Willkürentscheidungen von Universitäten nehmen zu

Nach höchst fragwürdigen Entscheidungen an der Universität Innsbruck hat nun auch die Universität Klagenfurt in einem quantitativ und qualitativ völlig eindeutigen Plagiatsfall einen akademischen Grad nicht aberkannt. Warum passiert so etwas zuletzt immer öfter? Offensichtlich hängt es nicht kausal vom Plagiat und von der nachweisbaren Täuschung/Erschleichung ab, ob ein akademischer Grad purzelt. Es spielt mutmaßlich die entscheidende Rolle, inwieweit der ertappte Plagiator mit der Universität „kooperiert“, was und wie seine Rechtsvertreter argumentieren, wie stark der Plagiator gesellschaftlich vernetzt ist, welche gesellschaftliche Rolle er spielt und vor allem: ob es öffentlichen Druck gibt oder nicht. So gesehen war der Fall Guttenberg tatsächlich ein Einzelfall: Der Druck der Öffentlichkeit war hier – und dann noch abgeschwächt in einigen anderen Folgefällen – so groß, dass die Universitäten nicht mehr anders konnten. Einen ähnlichen medialen Druck habe ich zwischen 2005 und 2007 in Österreich ausgeübt. Dann wurden auch neun Grade aberkannt, aber nun ist das vorbei.

Wie die Universitäten eigentlich ticken, offenbart sich anhand der neuen Fälle, die nun nicht mehr oder kaum Gegenstand der Medienberichterstattung sind. Das ist die eigentliche Tragödie einer öffentlichen Institution mit großteils verbeamteten Mitarbeitern, und das ist bitterböse für alle, die für Redlichkeit kämpfen. Wie kann es hier zu völligen Willkürentscheidungen, ja zu Rechtsbrüchen kommen? Auch in Deutschland wurde zuletzt ein Doktorgrad nicht aberkannt, obwohl auf VroniPlag glasklare Plagiate in enormer Anzahl dokumentiert wurden.

Selbstverständlich gilt: Sehr wenige Formfehler sind nicht immer gleich ein Verstoß gegen die gute wissenschaftliche Praxis. Verstöße gegen die gute wissenschaftliche Praxis sind nicht immer (aber häufig, und gerade dann fast immer, wenn es die „Grundsätze der guten wissenschaftlichen Praxis“ betrifft!) wissenschaftliches Fehlverhalten. Wissenschaftliches Fehlverhalten wie etwa Plagiieren bedeutet nicht immer (aber eben sehr häufig!) Erschleichung. Das quantitative und qualitative Ausmaß eines Plagiats, das auf eine Erschleichungsabsicht schließen lässt, erlaubt immer einen gewissen Interpretationsspielraum. Deshalb trachten Universitäten oft danach, nur ja nicht mehr Plagiatsstellen zu finden, als schon öffentlich dokumentiert wurden (siehe Fälle an der Universität Salzburg und an der Universität Wien). Allerdings verzichteten die Universitäten in den jüngsten Fällen auf Aberkennungen, obwohl sogar jeweils rund die Hälfte oder mehr der gesamten Arbeit abgeschrieben war. Das geht zu weit. Was kann man an dieser Stelle noch tun? Sich gelassen zurücklehnen und resignieren, hoffen die Universitäten. Sie täuschen sich.

4 Kommentare zu “Willkürentscheidungen von Universitäten nehmen zu

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    1. admin

      Danke für den Hinweis!
      Man habe „Respekt vor diesem ausreichenden Schritt des Fraktionsvorsitzenden Florian Graf“, heißt es aus der SPD (Quelle: http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/florian-graf-cdu-fraktionschef-gibt-doktortitel-zurueck/6567960.html). Nun ja, was für eine „heroische“ Tat von Herrn Graf: seinen Doktortitel zurückgeben, bevor er aberkannt wird. Kommt mir aus dem vergangenen Jahr bekannt vor!?
      Die Frage ist doch: Hätte Herr Graf – wohl auch in der Vergangenheit im Wissen um sein Plagiat – seinen Doktortitel irgendwann demnächst auch zurückgegeben, wenn die Universität Potsdam ihm NICHT draufgekommen wäre? Und da ist die Antwort ja sternenklar: NEIN.
      Ach, wie viele Plagiatsleichen liegen wohl noch im Keller…

  1. Martin Heidingsfelder

    Es fehlt die Zusammenarbeit mit den Medien oder zumindest eine deutliche Stellungnahme von VroniPlag dazu. Immerhin haben sich einige Aktivisten dazu aufgerafft den verlinkten Artikel in der FR deftig zu kommentieren.

    Die Entwicklung war abzusehen, siehe den zum Jahreswechsel verfassten Debattenbeitrag in der Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung 2012/1.
    Wird die Wissenschaft aus den Plagiatsfällen lernen?

    Der Schaden, den einige Universitäten durch ihr inkonsequentes Handeln anrichten, entwertet den Doktortitel mehr als die unzähligen Plagiatsfälle.
    Da ist man fassungslos. Offensichtlich ist kaum jemand aus der Wissenschaft in der Lage, hier deutlich Position zu beziehen.

    Eine Ausnahme war Prof. Ulrich Kluge, Doktorvater des sächsischen Ex-Kultusminister Roland Wöller. Er sagte der Zeit nachdem die TU Dresden den Doktortitel trotz offensichtlichen Plagiats nicht entzog?
    „Ich fliehe aus meinem Kummer. Vor dieser Wissenschaftsszene. Denn das hier habe ich nicht verdient – auf meine alten Tage.“

    Antworten
    1. admin

      Lieber Martin,

      danke für Deinen Kommentar! Nur bei Herrn „Prof. Ulrich Kluge“ sehe ich die Dinge anders: Wenn er als Emeritus in seiner Rente „flieht“, was heißt das schon? Dass er einen ausgedehnten Urlaub macht? Ich habe es oft genug erlebt, dass Professoren in der Rente ein wenig mutiger werden. In ihrer Amtszeit haben sie zu allen Missständen schön brav geschwiegen. Das ist genau so verlogen wie alles andere, was wir hier aufzeigen.

      Das wahre Problem, mit dem wir uns beschäftigen sollten, ist doch, dass hier eine Institution namens Universität existiert, die Recht und Gesetz verpflichtet ist, aber alles Recht wiederholt mit den Füßen tritt (und in der Vergangenheit dies wohl in unzähligen Fällen getan hat, wie die Recherchen zu nicht ausreichend verfolgten Plagiatsanzeigen von VroniPlag als Indikator belegen). Und niemand fühlt sich zuständig, es gibt ja die „Autonomie“.

      Hier muss ich glasklar sagen: Entweder es gibt verbeamtete Universitätslehrende und -bürokratie, dann haben die Akteure die Gesetze lupenrein einzuhalten. Und wenn sie das nicht tun, gehören sie entlassen oder in eine private Institution umgewandelt.

      LG
      sw

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