Und wieder einmal steht ein ‚weiblicher Führungsstil‘ an österreichischen Hochschulen im Fokus. Diesmal betrifft es die Universität für angewandte Kunst Wien, in Person ihrer offenbar gerne Stacheldraht um den Hals tragenden neuen Rektorin Petra Schaper Rinkel.
Wir hatten bereits ähnliche Meldungen vom Max-Reinhardt-Seminar (mit dem Ergebnis des Rücktritts der Institutsleiterin Maria Happel) und damit auch indirekt von der letztverantwortlichen Rektorin der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw), Ulrike Sych. Ganz ähnliche Erfahrungen machte ich bekanntlich mit Sabine Seidler von der TU Wien, mit Elisabeth Gutjahr von der Universität Mozarteum Salzburg und zuletzt auch mit Veronika Sexl von der Universität Innsbruck. Es ist stets eine Melodie: Der Wunsch nach Qualitätsverbesserung (oder in meinem Fall: Forschung dazu) wird schlichtweg beschwiegen oder auf die endlos lange Bank geschoben. Neuer Führungsstil ist, wenn man nicht antwortet. Wer nachfragt, wird nachgereiht.
Schon vor zwei Wochen wurde berichtet, dass die Professur für Film- und Medienwissenschaft an der Angewandten gestrichen werden soll. Für mich nun endlich Grund genug, sich die Abteilung „Medientheorie“ am Institut für Bildende und Mediale Kunst, in der die Film- und Medienprofessur derzeit angesiedelt ist, nach langer Zeit mal wieder näher anzusehen. Na also, wer sagt es denn:
Quelle: Website der Angewandten
Die Abteilung bekennt sich zu „Lehre von höchster Qualität“, das ist doch schön. – Aber was ist dann hier los?
Quelle: Vorlesungsverzeichnis der Angewandten
Die Beschreibung dieser Vorlesung, die seit Jahren mit genau diesem Text an der Angewandten angeboten wird, unterbietet alle Standards der Wissenschaft. Abgesehen von der durchwegs ungelenken Sprache ist es interessant, dass sechs Rechtschreibfehler (hier mit roten Wellenlinien markiert) über Jahre niemandem auffallen. Gibt es hier kein Korrektorat? Was sagt das über die Deutschkompetenz des Vortragenden aus? Und was über die Studenten, die Hochschülerschaft? Nehmen die alles hin?
Irrlehren über Niklas Luhmanns Systemtheorie
Viel schlimmer aber sind explizite Unsinnigkeiten über Luhmanns Systemtheorie, die hier verbreitet werden. Da ist etwa zu lesen, dass „Kommunikation ein funktionales System“ sei. Mitnichten! Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Recht und einige andere – das sind bei Luhmann die funktionalen Systeme bzw. Funktionssysteme der Gesellschaft. Kommunikation ist kein funktionales System, sondern der Modus des Operierens, der „Kitt“ dieser sozialen Systeme, deren verbindendes Element. Der unsinnige Satz wurde offenbar von hier plagiiert, denn sonst hat das weltweit niemand behauptet.
„Systeme bestehen aus Kommunikation und Handlungen (Luhmann)“. Das ist so falsch, dass es falscher kaum geht. Erstens „bestehen“ etwa Organismen und psychische Systeme bei Luhmann weder aus dem einen noch aus dem anderen. Zweitens anerkennt Luhmann kein System, das (auch) aus Handlungen besteht. Vielmehr hat er ja ein Leben lang gegen die handlungs- und personenzentrierte Sichtweise (etwa eines Jürgen Habermas) angeschrieben.
Man muss hier ganz klar sagen, dass an der Angewandten offenbar Pseudowissenschaft vermittelt wird und niemanden juckt es. Aber es gibt eine eigene Abteilung für Qualitätssicherung in der Lehre.
Nicht viel besser sieht es übrigens mit der Außenkommunikation der Kunstuniversität aus. Schon bei einer bloßen Google-Suche zeigt sich, dass man nicht einmal die Kunst des SEO-Textens beherrscht:
Die Startseite ist nicht besser. Sofern man sich überhaupt auskennt, wo man hier eigentlich gelandet ist, fällt auf, dass die Verwendung der Lautschrift so ziemlich genau das Gegenteil von Inklusion, Heterogenität und Internationalität anzeigt – also jenen Werten, denen man sich verpflichtet fühlt. Da die Wortkette „Universität für angewandte Kunst Wien“ Teil der Wortbildmarke, der Grafik ist, kann der internationale Besucher das nicht einmal selbst auf die Schnelle übersetzen.
Und suchen Sie mal auf der Startseite, dass Sie in Österreich gelandet sind. Ich wünsche viel Erfolg!
Schließlich findet man auch noch inhaltlichen Quatsch im Starttext der Abteilung für Medientheorie:
Quelle: Webseite der Angewandten
Abgesehen davon, dass so ein ausufernd-langweiliger Textbeginn jeden Web-Leser sofort in die Flucht schlägt (warum haben Medientheoretiker immer wieder keine Ahnung von der Medienpraxis?), stimmt das alles erneut inhaltlich hinten und vorne nicht: Es gibt keine „lange historische“ Erfahrung mit den ’neuen‘ Medien, im Gegenteil: Sie war und ist verdammt kurz. Man müsste halt die Menschheits- und Mediengeschichte nach Wilbur Schramms 24 Stunden-Zeitraffer (1981, „What is a long time?“) und Klaus Mertens Evolution der Medien kennen. Aber an einer Kunstuniversität kann man offenbar Beliebiges behaupten. Die Inhoite san wuascht.
„Kunst und Revolution“ – eine Neuauflage müsste von den Studenten kommen, die sich einen derartigen Trash nicht länger bieten lassen.
Danke, Stefan. Nach dem Nachweis von Plagiarismen schlägst Du eine weitere Seite gedankenloser Nachlässigkeit auf, die den Charakter von Wissenschaft mindestens ebenso entwürdigt wie das Plagiate tun: die Behauptung von Banalität und Unstimmigkeit mit akademischem Gestus. Das Diktat der Scheinbarkeit!