Fall Zadić: Universität Wien nennt das geringfügige Umschreiben von Sätzen ohne Quellenangaben „kein Plagiat“

Die Universität Wien hat das Plagiatsverfahren gegen Justizministerin Alma Zadić eingestellt, wie sie heute online berichtet. Erwartbar war, dass der Doktorgrad nicht entzogen werden wird, so auch meine Prognose. Seit dem Fall des steirischen ÖVP-Landesrates Christian Buchmann (2017) werden in Österreich wegen Plagiats keine Grade mehr aberkannt, zumindest wurde öffentlich kein weiterer Fall bekannt und alle meine noch so klaren Plagiatsanzeigen verliefen im Sand. Selbst im Fall Aschbacher wurde kein Titel entzogen.

Nicht erwartbar war, dass die Universität Wien auch noch die Plagiate in der Dissertation leugnet, wenn sie schreibt: „Im Ergebnis steht nun fest: Es liegt kein Plagiat vor.“ Das ist in Anbetracht dieser umfassenden Darstellung schlichtweg eine falsche Tatsachenbehauptung.

Die Universität Wien betreibt damit – wie schon im Fall Hahn – Hochschulkorruption. Sie nennt das leicht umschreibende Abschreiben von Sätzen ohne Quellenangaben nicht Plagiat. Die Universität Wien erlaubt es weiter, dass einmal eine Quellenangabe gesetzt wird und einmal nicht. Was für ein herrlicher Freibrief für die kommenden Akademiker:innen! Sie dürfen an der Universität Wien sowohl Sätze belegen als auch nicht belegen. Die Universität stellt sich damit gegen alle Zitierrichtlinien, und sogar gegen die ihres eigenen Hauses:

„Ebenso unerheblich ist es dabei, ob das fremde Werk wörtlich übernommen (Wortlautplagiat) oder leicht abgeändert oder angepasst wurde (Paraphrasieren – inhaltliches Plagiat); auch ein in eigenen Worten wiedergegebener Text kann ohne entsprechende Quellenangabe ein Plagiat darstellen! Wissenschaftlicher Ethos verlangt, dass fremde geistige Schöpfungen und Ideen durch ein Zitat kenntlich gemacht werden, auch wenn sie bloß sinngemäß wiedergegeben werden.“

Die deutsche Judikatur ist hier wie gewohnt noch eindeutiger:

„Letztlich ist vom Promovierenden zu fordern, dass er jeden Gedankengang und jede Fußnote, die ihren Ursprung nicht in seiner eigenen gedanklichen Leistung, sondern im Werk eines Anderen hat, sowie alle aus fremden Werken wörtlich übernommenen oder ähnlichen Textpassagen ausnahmslos als solche kenntlich macht. Insbesondere muss er auch indirekte, umschreibende Fremdtextwiedergaben (Paraphrasierungen) so deutlich kennzeichnen, dass der Leser an jeder Stelle weiß, wer zu wem spricht.“

Auch der führende bundesdeutsche Experte für wissenschaftliches Arbeiten, Manuel R. Theisen, sah den Fall Zadić anders und anfangs sogar noch strenger als ich. Und der Plagiatsforscher Tomáš Foltýnek von der Mendel-Universität Brünn (einer Universität, der man nicht nachsagen kann, einen zu strengen Plagiatsbegriff zu vertreten!), sprach ebenfalls von einem Plagiat der Justizministerin.

Das ist alles eine fortgesetzte Verarsche in Österreich. Immer klarer wird, warum man zu guter wissenschaftlicher Praxis keine Forschung haben will. Im Gegensatz zur politischen und zur medialen Korruption gibt es auch keine kritische Bewegung gegen Hochschulkorruption.

Der Fall Zadić in diesem Blog zum Nachlesen:

Diskussion zur Dissertation von Justizministerin Alma Zadic: Materialien zur Qualitätsdebatte und Zitierweise

Strenge Regeln zum wörtlichen Zitieren in der Rechtswissenschaft in Deutschland, England und den USA – nur nicht in Österreich?

