… ja dann hat auch Frau Annette Schavan abgeschrieben, und zwar auf die bekannt widerwärtige, die Wissenschaft kaputt machende Art und Weise. Dann gehört auch sie zu jenen, die nicht begriffen haben und/oder nie richtig gelernt haben, worum es in der Wissenschaft eigentlich geht. Langsam wird es redundant, ich schreibe es dennoch noch einmal: Es geht darum, dass man Texte einerseits korrekt zitiert und andererseits in eigenen Worten interpretiert – und nicht darum, dass man beides vermengt: dass man nach gesetzten Fußnoten noch ein bisschen vom soeben referenzierten Autor „mit abschreibt“, dass man Belege irgendwo einstreut, aber ganze Absätze leicht umgeschrieben übernimmt usw. Das ist keine Wissenschaft, das ist nur die niedere Kunst des Text-Frisierens für den Anschein eigener gedanklicher Durchdringung. (Freilich spreche ich hier nur von der Zitiertechnik, deren Grundregeln für alle und überall gelten und dies auch seit vielen Jahrzehnten – und nicht von empirischen Arbeitsmethoden. Und die besten Texte zitieren und interpretieren ohnedies nur sehr wenige andere Texte. Aber davon sind wir bei all diesen Stümper- bis Betrugsarbeiten sowieso meilenweit entfernt.)
Vor circa einem Jahr habe ich in diesem Blog gefragt: „Wann äußert sich Schavan?“ Nun wissen wir möglicherweise, warum sie geschwiegen hat. Die Vorwürfe, die auf schavanplag publiziert wurden, wiegen weit schwerer als jene gegen Althusmann. Die Universität wird sie meiner Erfahrung nach dennoch als Mängel in der Zitierweise abtun. Wenn die Vorwürfe stimmen, ist endgültig dreierlei erwiesen:
1) Ein Doktortitel bedeutet in Deutschland nichts. Längst kann niemand mehr von bedauerlichen Einzelfällen sprechen. Plagiieren hatte und hat Systemcharakter, es steht ein Fragezeichen hinter jedem Doktorgrad.
2) Die „intellektuellen Eliten“ unseres Landes, die Politiker, haben zumindest mit ihren Doktorarbeiten bewiesen, dass sie oftmals nicht einmal in der Lage waren, sich eigene Gedanken zu machen und eigene deutsche Sätze zu schreiben.
3) Es steht ein Fragezeichen hinter dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Universitäten und ihrer Autonomie. Dass hier großteils verbeamtete Lehrende mehr oder weniger systematisch zu Textklau anleiten oder diesen tolerieren, bedeutet nicht nur systemischen Gesetzesbruch, es kann auch die Wissen(schaft)skultur eines Landes ruinieren.
Auf schavanplag dokumentierter Fund. Wenn er stimmt, eindeutig ein intentionales Plagiat.
@admin
Ich weiß, dass die Diskussion schon öfter geführt wurde. Da sie jetzt aber wieder einmal hochkommt, will ich doch meinen Standpunkt dazu äußern:
„Kein Lehrbuch der Welt erlaubt eine Paraphrase, die sich darin erschöpft, den Text eines anderen Autors ein bisschen umzuschreiben. Diese Methode gibt es IN ALLER REGEL (!) nicht.“
Ich sehe das etwas anders. In den Prüfungsordnungen steht: „Wörtliche oder sinngemäße Übernahmen sind als solche zu kennzeichnen.“ (oder Ähnliches). Das heißt für mich, es muss klar sein, was und in welchem Umfang von wem übernommen wurde. Selbst wenn das geschieht, indem sehr dicht am Original paraphrasiert wird, ist es in meinen Augen vielleicht schlechte wissenschaftliche Praxis, aber kein Plagiat.
Beispiel. Wenn Müller 1970 schreibt: „Aus A folgt B, aus B folgt C und aus C schließlich D.“ und ich das dann so verarbeite: „Müller vertrat 1970 die Ansicht, aus A folge B, aus B folge C und aus C folge D.“ (Fußnote: Müller 1970, S. xy), dann ist das in meinen Augen kein Plagiat, weil durch die Formulierung glasklar hervorgeht, dass die Aussagen von Müller sind und nicht von mir. Gerade die indirekte Rede ist hierfür ein vorzügliches, aber leider etwas aus der Mode gekommenes Instrument.
