Wendung: Die WU Wien machte Stadtrat Peter Hanke fälschlicherweise selbst 26 Jahre lang zum Magister

Unglaublich: Eine Diplomarbeit (wir sprechen natürlich von jener des SPÖ-Politikers Peter Hanke) wird 26 Jahre lang im österreichischen Bibliothekenverbund-Katalog verzeichnet, obwohl der Verfasser sein Studium nie abgeschlossen hat. Das ist auf jeden Fall widerrechtlich. Zur Sicherheit holte ich heute eine Expertenmeinung ein: Abschlussarbeiten dürfen erst dann katalogisiert und veröffentlicht werden, wenn der Studierende sein Studium abgeschlossen hat – und dies auch wirklich mit der allerletzten bestandenen Prüfung. Andernfalls hätten wir in Österreich ja dutzende, wenn nicht hunderte Diplomarbeiten und Doktorarbeiten von Studienabbrechern in den Katalogen. Eine Unterscheidung, ob jemand sein Studium abgeschlossen hatte oder nicht, wäre dann auf Basis des Bibliothekskatalogs nicht mehr möglich. Den folgenschweren Fehler machte im Fall Hanke die Prüfungsabteilung der WU Wien.

Die akribisch genau arbeitenden KollegInnen von meineabgeordneten.at brachten mich gestern auf die Spur. Sie behaupteten, dass es im Jahr 2018, als Peter Hanke frisch zum Wiener Finanzstadtrat gekürt wurde, einen entsprechenden Bibliothekseintrag gegeben hat. Bisher war nur bekannt, dass der auf Wikipedia angeführte Link ins Leere führt, was mich zunächst eher an eine Manipulation des Wikipedia-Eintrags denken ließ. Der Eintrag lässt sich zwar nicht mehr mit der Wayback Machine, aber sehr wohl mit einem anderen Web-Archiv rekonstruieren (Dank an meinen IT-Profi Alexander Heller):

Quelle: https://archive.is/UafjO, basierend auf https://permalink.obvsg.at/AC00580675

Nun, was heißt das? – Es war also nicht Peter Hanke selbst, der den Titel seiner Diplomarbeit, den eigentlich niemand hätte kennen dürfen, in diverse Online-Lexika eingeschleust hat. Das hat die Prüfungsabteilung der WU Wien für ihn erledigt.

Peter Hanke musste also nicht viel mehr tun, als der sozialen Konstruktion seines Magisteriums zuzusehen. So wird er etwa in einer Aussendung der Stadt Wien noch im Mai 2020 als Magister bezeichnet:

Und auch als Peter Hanke 2018 Politiker wurde, wurde er als Magister erfasst:

Quelle: https://web.archive.org/web/20180623005657/https://www.meineabgeordneten.at/Abgeordnete/peter.hanke

Aus der Vielzahl der Nennungen des Magistergrades erwähne ich nur zwei weitere: Die Liste der Mitglieder des Kuratoriums des Fußballklubs Austria Wien (2018) und den Vereinsregisterauszug des Wiener Instituts für Vergleichende Wirtschaftsgeschichte (2023).

Wie es derzeit aussieht, dürften erst die Zweifel des Teams von meineabgeordneten.at im Jahr 2018 dazu geführt haben, dass der falsche Bibliothekseintrag gelöscht wurde und das „Geheimnis“ einigen wenigen klar wurde, dass Peter Hanke gar kein Magister ist. Wie oben gezeigt, ist dies im Jahr 2020 noch nicht einmal zu seinem Pressesprecher vorgedrungen.

Wer findet (weitere) Magister-Nennungen aus den vergangenen drei Jahren?

10 Kommentare zu “Wendung: Die WU Wien machte Stadtrat Peter Hanke fälschlicherweise selbst 26 Jahre lang zum Magister

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  1. Andy Dufresne

    @ Mag. Spechtler: Danke für diese interessanten Anmerkungen. Da sehe ich – selbstreflektierend – wieder mal, dass ich nicht gescheit über Studienrichtungen reden soll, über die ich nicht viel weiß. Dass „bei euch“ die Diplomprüfung so fordernd ist, wusste ich nicht. Wieder was gelernt!
    Und: da sieht man mal wieder, dass die Diplomarbeit bestimmt nicht die schwierigste Hauptleistung in einem Studium ist.

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  2. Andy Dufresne

    „Angeblich war die Prüfung damals sehr komplex und bestand aus mehreren Teilprüfungen. Ich habe den Studienplan aber nicht ausgehoben.“

    Mag sein. Aber das weiß man doch vorher. Und egal wie komplex: Wer alle vorhergehenden Prüfungen besteht, scheitert normalerweise nicht an der letzten Prüfung (der Diplomprüfung). Ich kenne viele Akademiker (Absolventen der unterschiedlichsten Studienrichtungen) sowie viele Abbrecher. Ich kenne aber keinen einzigen Akademiker, der behauptet „Bist du deppert, war die Diplomprüfung schwer!“ (Da gab’s wenn schon während des Studiums diverse Aussiebeprüfungen), und kein Abbrecher, den ich kenne, hat bis zur Diplomarbeit „durchgehalten“. Aber bitte… Wenn ein Gefängnisausbrecher über 100 Mauern steigen muss und nach 99 Mauern aufgibt, weil die hundertste Mauer halt ein wenig höher ist………… Die Fragezeichen in meinem Kopf bleiben 😉

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    1. Mag. Clemens Spechtler

      Gerade an der WU war das genau anders: die Diplomprüfungen waren (nochmals) tlw. Aussiebe-Prüfungen, wo die Profs stolz waren, wenn 50%-80% beim Erstantritt durchfallen. Ich rede aber hier nur von den 1990ern, da war ich dort (1992-99). Und das haben damals viele so erlebt, dass gerade die 6 Abschlussprüfungen pro Abschnitt schwer sind… zumindest an der WU!!

