Seitenweise Copy und Paste im neuen Gutachten des BfV zur AfD

Ich wollte diesen Blogbeitrag mit den Worten beginnen: „Das neue Gutachten zur AfD liest sich zu weiten Teilen wie…“. Aber Moment einmal, seien wir uns ehrlich: Dieses „Gutachten“ ist nicht dazu da, um gelesen zu werden. Denn dieser Text ist vor allem eines: Dröge. Unglaublich dröge. Er reiht sich damit ein in jene in unserer Gegenwartskultur immer häufiger werdenden Texte, die nur dazu produziert wurden, damit sie nicht gelesen werden – wie etwa auch viele 400-seitige rechtswissenschaftliche Doktorarbeiten oder eine Dissertation oder ein „Sachbuch“ eines Grünpolitikers. Es sind Text-Simulakren, die entweder aus Quatsch oder aus Redundanz bestehen. Für das Lesen hat doch im Alltag der Digitalisierung ohnedies niemand mehr Zeit, also wird es schon nicht weiter auffallen, wie dünn der Inhalt eigentlich ist.

Anders wäre der hölzerne, konsequent leserabweisende Stil dieses „Gutachtens“ nicht zu erklären. Und das hat auch nichts mit der „internen“ Zielgruppe zu tun (der „Verschlusssache“). Schon die allererste Seite der „Einführung“ (S. 2) überrascht mit der Schilderung eines bereits bekannten Rechtsstreits zur Einstufung der AfD als ein „gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ gerichteter „Verdachtsfall“. Eine Definition von Begriffen, eigentlich Basis jedes Gutachtens, findet nicht statt. Die Leitvokabel „(gesichert) rechtsextrem(istisch)“ wird einfach vorausgesetzt. Und in der Tat beginnt schon eine Seite später (S. 3) die große Copy und Paste-Abschreibübung, die ich wie üblich mit Turnitin erhellen konnte:

Gutachten des BfV, S. 3

Gleich zur Abgrenzung: Das wäre auch dann keine Urheberrechtsverletzung, wenn die Quelle in den Fußnoten nicht angegeben worden wäre. Denn Gerichtsurteile sind nicht urheberrechtlich geschützt. Und es ist auch kein Plagiat, da das Urteil des VG Köln (13 K 326/21 vom 08.03.22) ja auf S. 3 sieben Mal hintereinander referenziert wurde. Aber es ist völliger Quatsch, ein Urteil so eng am Wortlaut zu paraphrasieren, das ohnedies jedermann im Volltext im Internet nachlesen kann. Im Wesentlichen geht es im Text dann so weiter bis S. 27: Es werden drei Urteile im Rechtsstreit BfV versus AfD in seitenlangen öden Paraphrasen wiedergegeben. Wie erwähnt: Alles im Internet nachzulesen, eine Wiedergabe in einem als „geheim“ eingestuften Dokument ist eigentlich ein Witz. Und jeder halbwegs schlaue Mensch wird die Urteile im Original lesen wollen und nicht die fast wortwörtlichen Paraphrasen des BfV. Denn der „Leser“, wenn es ihn denn gibt, hat in der Regel keine Plagiatssoftware, die ihm anzeigt, was das Gericht gesagt hat und was das BfV interpretiert hat.


Rätselhaft sind dann jene Textübereinstimmungen, bei denen auch die Quellenangabe fehlt. Wie etwa hier:

Gutachten des BfV, S. 1021, „Abschließende Bewertung“

Hier ist weit und breit keine Fußnote. Die Formulierung findet sich auch hier:

Nun ist nicht auszuschließen, dass das Oberverwaltungsgericht NRW seinerseits aus einem Schriftsatz abgeschrieben hat, den wiederum die Anwälte des BfV vorab verfasst hatten. Interessant wäre dann aber dennoch die Ersetzung von „Einzelakte“ (2024) durch „Verhaltensweisen“ (2025).


Im nächsten Beispiel verweist das BfV auf Judikatur zum Thema des Schlusses von Gruppierungen innerhalb einer Partei auf die Gesamtpartei:

Gutachten des BfV, S. 803

Das in den Fußnoten referenzierte Urteil bezieht sich allerdings nicht auf die AfD, sondern auf die Partei DIE LINKE. Hätte man das nicht fairerweise angeben sollen?


Und in diesem Beispiel betreibt das BfV Copy und Paste von sich selbst. Im aktuellen Gutachten steht über den Verein „Ein Prozent“ geschrieben:

Gutachten des BfV, S. 745

Diese Formulierung wurde auch im Hochstufungsgutachten von 2021 verwendet, allerdings dort, um das Magazin „COMPACT“ zu beschreiben:

An mehr als fünf Stellen verwendet das BfV zudem dieselbe einordnende Terminologie wie im Gutachten von 2021, nur mit dem Unterschied, dass im aktuellen Gutachten auf den jüngsten Bundestagswahlkampf und damit auf völlig andere Äußerungen als im Jahr 2021 Bezug genommen wurde.


Das ist alles ganz und gar nicht überzeugend. Ich vermisse die Trennung von Deskription und Wertung, ich vermisse ein Kategoriensystem, ich vermisse eine textanalytische (auch: computergestützte) Methodik, ich vermisse ein Literaturverzeichnis (stattdessen gibt es am Schluss ein erneut unglaublich dröges Personenverzeichnis).

Auf der vorletzten Seite kippt das Werk in Satire: Stimmt, fast hätten wir es vergessen – es handelt sich bei der AfD um eine politische Partei und keinen Karnevalsverein:

Gutachten des BfV, S. 1068

Zur politischen Debatte um die AfD wird dieses Copy und Paste-Machwerk nichts beitragen. Wenn überhaupt, wird es zu einer anderen politischen Debatte einen Beitrag leisten: nämlich zur Frage, welche Textqualität eigentlich eine Behörde mit 4.200 Mitarbeitern, die vom Steuerzahler finanziert werden, produziert.

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