Von einer guten Paraphrase und fordert man natürlich, dass sie einen fremden Gedankengang eindampft, aufs Wesentliche reduziert und nicht bis auf Wortebene dem Original verhaftet bleibt. Aber wenn die Argumentation tatsächlich so kurz ist, lässt sie sich oft nicht noch kürzer fassen. Zumal ja stets höchste Präzision gefordert ist.
Gut, dass wir das aufklären können. “Müller vertrat 1970 die Ansicht, aus A folge B, aus B folge C und aus C folge D.” (Fußnote: Müller 1970, S. xy) ist so isoliert betrachtet tatsächlich kein Plagiat. Aber unschöne wissenschaftliche Praxis! Denn wenn Sie fast genau dasselbe aussagen wie Müller, dann setzen Sie seine Passage doch gleich unter Anführungszeichen. Wenn sie Ihnen wichtig genug ist, gehört sie auch unter Anführungszeichen. Wenn sie nicht wichtig ist, gibt es auch überhaupt keinen Grund, sie so nahe am Original, aber doch ohne Anführungszeichen, zu erwähnen.
Die Sache kann aber im Kontext schnell zum Plagiat werden, etwa, wenn diesem Satz zwei weitere Sätze von Müller folgen, und ohne ein „Müller vertrat“ oder eine Fußnote. Wenn der Autor dann argumentiert, er habe doch eh gerade vorher Müller zitiert, so sind die Folgesätze dennoch ein Plagiat.
Ein fiktives Beispiel dazu:
Luhmann schreibt im Original: „Ich beziehe mein Autopoiesis-Konzept aus der biologischen Theorie Maturanas und mische das mit George Spencer Browns Formenlogik.“
Jetzt schreiben Sie (fiktiv): „Luhmann bemerkte 1984, dass er sein Autopoiesis-Konzept aus der biologischen Theorie Maturanas beziehe und das mit George Spencer Browns Formenlogik mische (vgl. Luhmann 1984, S. 12).“
Da wird Ihnen niemand so isoliert gesehen ein Plagiat unterstellen. Sie schreiben ja im Satz, dass Luhmann spricht.
Aber es ist schlechte Wissenschaft, denn Sie haben wörtliche Satzteile übernommen, ohne diese mit Anführungszeichen auszuweisen. Korrekt wäre also gewesen:
Luhmann bemerkte 1984, dass er sein „Autopoiesis-Konzept aus der biologischen Theorie Maturanas“ beziehe und „das mit George Spencer Browns Formenlogik“ mische (Luhmann 1984, S. 13).
Aber machen Sie das dann auch bei jedem Satz, den Sie von Luhmann leicht umgeschrieben übernehmen? Dann wird es schnell gaaanz schlechte bzw. fast parodistische Wissenschaft. Und wenn nicht in jedem Satz, dann Plagiat!
Fazit, wie gehabt: Entweder Sie zitieren wörtlich, oder Sie schreiben in eigenen Worten. Beispiel:
„Luhmanns Systemtheorie wurde von Humberto R. Maturanas biologischer Theorie der Autopoiesis sowie von der Distinktionslogik George Spencer Browns inspiriert, wie er selbst bemerkte (vgl. statt vieler Luhmann 1984, S. 12).“
LG
sw
@Furrina: Ich finde, gerade weil man über die Intensität der Betonung des Titels viel über den Träger aussagen kann, ist der Doktortitel extrem nützlich.
Ich denke der Doktortitel sollte vielleicht einfach abgeschafft werden. Dann würden die Leute wieder mehr auf den Menschen achten, also was er wirklich kann und was nicht was irgendwelche Textschnippsel vor dem Namen sagen. Leute auf meinem Bekanntenkreis mit Titel, die diesen öffentlich zur Schau stellen und darauf bestehen (z.B. in E-Mails) sind nach meiner Erfahrung eh etwas komisch drauf. Meine (fachlich) besten Profs. und Kollegen bestanden eher darauf den Dr. wegzulassen. Und die Möchtegerns mit Doktortitel hatten oft eine grauenhafte Rechtschreibung und beherrschten ihr Aufgabengebiet nur unvollständig und könnten auch noch eine Kelle Sozialkompetenz vertragen.
