1. Mein smartes TV-Gerät
Mein neues TV-Gerät ist nicht mehr mein Freund. Auf dem Startscreen – wie man ja mittlerweile, glaube ich, auf Denglisch sagt – findet sich unter anderem der Menüpunkt „Startseiten-Hub – ein Hub der Smart-Startseite“. Ein echter Zungenbrecher, nicht schlecht. Aber was sind das eigentlich alles für verdödelte Begriffe, „Hub“ und „Smart“? – Ich habe nicht die geringste Ahnung, was sich hinter dem Menüpunkt „Startseiten-Hub“ befindet, ich klicke ihn lieber nicht an, wer weiß, wie ich aus dieser Sache dann wieder rauskomme. Der Teletext (auch Videotext genannt), ein grundsympathisches Old-School-Medium, findet sich nunmehr bestens versteckt im Untermenü eines Untermenüs, nämlich unter „Weitere Aktionen“, dann unter „Zusatzfunktionen“, insgesamt in der Liste der Funktionen weit abgeschlagen als vorletzte Funktion auf Platz 16. Ich muss also 16 mal den Cursor nach unten klicken, um den Teletext zu öffnen. Und im Übrigen kann ich froh sein, wenn auf dem Startscreen das Kästchen links unten mit dem Titel „Live TV“, also die eigentlichen Fernsehprogramme, überhaupt erscheinen. Dies ist nicht immer der Fall, und dann muss ich das Gerät aus- und wieder einschalten.
Ja, es gab mal eine Zeit, zu der man einfach einen Sender einschaltete und dort mit einem Drücker zum Teletext-Angebot des Senders gelangte. Das ist dunkle Vergangenheit.
Gestern Nacht zeigte mir mein Fernseher dann, wer hier wirklich der Herr im Haus ist. Ich wurde zu einer Aktualisierung auf die Software „x.x.6.23“ gezwungen („x“ steht hier für das, was ich vergessen habe). Die Aktualisierung dauerte fast 15 Minuten. Nach dieser Aktualisierung stand eine zweite Aktualisierung an, nochmals ca. zehn Minuten. Erst dann konnte ich die Funktion „Software automatisch aktualisieren“, wie immer im Untermenü eines anderen Untermenüs versteckt, erfolgreich aktivieren, vorher ließ sich der Dot nicht auf „ein“ verschieben. Dann dauerte es nochmals einige Minuten, bis das TV-Programm tatsächlich wieder zurückkehrte. In der Zwischenzeit sah ich bislang unbekannte Begrüßungsbildschirme, irgendwas von wegen „Web-TV“ und so. Ich wurde auch gefragt, ob ich irgendwas customizen wolle.
Was hat sich „Life’s Good“ bei all dem gedacht? Das Leben ist wirklich gut, mitunter sensationell, keine Frage. Aber auch die gegenwärtige Technik? Das Unternehmen wird seinen Grund gehabt haben, sich nicht „Technology’s Good“ genannt zu haben.
2. Mein smartes Handy
Nun, was tut man, während sich die Software des Fernsehers aktualisiert? Fernsehen traute ich mich in dieser Zeit nicht, denn wer weiß, ob die Software sich dann wirklich weiter aktualisiert. Vielleicht ist es wie beim Smartphone? – Stichwort Smartphone: Wenn man nicht Fernsehen kann, wechselt man zu einer weiteren glorreichen Errungenschaft des 21. Jahrhunderts: zum iPhone. Dieses wurde übrigens 2007 auf den Markt gebracht, als mein erstes Kind geboren wurde, dies nur mal zur zeitlichen Dimensionierung. So jung ist dieses Zeugs, und so sehr bestimmt es unser aller Leben.
Mit dem geplanten Switchen vom TV-Gerät zum Handy hatte ich allerdings Pech. Das Handy aktualisierte ja gerade auf die Software iOS 18.4.1. Die anschließende Meldung „iOS ist auf dem neuesten Stand“ tut mir immer wieder weh, weil sie ohne Punkt abschließt, der aber bei einem ganzen Satz immer noch obligatorisch ist. Überhaupt habe ich den Eindruck, dass die ganzen Texter-Technokraten der Digitalmedien Feinde der Interpunktion sind. Das Chat-Tool von Brevo begrüßt seine Nutzer im generischen Text mit „Senden Sie uns eine Nachricht“. Hier fehlt das Ausrufezeichen, zumindest habe ich das in der Schule noch so gelernt.
3. Mein smarter PC
Also, was nächtens tun, während sich TV-Gerät und Smartphone aktualisieren? Richtig, da wäre ja noch der Desktop-PC. Und auch richtig, da wären ja noch ein paar Überweisungen zu tätigen. Und die kurzen Zeitfenster, in denen das „George Netbanking“ (warum eigentlich „George“?) der Salzburger Sparkasse einmal nicht wegen „Wartungsarbeiten“ down ist, wollen schließlich genutzt werden. Aber Pech gehabt, geht ja gar nicht wegen der Zwei-Faktor-Authentifizierung: Ich kann ja in der George-App am Handy derzeit nichts bestätigen.
