Wie eine Schweizer SVP-Politikerin die Berichterstattung über Plagiatsfragmente in ihrer Dissertation zu verhindern suchte

Ich verwende gerne folgende Analogie: Ich weiß etwa, dass ich in meiner Dissertation nicht plagiiert habe. Keinen Halbsatz. Wenn ich nun davon Wind bekäme (alles fortan rein hypothetisch!), dass etwa mein größter journalistischer Feind in Österreich, Florian Klenk, eine Story mit dem Titel „Plagiatsvorwurf gegen Dissertation des Plagiatsjägers“ für die kommende Ausgabe des „Falter“ planen würde, dann würde ich mich doch ganz entspannt zurücklehnen, mich halbtot lachen und schon ein bisschen auf das viele Geld freuen, das mein Anwalt von dem Wiener Wochenblatt in Bälde holen könnte. Vor allem aber würde ich mich auf den Triumph freuen, den Falschheitsbeweis antreten zu können. – Habe ich hingegen doch plagiiert, kann es sein, dass ich die Berichterstattung über den Plagiatsvorwurf verhindern möchte.

Die frisch in den Nationalrat der Schweiz gewählte Politikerin der SVP (Schweizer Volkspartei), Nina Fehr Düsel, wollte etwas verhindern: die Berichterstattung über meinen Plagiatsvorwurf. In einer sogenannten „superprovisorischen Verfügung“ (der Rechtsbegriff dürfte außerhalb der Schweiz kaum bekannt sein) war zu lesen, dass man nicht behaupten dürfe, bei der fraglichen Dissertation „handle es sich um ein Plagiat“.

Es ist interessant, wenn eine Behauptung ex ante verboten wird, die niemand aufgestellt hat: Ich würde mich davor hüten, zu behaupten, bei der Dissertation von Frau Fehr Düsel „handle es sich um ein Plagiat“. Ich behaupte auch nicht, dass die Dissertation plagiiert wäre. All das wären in der Tat falsche Tatsachenbehauptungen. Ich behaupte vielmehr, dass die Dissertation Plagiate (genauer: Plagiatsfragmente) enthält. Und das ist ein Riesenunterschied, den zwar Gerichte kapieren, aber selten die involvierten sonstigen Stakeholder (in Österreich wollen den Unterschied auch die Universitäten und viele Journalisten nicht verstehen).

Dazu wieder eine einfache Analogie: Sie können eine Cola bestellen. Dann sollte auch nur Cola im Glas sein. Oder Sie bestellen ein Mischgetränk, das Cola enthält. Solche Differenzierungen dürften in der Wissenschaft, lat. scientia, wörtlich: der Kunst der Unterscheidung, nicht ganz unwichtig sein.

Ist es eine wahre Tatsachenbehauptung, dass die Dissertation von Frau Fehr Düsel Plagiatsfragmente enthält? Wenn man die Schweizer Standardliteratur zum juristischen Zitieren zu Grunde legt, ist dies zu bejahen. Die Regel ist mitunter so eindeutig, dass man kaum ernstlich bestreiten kann, dass die hier weiter unten dokumentierten Stellen evidente Verstöße gegen diese darstellen:

Quelle: Karl Oftinger (1986): Vom Handwerkszeug des Juristen und von seiner Schriftstellerei, Zürich, S. 186

Große Medienhäuser der Schweiz berichteten (dennoch) nicht. Die „NZZ am Sonntag“ wagte dann an diesem Wochenende einen ersten Bericht.


Was spricht für eine Plagiatsprüfung bei der Politikerin?

Frau Fehr Düsel trägt ihren Doktorgrad auf ihrer persönlichen Website so redundant, dass man fast an einen (weiteren?) Copy-Paste-Fehler denken könnte:

Quelle: https://ninafehrdüsel.ch/ueber-mich

Und die Dissertation ist auf Knopfdruck im Volltext für jedermann abrufbar. Also muss Quellenkritik an dieser Dissertation erlaubt sein. Nichts anderes ist Wissenschaftsfreiheit. Wir dürfen gerade beim Copy/Pasten nicht hinwegsehen. Und gerade bei einer juristischen Dissertation, die wenige Jahre nach der breiten Debatte um Guttenbergs Doktorarbeit verfasst wurde, interessieren die Zitierstandards.

