Alexandra Föderl-Schmid plagiierte als Chefredakteurin des „Standard“ in einem Kommentar den NZZ-Literaturkritiker Andreas Breitenstein

Der Schweizer Literaturkritiker Andreas Breitenstein rezensierte am 24.03.1993 für die Neue Zürcher Zeitung das Buch „Das Land ohne Eigenschaften“ von Robert Menasse unter anderem mit folgenden Worten:

„Kaum ein Land ist der kritischen Selbstbefragung so hartnäckig aus dem Wege gegangen wie die österreichische Zweite Republik seit dem Zweiten Weltkrieg. Vor der Erinnerung an die braune Vergangenheit flüchtete man sich in eine rosige Zukunft, statt intellektueller Debatten pflegte man die politische Schlammschlacht […].“

Die Formulierungen dürften Alexandra Föderl-Schmid gefallen haben. So sehr, dass sie fast 25 Jahre später, nämlich im Jahr 2017 im Standard wieder auftauchen. Im Kommentar „Österreich als schöne Bühne“, erschienen im Standard am 31.08.2017 steht geschrieben (freilich ohne Anführungszeichen):

„Kaum ein Land ist der kritischen Selbstbefragung so hartnäckig aus dem Weg gegangen, wie man das hierzulande getan hat seit dem Zweiten Weltkrieg. Vor der Auseinandersetzung mit der braunen Vergangenheit flüchtete man sich in die rosige Zukunft und in eine Konsensdemokratie, die mit der Sozialpartnerschaft ihre inzwischen verfassungsrechtliche Institutionalisierung gefunden hat.“

In ihrem ersten großen Essay zur Lage Österreichs schrieb Föderl-Schmid schließlich am 15.12.2017 in der Süddeutschen (freilich ebenso ohne Anführungszeichen):

„Kaum ein Land ist der kritischen Selbstbefragung so hartnäckig aus dem Weg gegangen. Vor der Auseinandersetzung mit der braunen Vergangenheit flüchtete man sich in die rosige Zukunft und in eine Konsensdemokratie, die mit der Sozialpartnerschaft – das sind die Interessensvertretungen der Arbeitnehmer und Wirtschaftsvertreter sowie die  Gewerkschaften – ihre inzwischen verfassungsrechtliche Institutionalisierung gefunden hat.“

Es gibt weitere wortwörtliche Übereinstimmungen zwischen dem Standard-Kommentar vom August und dem SZ-Essay vom Dezember 2017. – Das ist nun der zweite Plagiatsfund im Standard. Wann wird das lachsfarbene Blatt eine Prüfkommission einsetzen? Oder gilt das, was Alexandra Föderl-Schmid selbst im Kommentar geschrieben hat, nämlich:

„Schein und Sein klaffen in Österreich von jeher auseinander. Nur nicht genau hinsehen, sich selbst etwas vormachen, es gar nicht wirklich wissen wollen: Darin hat man Übung, die Verdrängungskultur ist in Österreich etabliert.“

3 Kommentare zu “Alexandra Föderl-Schmid plagiierte als Chefredakteurin des „Standard“ in einem Kommentar den NZZ-Literaturkritiker Andreas Breitenstein

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  1. Traianovic

    Einige Journalisten – die vorbildlichen, würde ich sagen – sehen hier durchaus ein Problem (gefunden auf BILDblog vom 8.5., Verlinkung dort):

    “Das macht mich wütend: FOCUS online und Frankfurter Rundschau schreiben schamlos bei mir ab – und ich kann nichts dagegen tun.” Auf LinkedIn schreibt sich Mathias Peer, freier Journalist und Korrespondent für Südostasien und Südasien, den Frust von der Seele. Die genannten Medien hätten sich bei seiner Recherche für das “Handelsblatt” bedient: “Das Urheberrecht schützt mich hier wohl kaum: Schließlich haben die Medien nicht 1:1 kopiert, sondern geben meine Recherchen leicht umformuliert wieder. Ein Problem ist diese Art von Pseudo-Journalismus dennoch: Investitionen in echte Recherchen lohnen sich immer weniger, wenn die Billigkonkurrenz am Ende den Traffic abgreift.”

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  2. Andreas Slateff

    Ganz kann ich Ihre Arbeit hier nicht nachvollziehen. Denn: Journalisten schreiben doch so gut wie fast immer ab! Meistens von Agenturmeldungen (nur ein Kürzel ganz unten) und ständig von anderen, inklusive von Kollegen.
    Ich finde das zwar nicht gut, aber es ist nicht verboten… im Unterschied zu Universitäten und dem akademischen Bereich: Dort ist unzitiertes Übernehmen nämlich ausdrücklich verboten, weil es als eigene Leistung ausgegeben wird. Bei Journalisten hingegen steht doch gerade mal der Name oder das Kürzel dort, damit man weiß, wer das zusammengeschrieben hat. „Eigene Erfindungen“ oder „eigene Geistesleistungen“ werden dabei doch gar nicht erst behauptet.

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    1. Max aus Hamburg

      Eben. Was soll hier das Problem sein? Dass Österreich und Japan nicht gerade ihre WW2-Rolle aufgearbeitet haben, ist Allgemeingut/Fakt. Schon im zweiten fetten Absatz sieht man doch klar, dass sich F-L hier schlicht der konkreten Ausformulierung von Allgemeingut bedient, um diese dann zu erweitern/zu kommentieren.
      So schreibt man berufliche Texte/Memos und das mangels Schöpfungshöhe völlig legal und legitim.

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