Uni-Reform Teil 2: Weitere Expertenvorschläge für eine Reform des österreichischen Universitätsgesetzes (UG)

Gastbeitrag von Peter Hilpold, Universität Innsbruck


Es ist erfreulich, dass sich Stefan Weber – noch dazu während der Weihnachtsferien – die Mühe angetan hat, einen Raster für eine Reform des Universitätsgesetzes zu entwerfen.

Dieses Gesetz, das derart viele Fehlentwicklungen ermöglicht hat, ist tatsächlich strukturell reformbedürftig. Man muss sich die Frage stellen, ob es nicht grundlegend durch ein neues Gesetz ersetzt werden soll. Einige der ärgsten Mängel ließen sich aber sicherlich auch durch punktuelle Reformen zumindest abmildern.

Hier einige meiner die Tabelle von Stefan Weber ergänzenden Vorschläge:

§ 14 UG: Evaluierung und Qualitätssicherung

In diesem Bereich wurde übersehen, dass Evaluierung und Qualitätssicherung nicht ausschließlich Aufgabe der einzelnen Universitäten sein kann. Was „gute wissenschaftliche Praxis“ (GWP) ist und wie diese garantiert werden soll, kann nicht der alleinigen Zuständigkeit einzelner Universitäten überantwortet werden, sondern es geht hier um Fragen von nationalem, ja europaweitem Interesse (und darüber hinaus). Qualitätssicherung muss deshalb durch eine nationale, unabhängige Instanz garantiert werden – so wie dies EU-weit meist schon Standard ist.

Die konkrete Implementierung der Qualitätssicherung wird selbstverständlich auch weiterhin überwiegend auf Universitätsebene erfolgen – und damit wäre die Universitätsautonomie umfassend gewahrt. Gleichzeitig bedarf es aber einer Einrichtung, die einheitliche Standards gesamthaft garantiert und gegebenenfalls als „Berufungsinstanz“ im Einzelfall agieren kann. Damit würde auch ein Weg geschaffen, die gegenwärtigen Lücken bei der Sicherstellung der GWP bei Qualifikationsschriften zu beheben. Die bisherige Praxis der „Plagiatsprüfung“ ist – wie Stefan Weber sehr überzeugend in vielen Fällen aufgezeigt hat – unzureichend.

Wenn der Täuschungsvorsatz die Grundbedingung dafür ist, dass wissenschaftliche Arbeiten gerügt werden können, dann besteht die Gefahr, dass es in Österreich – nahezu einzigartig in der EU – ein breites Spektrum an Abschlussarbeiten gibt, die grob mangelhaft sind, die aber nicht weiter beanstandet werden können. Dabei soll keineswegs einer umfassenderen Titelaberkennung bei „schlechten“ Abschlussarbeiten das Wort geredet werden (meine Meinung dazu: die Betreuung einer Qualifikationsschrift schafft ein Vertrauensverhältnis; eine approbierte Arbeit sollte, zumindest im Regelfall, mit einer Bestandsgarantie verbunden sein), sondern es geht darum, unzureichende Betreuungsleistungen zu identifizieren und gegebenenfalls auch zu ahnden. Eine zentrale Qualitätssicherungsstelle würde in diesem Zusammenhang Rechtssicherheit schaffen. Sie kann einen Referenzpunkt für die Fortentwicklung der GWP-Diskussion darstellen, EU-Vorgaben umsetzen – und letztlich eine Garantie für die Vertretbarkeit von Universitätsautonomie im Grundsatz in diesem Bereich sein.

In anderen EU-Staaten ist Qualitätssicherung durch die zentralen Qualitätssicherungsbehörden auch mit positiven Anreizen verbunden: Hervorragende Leistungen werden mit der Zuteilung zusätzlicher Finanzmittel (bspw. für weitere Professorenstellen und für Exzellenzprofessuren) prämiert. Auch ein solcher Ansatz wäre für Österreich überlegenswert.

§ 45 UG: Aufsicht

Eine funktionierende Aufsicht hätte viele Übel der vergangenen Jahre beheben können. Hier könnte nun rasch für Abhilfe gesorgt werden. Die Einräumung einer Parteistellung auch für die Beschwerdeführer in § 45 Abs. 7 (und nicht nur für die Universitätsorgane) wäre ausreichend. Darüber hinaus könnte die neu zu schaffende unabhängige Qualitätssicherungsstelle technische Hilfestellungen für das Ministerium (bspw. in Form von Gutachten) leisten.