20 Kommentare zu “Fall Zadić: Universität Wien nennt das geringfügige Umschreiben von Sätzen ohne Quellenangaben „kein Plagiat“

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  1. Harald Wagner

    was hier passiert ist ist für jeden Akademiker der jahrelang an seiner Arbeit arbeiten muß, um seinen Akademischen Titel zu bekommen, ein Schlag ins Gesicht. Soweit ich im Gutachten sehen konnte hat Frau Zadic nicht einmal den Titel ihrer Arbeit selbst erdacht, von ihrer Arbeit gar nicht mehr zu reden. auch im Schlusswort kann ich nur wenig finden was die Dame selbst geschrieben hat. Frau Zadic ist als Justizministerin eine Zumutung für Österreich und die UNI Wien weiß offenbar nicht was sie tut, oder hat Angst vor Politischen Konsequenzen. vielen Dank Herr Weber, ich bin mir sicher nirgendwo anders wäre sowas möglich außer in Wien

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  2. Prof. Dr. Herbert Kaspar

    S g Herr Dr. Weber,
    danke für die klaren Worte im Fall Zadic.
    ich hätte eine formale Frage: besteht noch irgendeine Chance, dass in einem 2. Verfahren (wie bei Frau Giffey!) doch noch Gerechtigkeit hergestellt wird? Wer könnte ein solches initiieren? Oder ist die unappetitliche Causa gegessen?

    Besten Dank im voraus
    Ihr
    H Kaspar

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    1. Plagiatrix

      Wenn sich keine rechtliche Möglichkeit bietet, könnte sich ein Collegium von (führenden) Plagiatsforschern (und eventuell einm vorsitzendem Richter) selbst einen „Weisenrat“ gründen, welcher sich die für die Öffentlichkeit relevante Plagiatsfälle vornimmt und versucht nach festzulegenden Grundsätzen fair zu urteilen.

  3. Johnniw Walker

    Lernen Sie lieber selber einmal ordentliches Deutsch, Sie vollgefressener Wichtigtuer. und Maskenvernaderer aus Salisburgum. Über Ihren Genderstuss lacht eh schon die halbe Welt. Es hört Ihnen sowieso keiner mehr zu, außer pathologische Grünenhasser wie der „Dreckspress“.

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    1. Horst 66

      lustiger Name – absichtlich falsch geschrieben oder im Suff die Tastatur nicht so gefunden^^

  4. Ralf Rath

    Spätestens im Augenblick des eigenen Todes stellt sich die Frage nach dem gesellschaftlichen „Verhältnis von Leib und Seele“ (Marcuse, 1988: 188, 22. Aufl.) in aller Unabweisbarkeit. Soll darauf noch zu Lebzeiten geantwortet werden, könnte es verhängnisvoller für einen selbst nicht sein, fremdes geistiges Eigentum als solches nicht gekennzeichnet zu haben. Wenn man so will, ließe sich angesichts dessen kritisieren, dass ein Plagiat dazu führt, jedwede Erkenntnisgewinnung in zutiefst existenziellen Angelegenheiten für sich bis zur Unmöglichkeit zu erschweren. Verleiht eine Hochschule dafür sogar einen akademischen Grad, zeichnet sie Praktiken aus, welche der Humanität als einer historisch einzigartigen Errungenschaft Europas über alle Maße hinweg spotten. Falls noch ein ernstliches Interesse daran besteht, sich darin nicht hoffnungslos zu verfangen, würde die Plagiatsforschung daraus einen Ausweg eröffnen. Aber dazu fehlt nicht zuletzt in Österreich anscheinend der Wille.

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  5. Julia Baum

    Sie beschweren sich zurecht über das Nichteinhalten von Zitierregeln an österreichischen Unis. Gleichzeitig verwenden Sie als Akademiker aber nicht einmal eine rechtschreibkonforme Sprache. Oder was soll der Dopelpunkt mitten in einem Wort sonst bedeuten? Mir dreht sich da als Lehrerin der Magen um.

    Ihre Doppelstandards qualifizieren Sie für den Job eines Parteipolitikers, Autorität als akademischer Qualitätspappst besitzen Sie allerdings keine.

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  6. Unibär

    Die Unterscheidung zwischen „direkten“ und „indirekten“ Zitaten interessiert ausschließlich „Plagiatsjäger“. Damit dichtet man den meisten ein Plagiat an („Bauernopfer“).

