„Plagiatsjäger“ einmal anders: Josef Mitterers Philosophie – auf YouTube erklärt. Folge 1

Nachdem ich kürzlich eine Journalistenanfrage erhalten hatte, ob ich nicht die Philosophie Josef Mitterers in einer dreiminütigen WhatsApp-Ansage erklären könne, kam ich auf die Idee, dazu einmal eine YouTube-Lecture zu machen. Diese wurde dann mit 56 Minuten Länge doch recht abendfüllend. Mit Mitterers Philosophie beschäftige ich mich bereits seit meiner Diplomarbeit, vertieft tue ich dies seit 2007.

Josef Mitterers neues Denken kann man nennen:

  • die „Nicht-objektierende Redeweise“ (so Mitterer selbst in seiner Dissertation bei Rudolf Haller, Universität Graz, 1978; wir dürfen übersetzen: nicht auf Objekte gerichtet, nicht ‚objektorientiert‘),
  • die „Nicht-dualisierende Redeweise“ (so Mitterer selbst in der Buchpublikation seiner Dissertation, 1992 und 2011; wir dürfen übersetzen: die Dualisierung von Sprache und Wirklichkeit vermeidend) oder
  • den „Radikalen Lingualismus“ (so ich in meinem neuen Buch 2022 im Gefolge Rudolf Hallers, der diesen Begriff in seinem Gutachten zu Mitterers Dissertation im Jahr 1978 meines Wissens erstmals verwendet hat).

Mitterer favorisiert den Begriff „Nicht-dualisierende Redeweise“, ich fand hingegen stets „Nicht-objektierende Redeweise“ besser und plädiere jüngst für „Radikaler Lingualismus“. Auch die Abkürzungen „Non-Dualismus“ und „Nondualismus“ zirkulieren. Sie sollten nicht mit der entsprechenden Denkweise aus einer Weltreligion verwechselt werden. Völlig non-non-dualistisch könnten wir jetzt sagen: Sind ja eh nur die Begriffe!

Doch worum geht es? Es geht darum, über die traditionelle Diskussion eines „Verhältnisses“ von Sprache und Wirklichkeit, von Wörtern und Dingen hinauszukommen, indem Beschreibungen und Objekte als Einheiten im Wandel konzipiert werden. Ein bislang kaum rezipiertes und kaum verstandenes Novum in der Philosophie. Vielleicht ein Irrweg – aber genau das sollte die universitäre Philosophie doch diskutieren. Ich habe immer wieder versucht, Diskussionen zu initiieren.

Dank Josef Mitterer beschäftige ich mich seit nunmehr 15 Jahren mit folgenden Themen der Philosophie, die auch in seinen bislang zwei Büchern und seinen noch unveröffentlichten Texten eine große Rolle spielen:

  • Wittgensteins Aspektsehen
  • (Gutartigen und bösartigen) infiniten Regressen
  • Objekt- und Metasprache(n)
  • Dem (verstärkten) Lügner-Paradoxon

Allesamt faszinierende Grundlagenfragen der Erkenntnistheorie und der Sprachphilosophie. Nehmen wir nur den „infiniten Regress“ (immer: im philosophischen Sinn) als Beispiel. Da erstaunt es, wie unterschiedlich von Immanuel Kant über Hugo Dingler bis zu Claude Gratton doch die Definitionen sind. Die deutschsprachige Philosophie spricht noch kaum von gutartigen und bösartigen infiniten Regressen, die englischsprachige kennt diese Unterscheidung (benign vs. vicious) schon seit einigen Jahrzehnten. Viele Regresse sind eigentlich meiner Auffassung nach Progresse. Insofern fällt es schwer, die „infiniten Regresse“ einzuordnen, die Mitterer beim Dualismus identifiziert haben will. Näheres im Video.

Zum Aspektsehen und zur vorgeschlagenen Einheit von Beschreibung und Objekt mache ich vielleicht eine zweite Folge. Nun mal viel Spaß und viele Erkenntnismomente bei Folge 1, die die Brücke von Wittgenstein und Popper zu Mitterer schlägt und zeigt, wie die „Grenze der Sprache“ bei Wittgenstein und Popper zu den (diskutierenswerten!) „infiniten Regressen“ bei Mitterer wird:

4 Kommentare zu “„Plagiatsjäger“ einmal anders: Josef Mitterers Philosophie – auf YouTube erklärt. Folge 1

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  1. Ralf Rath

    Dadurch, dass das aktuellste, die gesellschaftlichen Verhältnisse am tiefsten erfassende und insofern zukunftsreichste Denken noch immer bereits im Keim erstickt, wäre es die vornehmste Aufgabe der Philosophie zu kritisieren, was dazu führt. Anstatt sich also gleichsam in einem belanglosen Glasperlenspiel zu gefallen, könnte die Philosophie einen Beitrag dazu leisten, den Bann endlich zu lösen. Aber dazu dürfte die Philosophie nicht arbeitsteilig von der Soziologie getrennt sein. Ansatzpunkte für den Bruch sind inzwischen theoretisch angeleitet und empirisch kontrolliert ausfindig gemacht. Es fehlt lediglich der Wille, den im Zuge der in Rede stehenden Unterabteilung der Arbeit praktizierten „Meuchelmord“ nicht länger zu reproduzieren, wie David Urquhart als Member of Parliament des britischen Unterhauses schon im Jahr 1855 in London fordert. Geschehen ist weltweit seitdem jedoch bis auf den heutigen Tag nicht das Geringste. Auf ein notwendiges Innehalten müssen die Menschen weiterhin warten. Lieber gehen die politisch Verantwortlichen fortgesetzt buchstäblich über Leichen. Für manche der gegenwärtigen Regierungen in Europa ist der angesichts dessen äußerst inhumane Wahlspruch „Mehr Fortschritt wagen“ sogar Programm. Der Preis dafür könnte dabei höher nicht sein. Dennoch nimmt man ihn ohne mit der Wimper zu zucken in Kauf. Letztlich kostet es vor allem den Schwächsten das Leben. Die Zahl der von vornherein vermeidbaren und deshalb zusätzlichen Toten unter der jeweiligen Bevölkerung verzeichnet dann einen überproportionalen Anstieg. Ein Abflachen der Kurve ist nicht in Sicht.

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    1. Oliver Bandel

      Und Gotthard Günther hatte das Projekt ihrer Formalisierung gestartet, später fortgeführt von Rudolf Kaehr.
      Leider wurde das Projekt nicht großflächig aufgegriffen, da es im Umfeld der Kybernetik entstand (Formalisierung von Selbstreferenz).
      Wie man Probleme wie „echte KI“ ohne Selbstreferenz lösen will, ist mir schleierhaft. Aber es reicht ja, wenn man die Geldgeber mit Blendwerk beliefert, wen kümmert da, daß das alles nur Fake ist? Der Hype reicht zur Lemmingisierung.

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