Ein wichtiges erstinstanzliches Urteil ist nunmehr vom Landesgericht Innsbruck in der Causa Gustav Kuhn ergangen. Grund der gerichtlichen Auseinandersetzung war die Frage, ob ein Bild Gustav Kuhns in einer Fotomontage zusammen mit Porträts von Guttenberg und Schavan mit der Überschrift „Willkommen im Club“ im Blog von Markus Wilhelm den Bildnisschutz Kuhns nach § 78 öUrhG verletzt. Dabei ging es um eine gerade für die Plagiatsdetektion immer wieder zentrale Differentialdiagnose: Würde der Durchschnittsleser eher denken, Kuhn sei der Doktortitel entzogen worden – oder würde der Durchschnittsleser eher denken, Kuhn sei ein weiterer Plagiator? Das Gericht entschied sich mit klaren Worten für letztere Interpretation und begründete das wie folgt (und zumindest zwischen den Zeilen liest auch der Durchschnittsleser hier heraus, dass die Richterin Plagiate bei Gustav Kuhn für – sagen wir es so: – sehr wahrscheinlich hält):
„Auch die Kommission der Universität Salzburg zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis hat festgestellt, dass die Dissertation des Klägers handwerkliche Fehler im Zusammenhang mit der Wiedergabe fremder Aussagen enthält. Welchen Teil der Arbeit dies betrifft, ist für die Betrachtung durch einen Durchschnittsleser, der sich üblicherweise nicht näher mit dem Aufbau einer Dissertation und auch nicht mit den genauen Voraussetzungen für den Entzug eines Titels, also insbesondere mit der Frage, wo die ‚Grenze‘ für nicht deklarierte Zitate liegt, beschäftigt, nicht relevant. Ein ‚Plagiieren‘ oder ‚Abschreiben‘ kann im gegebenen Zusammenhang durchaus das falsche, unvollständige oder fehlende Zitieren, an welchen Stellen der Arbeit auch immer, bedeuten. Das Vorliegen von nicht deklarierten Zitaten oder die Verwendung von Textstellen, deren Quellen nicht genannt wurden, im ‚darstellenden‘ Teil der Arbeit ist durch das Schreiben Beilage E unter Beweis gestellt und wurde vom Beklagten im Volltext seines Beitrags im Blog auch tabellarisch gegenüber gestellt.“
(Quelle: Urteil, hier S. 12, im Volltext)
Mein Gutachten zur Dissertation von Gustav Kuhn (2019)
Was folgt aus diesem Urteil?
Das Gericht hält es für möglich, dass jemand plagiiert hat und dass ihm der Doktortitel nicht aberkannt wurde. Es folgert zum Beispiel nicht, dass jemand gar kein Plagiator sein kann, weil ihm der Doktortitel nicht aberkannt wurde. Es hält zwei Ebenen der Interpretation des Blog-Titelbilds für möglich: dass jemandem der Doktortitel entzogen wurde oder dass jemand plagiiert hat. Das Gericht anerkennt somit, dass der Nicht-Entzug eines Doktortitels nicht bedeutet, dass der Betroffene kein Plagiator ist. Eine wichtige Unterscheidung, die auch schon in einschlägigen deutschen Gerichtsurteilen zu meinen Gunsten zum Tragen kam.