So schnell kann es in der bundesdeutschen Medienlandschaft gehen: Schon heißt es, „[m]ehrere Internetportale“ würden „berichten“, dass CSU-Minister Gerd Müller bei seiner „Doktorarbeit ‚weite Strecken abgeschrieben'“ hat.
Wahr ist leider, dass dies bislang nur politplag.de, die spendenfinanzierte Plattform des Kollegen Martin Heidingsfelder, gestreut hat; und von „weite[n] Strecken“ ist nicht einmal dort die Rede. Vielmehr hat Heidingsfelder in seiner Presseerklärung nur eine einzige Stelle moniert, bei der sich folgende Quellenangaben befinden:
DISSERTATION GERD MÜLLER QUELLE WOLFGANG HACKEL
Quelle: http://politplag.de/images/9/9b/Presseerkl%C3%A4rung_PolitPlag.pdf, S. 3.
Die Passage verlangt eine Tiefenanalyse. Ich mailte Martin Heidingsfelder dazu vorgestern folgendes: „Hackel gibt in FN 95 an, hier einige Punkte von Kaack übernommen zu haben. Falls bei Kaack einige Punkte auch so wörtlich stehen, hätte auch Hackel Kaack plagiiert (wenn man denn diese Messlatte anlegen würde), denn auch Hackel verwendete offenbar keine Anführungszeichen. Richtig wäre also bei Müller etwas in die Richtung gewesen: ‚Der Verfasser der Dissertation übernimmt hier in weiten Teilen die Aufstellung von Hackel, der sich seinerseits zum Teil auf Kaack beruft.‘ – Man will hier doch nicht nur zeigen, dass Müller Hackel abschreibt, sondern dass Müller die Quelle Kaack nie konsultiert hat, obwohl er sie gleichrangig mit Hackel in seiner FN angibt. Dazu müssten wir wissen, was bei Kaack steht! Und wir sollten beachten, dass Kaacks Werk in den Fußnoten bei Müller insgesamt noch vier Mal vorkommt. Das spricht auf den ersten Blick gegen die These! Also diese Suppe ist viel zu dünn für eine PM!“
Dennoch hat mein Kollege den Vorwurf gestreut. Es liegt bislang kein Plagiatsverdacht vor. Solche Aktionen schaden dem eigentlichen Anliegen enorm. Offenbar geht es hier tatsächlich erstmals nur darum, einen Politiker einer gewissen Richtung in Zusammenhang mit Plagiatsvorwürfen zu bringen. Kann sein, dass Müller tatsächlich (irgendwo anders) plagiiert hat und dass diese erste minimale Unregelmäßigkeit ein erster Indikator dafür ist. Aber es geht nicht an, mit einem explizit unhaltbaren Vorwurf an die Presse zu treten. Ich ging davon aus, dass die Journalisten so schlau sind, das komplett zu ignorieren. Falsch gedacht.
Wieso „leider“? Es ist doch erfreulich, dass sich der hässliche Verdacht, ein weiterer Politiker habe die Wissenschaft mit Füßen getreten, in Luft auflöst!
Auch das ist, mit Verlaub, ein Fehlschluss. Aus der Tatsache, dass Martin Heidingsfelder trotz vielfältiger didaktischer Bemühungen meinerseits 😉 nicht weiß oder wissen will, was ein Plagiat ist, folgt keineswegs, dass Gerd Müller nicht plagiiert hat.
Vielen Dank für die klaren Worte.
Für mich stellt sich zur Einordnung der Fundstelle auch noch die Frage, wie der Beginn der Textparallele aussieht. Immerhin geht es ja hier auch um eine Aufzählung in Listenform, was auch eine gewisse Abgrenzung ist, der Leser sich also unter Umständen im Klaren ist, dass hier nicht der Autor spricht.
Auch finde ich bemerkenswert, dass Hackel angibt, Kaack gekürzt übernommen zu haben, und bei Müller dann mehr steht als bei Hackel.
Anbei der Beginn der Passage (S. 21):
„Neben den dargestellten Bezugsfeldern hat jede politische Jugendorganisation weitere Bereiche ihres politischen Wollens und Handelns. Als wesentliche Bezugspunkte sind dabei die innerparteiliche und die außerparteiliche Umwelt darzustellen. Politische Jugendorganisationen erfüllen potentiell zusammengefaßt folgende weitere Funktionen:“
Ich kann Ihnen bei Interesse die Dissertation gerne mailen. Genau oberhalb der von Heidingsfelder inkriminierten Passage befinden sich übrigens tatsächlich Merkwürdigkeiten. Könnte sein, dass die Zitierweise nicht passte. Oder eben dass mehr dran ist.
LG
sw