Die kranke Welt der österreichischen Hochschul-Governance: Fast 500 Paragrafen „regeln“ ein dysfunktionales System

Österreich hat einen unheilvollen Hang zur Vermehrung. Wir haben mehr als 1.500 Titel und Grade. Die Bürokratie nahm durch die Digitalisierung nicht ab, sondern zu. Und wir haben fast 500 Paragrafen in neun Hochschulgesetzen. Sorry, das ist krank für ein so kleines Land. Hier meine Aufstellung:

Derzeitiger Name des Gesetzes Erstfassung von Aktuelle Anzahl
der Paragrafen
Universitätsgesetz (UG) 2002 144
Privathochschulgesetz (PrivHG) 1999 14
Fachhochschulgesetz (FHG) 1993 27
Hochschulgesetz (HG) 2005 85
Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz (HS-QSG) 2011 38
Forschungsorganisationsgesetz (FOG) 1981 39
Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz (HSG) 2014 71
IDSA-Gründungsgesetz 2022 13
IDSA-Gesetz 2024 36
In Summe:   467

Verdanken wir es am Ende diesem juristischen Wahnsinn, dass das Syndrom „Professor Untat“ unter den staatlichen Wissenschaftlern schrankenlos gedeiht, dass Plagiate und sonstiger Missbrauch unkontrolliert wuchern, dass Studienanfänger wie Absolventen immer weniger wissen und können und dass Rektoratswahlen und Rektoren immer problematischer werden? Dass also das ganze System zunehmend auf Leistung und Qualität pfeift und von einigen Selbstdarstellern dominiert wird, die unverhohlen ihre parteipolitische Karriere zimmern?

Ein weiteres absurdes Beispiel: Die Gremienstruktur der mehrfach veränderten „AQ Austria“, der „Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria“, bei der etwa EU-Anbieter von Studien nur gemeldet, aber nicht geprüft werden müssen:

Quelle: https://www.aq.ac.at/de/ueber-uns/gremien-organe/gremien.php

Eine Vielzahl dieser Gremien, wenn nicht alle sind durch den aktuellen Regierungsparteiproporz bestellt, wie auch die Uniräte.

Dieses System wurde geschaffen, um sich selbst zu lähmen. Es muss durch etwas komplett Neues ersetzt werden.

2 Kommentare zu “Die kranke Welt der österreichischen Hochschul-Governance: Fast 500 Paragrafen „regeln“ ein dysfunktionales System

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  1. Heinrich C. Mayr

    Ich gebe zu, ich war seinerzeit sehr für das „UG 2002“ und konnte kurz vor der Verabschiedung sogar noch ein paar Verbesserungen bewirken. Der Grund für meine Zustimmung lag in der Überzeugung, dass Universitäten autonom sein und „unternehmerisch“ (im Sinne effizienter, effektiver und auf die Interessen der Universität ausgerichteter Organisation und Handlung) geführt werden müssen. Aus diesem Grund habe ich mich im Jahr 2003 in „meiner“ Universität für die Funktion des Gründungskonventsvorsitzenden zur Verfügung gestellt, und wir haben in unzähligen Sitzungen bis zum 1.1.2004, dem Tag des *Übergangs in die Autonomie“, eine komplette Satzung hinbekommen, so dass wir durchstarten konnten.

    Der ursprünglichen Euphorie folgte jedoch bald Ernüchterung (ich war zu der Zeit einfach noch nicht genügend „gelernter Österreicher“):
    – Universitätsräte, häufig ohne jede Ahnung vom Universitätsbetrieb, und oft mit einer eigenen oder fremdgesteuerten Agenda;
    – kontinuierlich zunehmende Vorgaben seitens Ministerium und Politik bzgl. Dokumentation, Controlling, Revision; usw. . Dadurch musste in jeder einzelnen Universität eine absurde Anzahl zusätzlicher Verwaltungsposten geschaffen werden, was die Zahl der ursprünglich im Ministerium dafür zuständigen Beamten vervielfältigte und für Forschung und Lehre benötigte Ressourcen band;
    – die für Universitäten unpassende studienplatzbezogene Finanzierung;
    – der nach meiner Einschätzung das Gegenteil bewirkende „Qualitätssicherungs-Wasserkopf“;
    – die Ergänzung der früheren „Minoritenplatz-Schleicherei“ um die „Universitätsrats-Schleicherei“;
    – u.v.a.m.
    Zur Qualität des Outputs der österreichischen Universitäten hat das alles nichts beigetragen.

    Denn Wissenschaftler sind in der Regel nicht dumm, d.h., sie können sich anpassen und aus jeder Situation das Beste für sich herausschlagen. Verlangt man beispielsweise mehr „Publikationen“ in Zeitschriften mit hohem Impact (1. Quartil), nun, dann gibt es plötzlich viel mehr solcher Zeitschriften; und die Zahl der Autoren pro Papier sowie der Zitationen (für die sich entsprechende Zirkel bilden) steigt sprunghaft an. Bahnbrechende Meisterleistungen kommen dadurch nicht notwendig zustande, zumal gute Ideen in viele gerade noch publizierbare Häppchen zerlegt werden müssen, um den Beteiligten eine möglichst lange Publikationsliste zu bescheren. Das führt dann folgerichtig zu der Unsitte „kumulativer“ Dissertationen, in denen solche Häppchen-Papiere (meist mit Übereinstimmung in allen nicht das jeweilige Häppchen betreffenden Teilen, also Einleitung, Motivation, Grundlagen usw.) aneinandergereiht sind. Ein zusammenhängendes „Meisterstück“, das durchaus kurz sein darf, wenn der Inhalt stimmt, entsteht dadurch nicht. Und das Lesen solcher „Dissertationen“ ist langweilig.

    Die Qualität des Outputs der österreichischen Universitäten ist also auch dadurch nicht viel besser geworden.

    Ich gebe Stefan Weber nur ungern recht, wenn er zur Hochschul-Governance sagt, dass etwas „komplett Neues“ geschaffen werden muss. Denn wäre die ursprünglich dem UG 2002 zugrundeliegende Idee konsequent umgesetzt und auf die andeen Hochschulformen ausgerollt worden, hätten wir all die Fehlentwicklungen nicht. Aber das Rad lässt sich leider nicht zurückdrehen.

    Die Frage ist nur, ob sich die große Mehrheit der sich im bestehenden System Wohlfühlenden überhaupt für etwas „komplett Neues“ erwärmen ließe.

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  2. Zeya

    Klare Botschaft – sollte auch für PolitikerInnen, die mit der Hochschulfrage wenig am Hut haben , verständlich sein. Welche Partei traut sich, noch vor den Wahlen dazu eine Äußerung mit Substanz abzugeben?

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