Bundesdeutscher Ex-Klimaschutz-Staatssekretär Patrick Graichen hat auch an der University of Cambridge plagiiert

Es ist dies ein erneuter Hinweis auf das „Systemversagen“ der Universitäten, von dem Volker Rieble immer wieder spricht. Der ehemalige Klimaschutz-Staatssekretär der Grünen, Patrick Graichen, hat bereits in seinen schriftlichen Arbeiten an der University of Cambridge, UK im Jahr 1996 schwerwiegend plagiiert. Graichen erhielt in Cambridge seinen M. Phil.-Abschluss, der wiederum die Zugangsvoraussetzung für das Doktoratsstudium an der Universität Heidelberg war. In der Doktorarbeit von Patrick Graichen haben der luxemburgische Plagiatsexperte Jochen Zenthöfer und ich bereits dutzende Plagiatsstellen gefunden, genauer: knapp 50. Die gesammelten Funde wurden inzwischen aufgrund einer Bitte von dort der Universität Heidelberg zur Verfügung gestellt. Nun wird sich wohl auch das UK Research Integrity Office mit dem Fall Graichen beschäftigen müssen.

Patrick Graichen hat die beiden Arbeiten, um die es hier geht, selbst ins Netz gestellt. Er hat sie also selbst veröffentlicht. – Nun fragt man sich: Warum stellt jemand Arbeiten mit Plagiaten höchstselbst ins Internet? Zur Beantwortung dieser Frage muss man sich ins Jahr 1996 zurückversetzen: Wir hatten noch keine Plagiatssoftware. Wir durchsuchten das Internet mit AltaVista und noch nicht mit Google. Patrick Graichen dürfte sich seiner Sache verdammt sicher gewesen sein. Ich ordne ihn daher als einen Pionier des Netzplagiarismus ein.

Die systemische Frage ist: Warum Plagiate nun auch bereits anno 1996 an der „renommierten“ University of Cambridge? Die personenbezogene Frage ist: Wie viele deutschsprachige Studierende haben das im englischsprachigen Ausland auch so gemacht? Und wie ist unsere Gesellschaft gestrickt, wenn jemand, der zur Studienzeit inklusive seiner Doktorarbeit plagiiert hat, später bestbezahlter Spitzenbeamter, Leiter eines „Think Tanks“ (in dieser Funktion hat er übrigens ein Plagiat Baerbocks abgewiegelt) und schließlich Staatssekretär wird? Und wäre es nicht zur Nepotismus-Affäre gekommen, hätte sich wohl nie jemand für die wissenschaftlichen Arbeiten von Patrick Graichen interessiert.

Im Folgenden sind nur die offensichtlichsten Plagiatsstellen dokumentiert:

Arbeit Nr. 1: Patrick Graichen, „Acid rain and economics“, 1996:

Schon der allererste Satz auf S. 2 stammt von George E. Halkos, „Optimal sulphur emissions abatement in Europe“, 1993. Kein Hinweis auf Halkos in der gesamten Arbeit Graichens.


Weiter geht es bei Graichen so (S. 2):

Auch das stammt großflächig von George E. Halkos, „Optimal sulphur emissions abatement in Europe“, 1993, damit Fortsetzung des ersten Plagiats oben. Kein Hinweis auf Halkos in der gesamten Arbeit Graichens.


Auf S. 9 ist bei Graichen zu lesen:

Das Original stammt einmal mehr von George E. Halkos, „Optimal sulphur emissions abatement in Europe“, 1993, S. 3:

In der Arbeit Graichens befinden sich zahlreiche weitere kleinteiligere Plagiate (meist im Umfang von ein bis zwei Sätzen). Manchmal wurde eine Fußnote nur bei der Kapitelüberschrift positioniert, in der Folge wurde fast das gesamte Kapitel aus dieser einmal angegebenen Quelle abgeschrieben (Grauzone).


Arbeit Nr. 2: Patrick Graichen, „Taking nature into account?“, 1996:

Muster wie bei Arbeit Nr. 1. Bereits die „Introduction“ wurde plagiiert.

Nun musste der renommierte Robert Repetto herhalten. Repetto wird diesmal zwar im Literaturverzeichnis angegeben, aber ‚vor Ort‘ findet sich kein Hinweis.


Graichen, S. 3:

Wieder von Repetto mit geringen Edits:


Graichen, S. 7. Das liest sich deutlich wie ein eigener Hinweis/eine eigene Kritik Graichens.

Es ist aber von Anne Harrison, „Environmental Issues and the SNA“, 1989, S. 383 plagiiert:


Promovierter, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Leiter eines Think Tanks, Staatssekretär. – Es ist eine intellektuelle Tragödie. Der tatsächliche Intellektuelle Habeck wird sich langsam aber sicher fragen müssen, von wie vielen Plagiatoren er in seiner Partei eigentlich umgeben ist.

