, wie der Text entstanden ist, Hauptsache da steht etwas Passendes, Normgerechtes. Und die Ehre des Autors, die ist doch eher davon abhängig, in seinem Job nicht zu versagen und rausgeworfen zu werden, als davon, authentische Werke zu schaffen. Er könnte ja nicht mehr in den Spiegel schauen, wenn er kein Geld mehr verdienen würde – wenn er Texte nicht selbst schreibt, geht das In-den-Spiegel-schauen viel leichter. Wer selber texten will und so eitel ist, dass er einen eigenen Text als wertvolles Werk ansieht, wird Dichter.
    Ich stelle mir das innerliche Geschehen von Leuten, die eigentlich gute Vorsätze haben, dann aber doch zum Plagiat greifen, etwa so vor, wie in diesem Erfahrungsbericht eines Praktikanten aus dem Investmentbanking:

    „Mein neuer Chef knallte mir ein Compliance-Handbuch auf den Tisch, 800 Seiten stark. „Das musst Du durcharbeiten.“ Compliance – Gesetzesvorgaben, ethische Kodizes – ist ja gerade im Nachgang der Finanzkrise ein wichtiges Thema geworden. Deshalb dachte ich, ich würde mich nun einige Stunden mit dem Buch auseinandersetzen. „Reichen dreißig Minuten?“, fragte mein Chef. Ich schluckte.“[1]

    Gar nicht so anders dürften die Rahmenbedingungen sein, wenn man zum Beispiel neben einem Abgeordnetenmandat promovieren will. Gerade die Erfolgreichen merken sicher schnell, dass Selberschreiben Zeitverschwendung ist.

    Antworten
    1. admin

      Lieber Erbloggtes,

      Widerspruch/Einspruch: Für ein umfangreicheres Werk wie etwa eine Dissertation mag diese Denklogik absolut stimmen (dazu kommt auch das Wissen, dass es eh nie jemand genau lesen wird), für die präsentierten Kurztexte aber m. E. nicht. Googeln tun ja beide: Die, die nachschauen, wie es die anderen geschrieben haben und dann selbst schreiben, und die, die nachschauen und dann ab- und umschreiben. Der Arbeitsaufwand dürfte sich nicht groß unterscheiden. Und gerade ein Text zur Unternehmensphilosophie muss doch eigene Prägung aufweisen. Reden wir da nicht von Alleinstellungsmerkmalen? Vielleicht ist mein Denken hier antiquiert. Aber irgendwie schmecken mir diese Homogenisierungstendenzen einfach nicht und die Vorstellung, dass in ähnlichen Branchen immer häufiger dasselbe Wording verwendet wird, weil immer mehr plagiieren. Ich halte das für verlogen.

      LG
      sw

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