Der Strukturwandel der Urbanität am Beispiel meines Schulwegs

Einmal wieder ein Thema abseits der wissenschaftlichen Redlichkeit.


Eine nette Übung – auch mit seinen eigenen Kindern – ist es, seinen Schulweg wieder abzugehen und über die Veränderung der Welt nachzudenken, sagen wir es wissenschaftlicher: über den „Strukturwandel der Urbanität“. Je älter man wird, desto mehr schätzt man ja seine Erinnerungen. Und ich habe meinen Schulweg anno 1976 bis 1980 noch sehr genau vor Augen. Welche sind die gravierendsten Veränderungen?

  • Völliges Aussterben der lokalen Nahversorger
  • Entweder langjähriger Geschäfte-Leerstand oder Einzug ausländischer Lokale (Dönerläden, Barbershops)
  • Graffiti an jeder freien Wand

Zeigt der Vergleich meines Schulwegs anno 2024 mit jenem vor fast 50 Jahren an, dass die Welt hier besser oder schlechter geworden ist? Wäre die Welt besser geworden, hätten wir heute vielleicht statt des lokalen Metzgers oder des Feinkostladens von damals einen Bio-Laden mit täglich frischen Salaten und Gemüsen, einen Fitness- oder Massage-Anbieter. Stattdessen gibt es Döner und Leerstand. Auch die regionalen „Greißler“ sind verschwunden. Zu meiner Schulzeit gab es deren zwei alleine auf meinem Schulweg, darüber hinaus eine Metzgerei-Filiale und ein bekanntes Feinkost-Geschäft, ebenfalls mit „Greißlerei“.

Die Menschen in der Siedlung sind gealtert, wenige junge Familien sind zugezogen. Warum stehen so viele Geschäftslokale leer? Warum gibt es keine Begegnungsstätten für Senioren? Warum organisieren sich „Tagesmütter“ nicht dort selbst? Aus der Perspektive der alternden Bevölkerung ist zu sagen: Je immobiler sie wird, desto weniger Angebote gibt es noch vor Ort.

Hier eine Fotodokumentation:

Der markanteste Unterschied zur Mitte der 1970er-Jahre: Es darf gesprayt werden.


 

Geschäfte-Leerstand: Zu meiner Schulzeit war in dem heute leeren Geschäftslokal eine Wäscherei. Das Blumengeschäft gibt es schon lange nicht mehr. – Sind das Zeichen des Versagens der (Lokal-)Politik oder fällt das einfach nüchtern unter „Handel ist Wandel“? Leerstehende Geschäftslokale findet man mittlerweile in jedem Wohnviertel der Stadt Salzburg, nicht nur im „ärmeren“ Norden. Besonders praktische Anbieter wie Bank- und Postfilialen, Wäschereien, Metzgereien und Bäckereien sind abgezogen. Ich denke, dass hier auch die Politik bzw. die Bürokratie dem Handel das Leben schwer macht.


 

In den 1970er Jahren waren hier eine Greißlerei (in bester Erinnerung die Schlange der einkaufenden Schüler am Morgen, von „Wundertüten“ bis zu Wurststemmeln) und die Filiale eines bekannten Salzburger Metzgers. Heute ein Döner-Laden und ein ukrainisches Begegnungszentrum.


 

Hier war in den 1970er Jahren das legendäre Feinkost-Geschäft „Gallbauer“.


 

Meine alte Volksschule (bundesdeutsch: Grundschule), die nächstes Jahr abgerissen werden soll, heftet sich die Internationalität auf die Fahne. Zum Teil im „Containerdorf“ mit Graffiti. Innen sieht noch alles so aus wie 1976. Damals natürlich von Internationalität keine Spur.


Nur das hat es wohl vor circa 50 Jahren auch schon vereinzelt am Bürgersteig gegeben:

4 Kommentare zu “Der Strukturwandel der Urbanität am Beispiel meines Schulwegs

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  1. Dr. Markus Kühbacher

    „Als ich weiterging, fiel mein Blick auf die zahlreichen Graffitis, die die Fassaden der Häuser verunstalten. Wo einst gepflegte Fassaden das Bild der Straße prägten, ziehen sich heute bunte, aber meist sinnlose Schriftzüge über die Wände. Vor fünfzig Jahren gab es so etwas nicht. Die Mauern waren sauber, und die Gebäude, auch wenn sie vielleicht schon etwas in die Jahre gekommen waren, hatten eine gewisse Würde. Sie erzählten Geschichten, trugen Zeichen der Zeit und des Alltags, aber keine Schmiereien.

    Heute dagegen scheinen diese Graffitis allgegenwärtig zu sein – in grellen Farben, meist unleserlich, manchmal gewaltgeladen oder schlicht obszön. Sie sind Ausdruck einer Zeit, in der viele etwas hinterlassen wollen, aber nur selten etwas von Wert. Der kulturelle Verfall, der sich in den leeren Schaufenstern zeigt, spiegelt sich hier in den Fassaden wider. Die Straßen erzählen keine Geschichten mehr von den Menschen, die in den Vierteln lebten und arbeiteten, sondern tragen nur noch die Zeichen einer überfüllten, schnellen und manchmal rücksichtslosen Zeit. Jeder kann sprühen, jeder kann etwas hinterlassen, aber selten bringt es eine Botschaft, die Bestand hat.

    Es ist, als ob sich diese sinnlosen Schmierereien wie eine Art visueller Lärm über die Straßen gelegt haben. Man spürt keine Inspiration, kein ästhetisches Bemühen – nur Frust und Gleichgültigkeit. Vor fünfzig Jahren hätte man sich die Mühe gemacht, ein Geschäft ordentlich zu führen, und die Häuserfassaden wären instandgehalten worden. Heute hingegen wirken die Wände wie ausgebrannte Leinwände, die niemandem mehr gehören. Sie stehen nur noch da, wartend auf die nächste Farbdose, die sie noch weiter entstellt.

    Auch das ist eine Kälte, die ich spüre. Früher gab es nicht nur physische Wärme in den Läden, sondern auch eine kulturelle Wärme in der Umgebung. Diese Graffitis sind mehr als nur Farbschmierereien – sie sind Symbole für das, was verloren gegangen ist. Ein Zeichen für eine Welt, die ihren Sinn für Ästhetik und Gemeinschaft eingebüßt hat.“, https://chatgpt.com/share/88fac428-46fe-4f27-894c-5fbc9c4793fe

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  2. Sven Schroder

    I.

    Eine nette Übung – damit könnte man durchaus zum Dr. med. dent. promoviert werden.

    —-

    II.

    Crey dagegen war nicht mit ihm zufrieden.

    »Pfeiffer, Sä send en allen Fächern genögend oder got, nur em Deutschen stähen Sie mangelhaft. Sä haben einen unmöglichen Stil. Was wollen Sie eigentlich mal werden?«

    »Das weiß ich noch nicht.«

    »Sochen Sä sich einen Berof, bei dem Sä wenig zu schreiben haben. Am besten werden Sä Zahnarzt.«

    Hans gelobte es feierlich.

    Die Feuerzangenbowle. Eine Lausbüberei in der Kleinstadt

    https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Spoerl

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