17 Kommentare zu “Bundesdeutscher Ex-Klimaschutz-Staatssekretär Patrick Graichen hat auch an der University of Cambridge plagiiert

Neuen Kommentar verfassen

  1. Bella Repplinger

    Danke, lieber Herr Dr. Weber, für Ihre fachkundige Auskunft! Gibt es denn inzwischen neues zum 1 jährigen „Aufbaukurs in London“ von Frau Baerbock, der erstaunlicherweise als „Master“ Abschluss gewertet wurde und der den Ausschlag gab für ca. 40.000 Euro „Promotionsstipendium“ der Heinrich Böll Stiftung? Eine Promotion wurde doch nie vorgelegt? Wurden denn die 40.000 Euro zurückgezahlt?

    Antworten
  2. Bella Repplinger

    Danke, Herr Weber, für Ihren unermüdlichen Einsatz! Wenn jetzt Graichen seiner Titel verlustig werden sollte, erfüllt er doch nicht die Voraussetzungen für den Beamtenjob, den er hatte und auch nicht für die daraus abgeleitete „Pension“. Oder? 😉

    Antworten
    1. Stefan Weber Beitragsautor

      Da sind mehrere Dinge zu beachten:
      1. Stimmen die von Graichen selbst hochgeladenen Arbeiten mit jenen überein, die von ihm als Prüfungsleistungen in Cambridge eingereicht und beurteilt wurden? (Fußnoten jeweils auf S. 1 legen dies nahe.)
      2. Besteht an der Universität Cambridge eine Verjährung bei ex post entdeckten studentischen Täuschungshandlungen?
      3. Wenn nein: Sind die dokumentierten Täuschungshandlungen so wesentlich, dass man den M.Phil.-Grad aberkennen müsste? Dazu müssten auch die drei weiteren Cambridge-Arbeiten einer Plagiatsprüfung unterzogen werden, die nicht mehr online sind.
      4. Wenn ja, wurde die Zulassung zum Doktoratsstudium an der Universität Heidelberg erschlichen. Dann wäre es egal, ob die Plagiate in der Dissertation als erheblich oder nicht erheblich eingestuft werden. Herr Graichen würde beide akademischen Grade verlieren.

    2. Ralf Rath

      Es darf nicht sein, dass die Aufdeckung von Plagiaten verkürzt wird auf die Frage, ob jemandem womöglich der akademische Grad zu entziehen ist oder materiell damit einhergehende Vergünstigungen hinfällig sind. Wie der Wiener Arzt Sigmund Freud bereits seit weit über einem Jahrhundert als Devise ausgibt (Si vis vitam, para mortem, in: IMAGO IV.1: 21), blicken vor allem redliche Forscher ihrem eigenen Tod direkt ins Auge, falls kein Bruch mit den sich ansonsten gesellschaftlich fortgesetzt reproduzierenden Praktiken erfolgt. Es nimmt dann auch nicht wunder, wenn gegenwärtig eine vielfach mit Preisen ausgezeichnete Physikerin an der ETH Zürich ihr nacktes Überleben als ihren persönlich wichtigsten Erfolg verbucht (Online-Ausgabe der NZZ v. 4.6.2018). In Wirklichkeit bedrohen insbesondere Plagiate demnach die Menschlichkeit einer menschlichen Existenz, wie der Soziologe Hans Paul Bahrdt im Vorwort zu der von Reiner Löffler und Wolfgang Sofsky im Jahr 1986 veröffentlichten Untersuchung zur Frage der Pathologie organisierter Arbeitssituationen kritisiert.

  3. Ulrich manz

    Das macht mich sprachlos. Arbeiten, die um einen max. Umfang von 20 Seiten haben und dann noch abgeschrieben.

    Antworten
  4. Ernst Schwadisch sen.

    Bitte prüfen, ob Graichen in seiner Dissertation von 2002 einen Text verwendet hat, der schon im Jahr 2000 erschienen war: http://www.eco.uni-heidelberg.de/team/graichen/showdown.pdf
    Jedenfalls berichtet die TAZ von dieser Untersuchung dann auch noch einmal später im Jahre 2004 – https://taz.de/Mit-Idealen-gegen-die-Atomwirtschaft/!759456
    Der Text aus dem Jahr 2000 hingegen wurde nicht alleine von Graichen verfasst: Er selbst schreibt, dass er ihn zusammen mit Bouwe Dijkstra verfasst habe. Der Text trägt den Untertitel: „A contest case study – Discussion Paper No. 328“, erschienen: Faculty of Economics, Heidelberg, im September 2000, 28 Seiten

    Antworten
  5. Ernst Schwadisch sen.