§ 98 und § 99 UG: Berufungsverfahren

Völlig zu Recht verweist Stefan Weber darauf, dass es bei Berufungsverfahren eines gerichtlichen Rechtsschutzes bedarf – der im öffentlichen Sektor eine Selbstverständlichkeit darstellen sollte und im Anwendungsbereich des Unionsrechts ein Muss ist. Auf diesen Umstand sind die (jetzigen) Regierungsparteien im Übrigen schon während der Koalitionsverhandlungen 2019 aufmerksam gemacht worden. Geschehen ist – innerhalb der zurückliegenden fünf Jahre – nichts!

Rechtstechnisch behebbar wäre das gegebene rechtsstaatliche/EU-rechtliche Problem auf kurzem Wege. So würde die Einfügung folgenden Satzes in den Normtext der § 98 und 99 genügen: „Die Berufungsentscheidung ergeht mit Bescheid.“ Damit wäre ein – auch finanziell zumutbarer – Rechtsweg zu den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts eröffnet.

***

Dies wären nur ein paar erste Vorschläge. Sollten wir vielleicht die universitäre, akademische Zivilgesellschaft (über die regierungsamtlich besetzten und honorierten Gremien hinausreichend) einladen, weitere Vorschläge vorzubringen? Ist die Vorstellung, dass auf diesem Blog ein durch die Wissenschaftsgemeinde (und gerne auch unter Mitwirkung anderer Interessierter) gemeinschaftlich erstelltes und umfassend kommentiertes Reformkonzept entsteht, zu hoch gegriffen, eine zu optimistische Idee? Ich denke, es wäre den Versuch wert, ein solches Vorhaben zu lancieren – und damit einem EU-weit einzigartig autokratischen Universitätssystem ein durch freie Mitgestaltung konzipiertes Reformprojekt entgegenzustellen, das in positivem Sinne EU-weit ausstrahlen könnte.


Medienkommentare von Peter Hilpold zum Universitätsrecht und zur guten wissenschaftlichen Praxis (GWP):

„Die Uni-Gagendiskussion legt Grundprobleme bloß“, Die Presse, 18.08.16

„Nicht einmal ein fester Händedruck“, Wiener Zeitung, 07.02.23

„Gute Wissenschaftliche Praxis?“, Kurier, 10.02.23

„Die gute wissenschaftliche Praxis“, Wiener Zeitung, 09.05.23

„Unbehagen im Rechtsstaat“, Die Presse, 01.06.23

„Plagiate: Wer ist hier Jäger und wer Gejagter?“, Kurier, 23.09.23

„Es braucht eine Justizreform“, Die Presse, 28.09.23


Teil 1: 24 Forderungen an eine Novelle des österreichischen Universitätsgesetzes (UG)

Teil 3 und des Pudels Kern: Keine GWP- und Qualitätskriterien im zentralen § 13 zu den Leistungsvereinbarungen

1 Kommentare zu “Uni-Reform Teil 2: Weitere Expertenvorschläge für eine Reform des österreichischen Universitätsgesetzes (UG)

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  1. Andreas Slateff

    Berufung per Bescheid halte ich für keine gute Sache. Dann werden nur mehr Gerichtsverfahren ausgetragen, um potenzielle Konkurrekten zu behindern, und auch die Unis werden behindert, weil sie während der Dauer des Gerichtsverfahren die Stellen nicht besetzen können. Das kann dann schon mal gerne 3-5 Jahre dauern, bis der Rechtsweg ausgeschöpft ist. Wenn es dann noch an den EMGR geht, können auch schon mal gerne 10 Jahre vergehen. Diese Zeit hat niemand!

    Ich sehe das Problem weniger bei den Berufungen, sondern mehr darin, dass einmal berufene Professoren de facto
    sakrosankt sind: Auch bei schwerem wissenschaftlichem Fehlverhalten geschieht ihnen eigentlich nichts! Es müsste also viel strenger auf die Einhaltung der Guten Wissenschaftlichen Praxis geachtet werden, und schweres wissenschaftliches Fehlverhalten müsste Konsequenzen haben.

    Dafür sollten Politik, Energiewirtschaft, Hochfinanz und Umweltschutzverbände raus aus den Unis. Wissenschaftliche Mitarbeiter sollten sich auf die wissenschaftliche Arbeit konzentrieren können, und nicht am Dauergängelband und unter Einflüssen von Politik, Energiewirtschaft, Hochfinaund Umweltschutzverbänden sein.

    Heute ist es leider oft so, dass wissenschaftliches Fehlverhalten bei Professoren geduldet ist (es hat keine Konsequenzen!), aber wehe, jemand äußert etwas, das irgendeiner Ideologie widerspricht…

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