Die seltsamen Rechtsauffassungen der Universität Salzburg: Nun offener Brief des Vizerektorats an den Senat

In einem offenen Brief an den Senat, der auch an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität Salzburg ging, schrieb heute das Vizerektorat:

„Wir müssen wohl nicht betonen, dass die im Senat praktizierte Vorgehensweise die Universität [Salzburg, Anm. S.W.] seit Februar zutiefst verunsichert und die Tatsache, dass noch immer nicht entschieden ist, wer die Universität ab Oktober leiten wird, der PLUS [der Universität Salzburg, Anm. S.W.] schweren Schaden zufügt. Welchen Anteil der Senat an dieser Situation hat, mögen Sie selbst beurteilen – die Namen der vier Kandidat*innen liegen Ihnen seit Oktober des letzten Jahres vor.“

Und weiter:

„In ihrer gestrigen Aussendung unterrichten Sie die Universitätsöffentlichkeit erneut davon, dass der Senat sich auf einen Zweiervorschlag verständigt habe. Angesichts der sehr klaren Rechtsmeinung des Ministeriums zu den betreffenden Bestimmungen des Universitätsgesetzes sind wir äußerst skeptisch, ob diese Entscheidung rechtskonform sein kann. Die Entscheidung, Rektor Lehnert nicht in den Vorschlag aufzunehmen impliziert jedenfalls, dass Sie als Senatsmitglieder ihn für ungeeignet halten, entweder weil er die Kriterien des UG oder jene der Ausschreibung nicht erfüllt oder weil er in seiner Amtszeit Fehler gemacht hat, die ihn von einer weiteren Amtszeit ausschließen.“

Und unten dann entscheidend, rückblickend auf vier Jahre Amtszeit von Rektor Lehnert:

„Derart schwerwiegende Kritikpunkte, wie sie nun offenbar vorliegen müssen, um den Rektor für nicht mehr qualifiziert zu halten, wurden in keinem dieser Gremien jemals geäußert!“

Interessanterweise traute sich auch das Vizerektorat nicht zu formulieren, dass ein Zweiervorschlag unter den gegebenen Bedingungen schlichtweg rechtswidrig sei. Ja, und selbst wenn Rektor Lehnert für ungeeignet gehalten werden würde, wäre ein Zweiervorschlag nicht rechtens, der Rektoratsposten müsste dann nämlich neu ausgeschrieben werden.


Blicken wir zurück in die Geschichte des österreichischen Hochschulrechts, was die Usancen der Rektorswahl betrifft:

Im alten Universitätsorganisationsgesetz (UOG 1993) war zu lesen:

„Der Senat hat auf der Grundlage einer Bewertung der eingelangten Bewerbungen durch den Universitätsbeirat und der vom Senat selbst durchgeführten Bewertung einen Wahlvorschlag zu erstellen, der die drei am besten für die Funktion des Rektors geeigneten Bewerber enthält. Der Wahlvorschlag darf nur dann weniger als drei Personen enthalten, wenn die Zahl der Bewerbungen geringer als drei war.

Quelle: § 53 Abs. 3 UOG (Hervorhebung in fett durch S.W.)

Für die Kunstuniversitäten fand ich auch diese Variante:

„Das Universitätskollegium hat auf der Grundlage einer Bewertung der eingelangten Bewerbungen durch den Universitätsbeirat und der vom Universitätskollegium selbst durchgeführten Bewertung einen Wahlvorschlag zu erstellen, der die drei am besten für die Funktion der Rektorin oder des Rektors geeigneten Bewerberinnen oder Bewerber enthält. Der Wahlvorschlag darf nur dann weniger als drei Personen enthalten, wenn die Zahl der geeigneten Bewerbungen geringer als drei war.

Quelle: § 52 Abs. 3 (Hervorhebung in fett durch S.W.)

Im 2002 in Kraft getretenen Universitätsgesetz (UG) findet sich keine Bestimmung dieser Art, die die Verpflichung zum Dreiervorschlag relativiert. Der Wegfall des Satzes aus dem UOG im neuen UG wird wohl seine Gründe gehabt haben. Oder nicht?