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  7. KR

    Desolate Situation

    Wenn Fragen der Guten Wissenschaften Praxis (GWP) in Österreich auf der Grundlage des Strafrechts angegangen werden (und das auch einseitig), dann sehe ich schwarz für die GWP, gerade im juristischen Bereich.
    Wie soll denn die subjektive Täuschungsabsicht denn nachgewiesen werden? Durch ein Geständnis, durch „chats“? Das ist ja absurd. Wenn die GWP nicht eingehalten wird aufgrund von Schlamperei, weil die Studierenden sie nicht kennen, weil die Betreuer und Gutachter sie selbst nicht kennen, was dann? Nach diesen Kriterien muss dann ein „Freispruch“ erfolgen und wie die Medien/die Öffentlichkeit dann darauf reagiert, dass wissen wir: Es liegt nicht nur kein „Plagiat“ vor, sondern die Arbeit ist hervorragend, auch wenn zuvor Sachverständige zahlreiche Mängel nachgewiesen haben.
    Wenn man die Einhaltung der GWP wirklich nach Kriterien des Strafrechts überprüfen wollte (was ja Blödsinn ist), dann müsste man in jeglicher Hinsicht konsequent sein. Wer hat die Gutachter (im Überprüfungsverfahren) ausgewählt? Sind diese den Betreuern bekannt oder gar von den Betreuern vorgeschlagen worden (was ein Wahnsinn wäre – man stelle sich vor der Angeklagte in einem Strafprozess bestimmt die Gerichtssachverständigen)?
    Die Überprüfung der GWP in Österreich funktioniert auf dieser Grundlage – gerade im juristischen Bereich – überhaupt nicht!

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  8. Interessierter Leser

    Ich habe mir das Video angeschaut das „S“ unten verlinkt hat und ich muss sagen ich stimme nicht überall, aber in großen Teilen zu. Vielleicht können Sie, Herr Weber, mir dabei helfen die Dinge besser einzuordnen. Mich verwirren viele dieser Plagiatsvorwürfe, was aber möglicherweise daran liegt dass ich aus dem MINT-Bereich komme. In meiner Masterarbeit aus dem Bereich Festkörperphysik habe ich untersucht wie sich die elektrische Leitfähigkeit von dünnen Graphitschichten verändert wenn Kalium an deren Oberfläche adsorbiert. Ich bin 10 Monate im Labor gestanden und habe alles erlebt was dazugehört. Auch alle Fehlschläge und Sackgassen, die niemand sieht, aber die auch zur Forschung dazugehören. Nach 10 Monaten Laborarbeit haben wir die Erkenntnisse in einem Paper aufgeschrieben das in einem internationalen Fachjournal publiziert wurde. Danach hab ich mich hingesetzt und in etwa 2,5-monatiger Arbeit meine 100-Seitige Masterarbeit aufgeschrieben. Wenn hier jemand dahergelaufen kommt und sagt: mir muss der akademische Grad aberkannt werden, weil ich ein paar Stellen in meinem Grundlagenkapitel nicht korrekt zitiert habe, lache ich mich tot. Das ist genau das was ich meine. Es ist natürlich wichtig dass richtig zitiert wird, aber bei der Beurteilung von Plagiaten kommt es doch immer auf Kontext, Umfang und Inhalt an. Dies kommt (zumindest meinem Gefühl nach) in der Berichterstattung zu kurz. Was bei Zadic wirklich los ist kann ich nicht beurteilen da ich kein Jurist bin, aber wie es aussieht kommen internationale Experten zum Schluss dass es Ok ist.(?) Ist das Korruption?

    Wie im Video von „S“ verlinkt ärgern auch mich Aussagen der Form: „hier wurde ohne Quellenangabe paraphrasiert, deshalb wurden hier die Standards wissenschaftlichen Arbeitens verletzt“. Das suggeriert dem Laien tatsächlich dass wissenschaftliches Arbeiten nur darin besteht ab- oder umzuschreiben und dann richtig zu zitieren. Wie wir alle wissen ist das aber noch lange keine Wissenschaft.