  3. Andy Dufresne

    Moment mal… Also diese Arbeit gibt es und sie wurde auch bewertet, oder? Wer schreibt eine Diplomarbeit und absolviert dann aber nie die Diplomprüfung?? Versteh ich nicht.

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    1. Stefan Weber Beitragsautor

      Angeblich war die Prüfung damals sehr komplex und bestand aus mehreren Teilprüfungen. Ich habe den Studienplan aber nicht ausgehoben.

    2. Mag. Clemens Spechtler

      Das geht sehr wohl. Ich habe meine sehr umfangreiche Firmen-Diplomarbeit 1998 beendet, und dann danach 1999-2000 die letzten 5 Diplom- und Vorprüfungen des 2. Abschnitts an der WU absolviert und am 27.01.2000 mit der letzten mündlichen Prüfung erfolgreich beendet. Sponsion 03.2000.
      Ich kann bestätigen, dass diese 6 Diplom-Prüfungen pro Abschnitt (in den 1990er Jahren) schon sehr umfangreich und tlw. extrem schwer waren (Aussage WU-Prof. Mayrhofer zu mir 2016) und JA: dies kann also auf der WU sehr wohl passieren, dass jemand die Thesis fertig hat, aber sein Studium nie beendet, also keinen Titel hat,
      Eine einzige Teil-Prüfung bei mir hatte 5.000 Seiten Stoff (Spezielle Organisation Prof. Grün), mein Spezialgebiet Retailing Prof. Schnedlitz 3.500 Seiten.
      Also wenn man z.b. nach der Thesis zu arbeiten beginnt und keine Zeit mehr hat für die letzten Prüfungen, die früher viel viel schwerer und umfangreicher waren als heute (Aussage einer WU-Professorin), dann passiert eben genau das.

  4. Ralf Rath

    Nachdem meine Diplomarbeit beim Prüfungsamt eingereicht war und sowohl mündlich als auch schriftlich die darauffolgenden Examina als universitär bestanden galten, müsste ich dennoch ein Jahr lang warten, ob Dritte begründet Einsprüche dagegen erheben. Erst als klar war, dass es zwar von deren Seite Einsprüche gab, die aber von vornherein völlig haltlos waren, durfte ich mich selbst in der Öffentlichkeit als Sozialwirt bezeichnen. Der akademische Grad ist mir somit zuvörderst auf zutiefst demokratische Weise verliehen worden. Fraglich bleibt angesichts dessen, ob nicht äußerst antidemokratische Umtriebe noch immer nach einem ihnen noch nie gebührenden Ausdruck suchen, wenn nicht zuletzt Peter Hanke der Grad eines Magisters zugeschrieben ist, ohne sich als Person dabei jemals dem gesellschaftlich sich unerbittlich vollziehenden Prozess stellen müssen, der ihn allein als Träger gemäß dem Willen des Souveräns hinreichend legitimiert. Sollte es so sein, wäre es um die staatliche Ordnung zumindest in Wien als der Hauptstadt Österreichs überaus schlecht bestellt.

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    1. Ralf Rath

      Korrektur: Im zweiten Halbsatz meines Beitrags heißt es „müsste“ anstatt „musste“. Im Übrigen gilt es noch anzumerken, dass so mancher Dritte zweifelsohne die von Natur aus gegebene Unzulänglichkeit des Menschen versucht zu kompensieren, mir hier fortgesetzt vorzuhalten, womöglich eine Maschine zu sein. Zumindest der Psychoanalytiker Horst Eberhard Richter kritisiert längst solch eine mit aller Gewalt betriebene Umfälschung der Wirklichkeit unter Berufung auf den im Jahr 1968 von Carl Friedrich von Weizsäcker gehaltenen Vortrag als „Symptom psychopathologischer Friedlosigkeit“ (in: Frankfurter Rundschau vom 13. Juni 2007, S. 34). Wenn man so will, lässt sich daraus schlussfolgern, dass dieses Blog inzwischen zum wiederholten Mal dafür instrumentalisiert wird, der Welt aus völlig nichtigem Anlass heraus gleichsam den Krieg zu erklären. Allen voran der Physiker Max Born, der sich eigenem Bekunden gemäß damit ebenfalls konfrontiert sah, berichtete Albert Einstein in einem Brief vom 15. Juli 1944 von einem „breakdown“, der ihn damals im vorangegangenen Winter ereilt hat. Insofern also sogar spätere Nobelpreisträger nicht vor einem Zusammenbruch gefeit sind, erübrigt es sich heutzutage, sich noch einen Kopf über andere Fragen zu machen. Nicht von ungefähr spricht Karl Heinz Haag denn auch von Zeitvergeudung, solange darauf keine Antwort vorliegt.

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