4. Mein smartes Auto
OK, wenn also mit den geliebten heimischen Leitmedien TV-Gerät, Smartphone und Desktop-PC nichts klappt, setzen wir uns doch gemütlich ins Auto und fahren eine Runde. Mein smarter Tiguan lässt aber auch nichts aus, um mich in den Wahnsinn zu treiben. Noch 1.400 Kilometer, und ich muss „AdBlue“ nachfüllen, was immer das ist, irgend eine Erfindung der Grünen wohl. Ob ich das in der Werkstätte tun muss oder an jeder Tankstelle selbst erledigen kann – dazu findet man widersprüchliche Aussagen im Netz. Nun kommt am Display die Meldung „Zielführung ist nicht aktiv“ (ohne Punkt wieder, wie denn sonst?), ich habe keine Ahnung, was überhaupt die „Zielführung“ ist, ein hässliches Wort. Dafür werde ich gefühlt bei jeder Einfahrt in einen Kreisverkehr mit lautem Warnton und einem scheußlichen roten Warnbild vor einer de facto gar nicht drohenden Kollision gewarnt. Mittlerweile schaue ich beim Rückwärtsfahren nicht mehr, ob ein Auto kommt, um eine Kollision zu vermeiden, sondern ob ein Auto kommt, damit mein Tiguan nicht abrupt stehen bleibt (ich frage mich jedesmal, wie das Herzpatienten oder alte Menschen aushalten).
Und dann ist auch noch die KI „Ida“ im Auto, die ich mit einem „Hallo Ida“ aktivieren kann, so doof, dass es nicht einmal mehr meine Kinder lustig finden, sie etwas zu fragen. Die eingebaute Navi schickte mich bislang mehr als einmal über irgendwelche verschlungenen Pfade ans Ziel, obwohl es eine Autobahn und eine Schnellstraße gab. Neulich dirigierte sie mich in Linz genau in die Fußgängerzone, ich fühlte mich wie ein Holländer, den die Navi auf die Skipiste gesteuert hat.
Also wurde ich heute weder mit meinem TV-Gerät noch mit meinem Handy noch mit meinem Desktop-PC noch mit meinem Auto richtig glücklich. Alles smarte Geräte, keine Frage, die insgesamt mehr als 60.000,– Euro kosteten. Immer mehr überlege ich mir ein Leben ohne diesen ganzen Schrott. Geht die Digitalisierung in eine komplett falsche Richtung, macht sie unser aller Leben schwerer?
5. Noch mehr ist smart: Kühlschrank, Klo
Ach was, denke ich mir und bestelle einige Produkte auf amazon.de. Mein supermodernes Geberit-Duschklo verlangt mit einem ausgeklügelten Ampelsystem nach einem „Keramikwabenfilter“ (ich habe keine Ahnung, was das ist). Nun regle ich mit der Fernbedienung das, was früher Putzen hieß (sowohl des Allerwertesten als auch des Klos). Im Untermenü eines Untermenüs versteckt sich die Anleitung, was zu tun ist, wenn man den „Keramikwabenfilter“ austauschen will. Schon interessant, denke ich mir: Früher ist man einfach aufs Klo gegangen, und es passte auch.
Und auch mein hypermoderner smarter Kühlschrank, für den es sogar eine eigene App gäbe, braucht ein Ersatzteil: den FreshAir-Filter 7440021-00. Erinnert mich ein bisschen an den achtstelligen Zahlen-PIN, den ich neuerdings jedes Mal eingeben muss, wenn ich scannen will, damit meine neue Webscan-Software meinen Drucker erkennt.
6. Captcha
Wenn mir ganz langweilig wird, könnte ich mich ja noch um mein aktuelles SPAM-Problem im Online-Formular meiner Website kümmern. Da braucht es aktuell auch gute Nerven:
Klar, ein Captcha ist die Lösung. Der grauenhafte Begriff ist ein Akronym und heißt übrigens „Completely Automated Public Turing Test to Tell Computers and Humans Apart“. Auch so ein Ungetüm kann nur einem ganz üblen Technokraten eingefallen sein. Klar ist: Wenn schon Captcha, dann muss es aber auch so richtig nerven und auch dem geduldigsten Kunden die Kontaktaufnahme verunmöglichen. Etwa dann so:
(Wird fortgesetzt. Oder alles weggeworfen. – Dieser Text ist CB gewidmet, danke für die vielen Inspirationen.)
Toller Beitrag mit guter Beschreibung unserer ’smarten* Welt 🙂
Ganz Ihrer Meinung!
Frohe Ostern!
Teil 2 übrigens zu ID Austria, zur Identifizierung mit Persona, zu Cookies-Bannern und ähnlichen Erfindungen, um uns in den Wahnsinn zu treiben.
Netter Beitrag, ideal für die Ferienzeit. Würde gut in die „ZEIT“ oder in die „SZ“ passen (und dort wahrscheinlich besser honoriert werden).
Soll ich eine Plagiatorin in der SZ um Wiederabdruck bitten?
Note 1
Oh, vielen Dank! Einen Sachpreis gibt‘s auch?