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    1. Stefan Weber Beitragsautor

      Lieber „Interessierter Leser“!
      1. Das ist ja genau der Unterschied zwischen Ihrer Masterarbeit und einer üblichen juristischen Dissertation: Letztere hat keinen empirischen Kern, da stand auch niemand vorher im Labor oder war im „Feld“, sondern die gesamte Arbeit besteht aus Zitationen und Interpretationen. Das „Feld“ des Juristen ist seine Literatur (Normen, Judikatur, Wissenschaft). Das korrekte Zitieren ist das Handwerk des Juristen wie die Praktiken in ihrem Labor. Es handelt sich daher auch bei Plagiaten in den soft sciences, die ich aufzeige, nie um Randphänomene einer Arbeit.
      2. Wer sagt denn, „dass wissenschaftliches Arbeiten nur darin besteht, ab- oder umzuschreiben“? Ich habe diese Ansicht noch in keinem Lehrbuch dieser Welt gelesen. Im Gegenteil, ich würde mich freuen, wenn wissenschaftliche Arbeiten nicht nur aus wörtlichen Zitaten und Umschreibübungen bestehen würden. Genau dieses Problem zeige ich ja auf. Wo sind die eigenen Gedanken und Formulierungen, wo brauchten die Plagiatoren keine „Schreibunterlage“? Ich werde da von Ihnen komplett missverstanden.
      LG

    2. Interessierter Leser

      Lieber Herr Weber,
      Genau deswegen frage ich ja nach, um Missverständnisse auszuräumen. Danke für die Erläuterungen!

      Lg

  9. Dr. Laszlo Liebmann

    Ich weiß nicht, was mich mehr nervt: Das universitäre Legitimieren von Plagiaten und das damit einhergehende Zerstören von Qualitätsstandards oder Ihre konformistische Spachverhunzerei, Herr Weber. Beides sind Ausflüsse desselben abgewirtschafteten, mit Ideologie vollgesogenen linksdrehenden Bildungssystems.

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    1. Stefan Weber Beitragsautor

      Bei der Entscheidung helfe ich Ihnen gerne weiter, wenn Sie mir sagen, was Sie mit meiner „konformistischen Sprachverhunzerei“ meinen.

    2. Dr. Laszlo Liebmann

      Die Genderei. Dieses unsägliche Distinktionsmerkmal zwischen einer ‚woken‘ Blase von Großhirnakrobate und der großen Mehrheit, die dergleichen nachweislich ablehnt. Diese ideologische Wichtigtuerei, dieses sprachliche Mitläufertum, dieses ‚virtue signalling‘ ist schlicht nervtötend.

  10. Andreas Maurer

    „Ich sehe die 85 Stellen exakt wie Sie und ich bleibe sicher bei meiner Auffassung, dass diese keine Plagiate darstellen, da die Quellen immer angegeben wurden. Ich akzeptiere aber auch, dass es selbst hier strengere Sichtweisen gibt, nicht auf dem Boden des UG.“

    Das waren schon Sie, der das geschrieben hat, oder war das wer anders?

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    1. Stefan Weber Beitragsautor

      Gibt es eine dritte Möglichkeit? Nämlich die, dass es sich bei den 85 Stellen um jene handelte, die eine Kollegin in Eigenregie dokumentiert hat, die nichts mit den späteren 73 Stellen zu tun haben? Denkbar?

  11. Ing. Herbert Bartosch, MSc

    S.g Herr Dr. Weber,
    ich bin entsetzt, was hier mit Zadic und der Uni-Wien abläuft. Ich bin mir sicher, dass sich die Arbeit von Zadic vorweg keiner angeschaut hat (Freunderl- und Bussi-Gesellschaft).
    Ich habe 2020 meinen MSc (FH-St.Pölten) gemacht, bin 60 Jahre alt; uns wurde richtig eingetrichtert und auch in Schulungen erklärt, was eine seriöse akademische Arbeit ausmacht. Die FH-s wollen sich hier keine Blöße geben. Jeder Volkschüler kann abschreiben, das wissen wir, aber so einfach und plump zu einem Akad. Grad zu kommen, da will ich kein Akademiker mehr sein. Schande über den UNI Standort Wien,

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