    Heute musste ich herzlich lachen. Die Leute von der Heidelberger Universität, welche Graichens Dissertation jetzt auf Plagiate prüfen sollen, haben mit dem Graichen zusammen in Cambridge studiert.
    Und wenn man dann schon so etwas liest, wie das Folgende, dann weiß man Bescheid. Ähäm… Also dann, wenn man weiß, wie unsere hochgelobte „Erasmus-Generation“ zum Selbstbetrug erzogen wurde und sich auch dazu selber erzogen hat…
    Stichworte gefällig?
    … University of Wisconsin-Madison (far far away, extra for you)
    University of Cambridge
    University College London
    University of Notre Dame
    University of Innsbruck (sorry, Mr. Weber)
    Centre for European Economic Research – ZEW in Mannheim
    Executive MBA program of ESSEC and Mannheim Business School
    Environmental and Resource Economics
    Economic Behavior and Organization
    Environmental Economics and Management
    Economics of Disasters and Climate Change
    Toulouse School of Economics
    University of Rome
    Research projects on issues ranging from environmental crime
    Climate action
    Socio-ecological tipping points
    Geo-Engineering
    World Bank
    Asian Development Bank
    OECD
    Environment Agency
    German Parliament
    British Petrol
    Marsilius-Fellowships
    Fulbright-Schuman Fellowship
    Austrian Academy of Sciences scholarship
    Last, but not least: Würdigungspreis by the Austrian Minister for Science and Research

    Antworten
    1. Stefan Weber Beitragsautor

      Die Erziehung der „hochgelobten ‚Erasmus-Generation‘ zum Selbstbetrug“ würde ich sehr gerne weiter verfolgen. Wo finde ich weitere Beispiele dieser Art? Auch Beispiele für Übersetzungsplagiarismus würden mich interessieren (jemand bringt eine Arbeit aus einem anderen Land mit, übersetzt sie und garniert sie mit deutscher Literatur). Und Frau Baerbocks Masterarbeit(en) an der LSE wären weiter hochinteressant.

  6. Sextus Empirikus

    Sind Sie sich bei Habeck sicher? Haben Sie schon mit Ihren Werkzeugen die Dissertation des Herrn Habeck geprüft?

    Antworten
    1. Ralf Rath

      In der empirischen Sozialforschung als einer „Großdisziplin“ (Dubiel, 2018: 150, 2. Aufl.) ist in der jüngeren Vergangenheit von einem „politischen Sprengsatz“ (Schumann, in: Wetzel et al. (Hg.), 2014: 26) die Rede, mit dem Robert Habeck selbst noch als vereidigter Minister fortgesetzt hantieren würde, sobald dessen Dissertation den längst unumstößlichen Befund eines sich niemals positiv bestimmbaren Steuerungsprinzips nicht zum Ausgang hat. Falls es so wäre, läge darin bereits ein eklatanter Verstoß gegen die gute wissenschaftliche Praxis.

  7. Ralf Rath

    Bekanntlich bedient sich Robert Habeck in seiner Dissertation einer Ableitung. Angesichts dessen sind Zweifel daran erlaubt, ob der deutsche Vizekanzler tatsächlich für einen „new type of thinking“ (Einstein, in: The New York Times, 25. Mai 1946: 11) steht. In der Spitzenforschung zumindest ist die vor allem von Herbert Oberbeck bereits im Jahr 1996 nicht schriftlich, so doch immerhin in meinem Beisein mündlich kritisierte „Ableiterei“ jedenfalls kein Ausweis für eine Erkenntnisgewinnung, die notwendig Aussagen darüber ermöglicht, wie das Soziale als der maßgebliche Begriff einer modernen Gesellschaft inzwischen geworden ist. Wenn man so will, lässt sich deshalb resümieren, dass derzeit zentrale Regierungsstellen der viertgrößten Volkswirtschaft die „wirkliche Welt“ (Heisenberg, 2022: 246, 15. Aufl.) intellektuell nicht einmal im Ansatz erfassen. Es tut dann sein Übriges, wenn Patrick Graichen als der ehedem dafür verantwortliche Staatssekretär auch noch plagiiert hat und dadurch offenkundig zu einer eigenständigen Arbeit noch nie fähig war.

    Antworten
  8. Josef Taferner

    Die heutige Politik ist voll dieser „Diebe von Geistesgut“. Zusätzlich leisten sich diese Politversager noch „Berater“ und „Experten“, die aus dem selben Holz geschnitzt sein dürften. Zusammengefasst: Wir werden von Gaunern, Blendern und Betrügern beschissen. Und das außerordentlich!

    Antworten
    1. Roland Weinert

      Exakt! Ich erinnere mich noch sehr genau daran, wie ‚uns‘ Studienanfängern an der Universität zu Köln im Grundstudium ( meines ab 1980 / 1981 ) ‚eingebläut‘ wurde, wie wissenschaftlich redlich zitiert wird. Aber das ist lange her. Abschreiben ist heute mehr denn je zur ’sportlichen Übung‘ geworden.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Die maximale Dateigröße für den Upload: 20 MB. Sie können hochladen: Bilddatei, Dokument, Spreadsheet, Textdatei. Links zu YouTube, Facebook, Twitter und anderen Dienstanbietern werden automatisch eingebunden. Dateien hierhin ziehen