Was mir bei der ganzen Plagiatssuche etwas Bauchschmerzen bereitet ist, dass mit unterschiedlichem Maß gemessen wird. Politiker und Prominente stehen im Focus, aber wie sieht es mit ganz normalen weniger öffentlichen Doktoren aus? Um fair einschätzen zu können, wie stark die Verfehlung des Prominenten ist, bräuchte man einen Vergleich zum Durchschnitt. Wie viel Prozent einer durchschnittlichen Doktorarbeit sind plagiiert, falsch zitiert etc?
Als Folge fürchte ich werden Menschen sich noch einmal häufiger überlegen ob sie sich für öffentliche Ämter zur Verfügung stellen oder nicht. Und der andere Teil wird versuchen einfach cleverer beim Klauen zu sein.
Bei Guttenberg war es nicht sein Plagiat dass mich schockiert hat, sondern seine Reaktion nach der Aufdeckung. Da bröckelte die Fassade auf die bislang sehr gut inszeniert war.
Eine Andere Frage die ich mir Stelle ist, ob es denn überhaupt relevant ist, ob geklaut wird oder nicht. Ich persönlich finde es eigentlich unwesentlich woher das Wissen kommt. Ein Wissenschaftler stellt sich nicht dadurch in Frage das er Ideen von wo anders klaut sondern nur dadurch das er bewusst falsche Erkenntnisse veröffentlicht. Also wenn sich Unternehmen oder Politiker Wunscherkenntnisse bei einem Wissenschaftler kaufen. Ein Wissenschaftler sucht nach Wahrheit. Seine Integrität wird durch den Nachweis einer vorsätzlichen Lüge in Frage gestellt.
Für einen Politker ist das anders. Ein Politiker ist in einem System bei dem es um Macht geht. Er stellt sich nicht dadurch in Frage das er lügt, sondern dadurch das er die Macht unredlich erhalten hat. Also zum Beispiel durch eine gefälschte Wahl. Er stellt seine Integrität auch dadurch in Frage dass seine Entscheidung nicht seine eigene ist (oder die der Partei die er vertritt), sondern durch Dritte gekauft wurde.
Dies jedoch kann ich bei keinem der Politiker erkennen, die sich auf Grund von Plagiaten in jüngster Zeit angegriffen worden sind.
„Es geht darum, dass man Texte einerseits korrekt zitiert und andererseits in eigenen Worten interpretiert – und nicht darum, dass man beides vermengt“
Ich bin mir nicht sicher, ob ich das richtig verstehe. ich bin selbst Doktorand und tue, wie so viele andere auch, genau das: Wenn ich einen fremden Gedanken zusammenfasse, streue ich darin immer wieder besonders pointierte, griffige oder signifikante Originalformulierungen als wörtliche Zitate (korrekt mit Anführungszeichen und Fußnote) ein. Was soll darin falsch sein oder gar plagiiert?
Die Frage ist doch: Was steht in Ihrem Text außerhalb, das heißt vor und nach den „signifikante[n] Originalformulierungen“, die Sie korrekt mit Anführungszeichen und Fußnoten ausweisen? Wie fassen Sie denn genau „einen fremden Gedanken“ – jenseits des wörtlichen Zitats – zusammen? Wenn Sie das tun, indem Sie den Originalwortlaut dann halt nicht zu 100, sondern nur zu 80 oder 90 Prozent übernehmen, dann ist das ein Plagiat.
Wir hatten die Diskussion hier im Blog schon oft: Das ist dann keine Paraphrase, sondern ein Plagiat. Kein Lehrbuch der Welt erlaubt eine Paraphrase, die sich darin erschöpft, den Text eines anderen Autors ein bisschen umzuschreiben. Diese Methode gibt es IN ALLER REGEL (!) nicht. Vielleicht gab es sie im Mittelalter. Mit Sicherheit arbeiten einige Juristen so, wenn sie Gesetzestexte, Erkenntnisse, Entscheide etc. (ohne Anführungszeichen) wiedergeben, was dann Grenzfälle sind (manche Juristen tolerieren das, andere lehnen es rigoros ab). Auch Theologen arbeiten manchmal so, wenn sie bei Interpretationen zu nahe am Text kleben bleiben, aber das als ‚ihre spezielle hermeneutische Methode‘ verteidigen (ich spreche hier von konkreten Fällen). Beides wird aber NICHT durch Lehrbücher gedeckt. Ich kenne darüber hinaus keine anderen Fälle. Und der Fall Schavan ist sowieso nochmal anders gelagert!
LG
sw