Im Jahr 2007 gab es einen ähnlichen Fall bei der Rektorswahl an der Medizinischen Universität Graz (Leserhinweis, vielen Dank!). Der Vorsitzende des Universitätsrats, Franz Marhold, selbst ein Jurist an der Universität Graz, wurde von der „Presse“ mit den Worten zitiert (Hervorhebung in fett durch S.W.):

„Marhold pocht auf einen Dreiervorschlag, andernfalls würde sich der Senat ’schwerwiegender Rechtsverstöße‘ schuldig machen.“

Für mich deutet alles darauf hin: Der Zweiervorschlag des Senats der Universität Salzburg ist ein Rechtsverstoß. Nur nimmt das derzeit noch niemand bis auf Ihren werten Plagiatsgutachter öffentlich in den Mund. Das Vizerektorat sagt, es sei „skeptisch, ob diese Entscheidung rechtskonform sein kann.“ Vielleicht wäre es nun an der Zeit, klare Worte zu finden. Das Wissenschaftsministerium sagt in seinem Bescheid, der mir zur Kenntnis gebracht wurde, gar nichts über die Rechtskonformität eines Zweiervorschlags. Warum umschifft das BMBWF dieses heiße Eisen und macht den „Formalfehler“ beim ersten Zweiervorschlag an einem Abstimmungstrick des Senats fest?

Die Universität Salzburg hat eine große juristische Fakultät. Offenbar benutzen deren Mitglieder das Recht dazu, selbstsame Rechtsauffassungen mit ihren Machtmitteln durchzusetzen, siehe schon zuvor im Fall Matthias Neumayr. Das Vertrauen in die Wissenschaft und in den Rechtsstaat fördert das nicht.

Und es ist doch in ganz Salzburg ein offenes Geheimnis: Dem Senat und seinem Vorsitzenden geht es darum, eine zweite Amtszeit von Hendrik Lehnert mit allen Mitteln zu verhindern. Darf man als Absolvent der Universität Salzburg und als Bürger dieser Stadt offen fragen: Warum? Welche Verfehlungen liegen vor?

5 Kommentare zu “Die seltsamen Rechtsauffassungen der Universität Salzburg: Nun offener Brief des Vizerektorats an den Senat

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  1. Chris Newst

    Sie fordern eine „klare Worte“ von Juristen in Form einer Aussage: „Das ist rechtskonform.“ vs „Das ist nicht rechtskonform.“ (Tertium non datur. – Oder doch?)

    Ich bin juristischer Laie, verstehe die Rechtswissenschaften aber so: Eine derartige Aussage geziemt sich (a) nur für einen Richter im Rahmen eines Urteils, (b) für jedermann – einschließlich (anderer) Rechtswissenschaftler (!) – erst ab Rechtskraft eines solchen Urteils.

    Vielleicht kann das ein Jurist bestätigen oder richtig stellen?

    Jedenfalls: Ich als juristischer Laie finde Ihre Pfade auf dem Gebiet der Rechtswissenschaften sehr lesenswert und glaube, dass auch die Rechtswissenschaften selbst davon profitieren könn(t)en.

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  2. Ralf Rath

    Erst jüngst am 10.05.2023 bat mich ein deutscher Jurist um eine Stellungnahme in Sachen einer fahrlässigen Tötung; wobei kein Hehl daraus gemacht wurde, dass ein „realistische(r) Standpunkt“ (Planck, in: Roos/Hermann (Hg.), 2001: 195f) dabei von ihm nicht angefragt sei. Angesichts dessen sah ich mich gezwungen, aufzuzeigen, dass ein Rechtspositivismus erwiesenermaßen auf Voraussetzungen beruht, die kein Mensch erfüllen kann. Wenn also bereits bei Kapitalverbrechen solch eine Auseinandersetzung geführt werden muss, will ich nicht wissen, was anlässlich eines vakanten Rektorats an einer Universität nicht zuletzt in Salzburg von einem „Richter und Garant strikter Wahrheit“ (Bourdieu, in: Ohnacker/Schultheis, 2004: 128) sowohl seelisch als auch körperlich zu ertragen ist.

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  3. Alexander the Great

    Nun ganz im Ernst: Stark die juristische Analyse von Stefan Weber. Habe bislang noch nichts so Treffendes gelesen.

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