Sie finden die Plagiate hier dargestellt:

Plagiatsdokumentation Ursina Fehr Seite 1
Plagiatsdokumentation Ursina Fehr Seite 2
Plagiatsdokumentation Ursina Fehr Seite 3
Plagiatsdokumentation Ursina Fehr Seite 4
Plagiatsdokumentation Ursina Fehr Seite 5
Plagiatsdokumentation Ursina Fehr Seite 6
Plagiatsdokumentation Ursina Fehr Seite 7
Plagiatsdokumentation Ursina Fehr Seite 8
Plagiatsdokumentation Ursina Fehr Seite 9
Plagiatsdokumentation Ursina Fehr Seite 10
Plagiatsdokumentation Ursina Fehr Seite 11
Plagiatsdokumentation Ursina Fehr Seite 12
Plagiatsdokumentation Ursina Fehr Seite 13
Plagiatsdokumentation Ursina Fehr Seite 14
Plagiatsdokumentation Ursina Fehr Seite 15
Plagiatsdokumentation Ursina Fehr Seite 16

2 Kommentare zu “Wie eine Schweizer SVP-Politikerin die Berichterstattung über Plagiatsfragmente in ihrer Dissertation zu verhindern suchte

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  1. Vermutlich...

    … ein sehr eindeutiger Fall. Und wieder die lieben RW. Mir kommt es fast so vor, als würden Juristen kaum aus wissenschaftlicher Neugierde promovieren. Da geht es häufig um sowas wie ein Berufsdoktorat? Was mich aber interessieren würde: An Dissertationen kommt man recht einfach, die sind ja grundsätzlich öffentlich. Bei DA/MA sieht das schon anderes aus. In D verjährt das Ganze zudem nach einigen Jahren.

    Und bei BA Arbeiten? Es gab einen Fall an der Uni Salzburg, wo eine BA Arbeit, die einen Härtefall darstellte, tatsächlich auch aberkannt wurde. Das war vielleicht doch Zufall. Die BA Arbeit von Frau Maurer war aber nie öffentlich, oder? BA Arbeiten sind juristisch ja „nur“ Seminararbeiten? Wie kommt man an diese Arbeiten, um sie auf Plagiat zu überprüfen?

    Und DA/MA Arbeiten? In diesem Bereich gibt es auch recht wenige Aberkennungen in Österreich. Noch am ehesten an der Uni Wien fielen ein paar Arbeiten durch. Die Masterarbeit eines nicht genannten Landespolitikers wurde kürzlich in Ö aberkannt. Aber was hatte diese Person denn mehr plagiiert als zB Herr Forstner?

    Sind öffentliche Unis jetzt doch strenger als Titelmühlen oder Unis für die Weiterbildung?

    Freue mich wie immer auf Antwort…

    Beste Grüße

    VM

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  2. Ralf Rath

    Insofern spätestens am Samstag, den 20. Oktober 1900 in einem „Akt der Verzweiflung“ sich der Bruch mit der klassischen Theorie vollzog, wie der österreichische Nobelpreisträger Anton Zeilinger anlässlich der diesjährigen Eröffnung der Salzburger Festspiele den damaligen Forscher Max Planck zitiert, sind nicht zuletzt Juristen seitdem nicht mehr darin frei, solch eine Tatsache als eine Meinung aufzufassen. Sollte deshalb die Schweizer Nationalrätin Nina Fehr Düsel im Zuge des Schreibens ihrer Dissertation sich dennoch dazu verstiegen haben, angesichts dessen von einer bloßen Behauptung und Vermutung auszugehen, sind ihre Ausarbeitungen von vornherein nicht einmal im Ansatz von der wirklichen Welt gedeckt. Mit einer guten wissenschaftlichen Praxis (GWP) hätte die von ihr an der Universität Zürich eingereichte Qualifikationsschrift dann nicht das Geringste gemein. Nicht etwaige Plagiatsfragmente, sondern zuvörderst das, was in der einschlägigen Literatur als äußerst „voraussetzungslos“ (Baethge/Oberbeck, 1986: 410) inzwischen kritisiert ist, legt somit den Entzug der akademisch dadurch unrechtmäßig in der Öffentlichkeit geführten Würde nahe. Ihr völlig fehlendes Können belegt sie ohnehin eigenhändig selbst, solange sie ein Verbot anstrebt, dass aufgeklärte Menschen nichts dazu sagen zu dürfen.

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