Die Wissenschaft hat also ihren – das Sommerloch perfekt füllenden – neuen weltweiten Skandal. Nachdem wir nun schon Publikationen misstrauen müssen (Plagiate, Ghostwriting, unethische Autorschaften, Datenfrisierungen bis hin zu Fälschungen und Erfindungen), nachdem wir Titel-Eigenangaben zunehmend oft misstrauen müssen (Titelmissbrauch, Grade aus Titelmühlen oder von dubiosen ‚Promotionsberatern‘), sind es nun auch noch die Konferenzen, deren Echtheit in Frage steht. Was bleibt jetzt eigentlich noch übrig, was ist jetzt noch unverdächtig in einem wissenschaftlichen Lebenslauf mit Publikations- und Vortragsliste? Was muss fortan alles wie geprüft werden?
Den wahren Skandal hat aber heute noch niemand ausgesprochen: Es handelt sich wohl auch um finanziellen Betrug in Milliardenhöhe. Das Recherchekonsortium rund um zwei NDR-Journalisten hat „nur“ die Metadaten der fünf größten Fake-Konferenzveranstalter und/oder Raubverleger ausgewertet: WASET, OMICS (ConferenceSeries), Sciencedomain, IOSR Journals und Sci-pub. Es handelt sich also um die Spitze des Eisbergs, viele kleinere wurden nicht erfasst. Und von den betroffenen rund 400.000 ForscherInnen auf solchen Konferenzen und in solchen Journals weltweit dürften viele städtereisende Stammgäste sein. Bei einem angenommenen Durchschnittspreis von 400,– Euro für die Teilnahme ergibt dies alleine 160.000.000,– Euro. 160 Millionen, die zum Fenster hinausgeworfen wurden und wohl zum weit überwiegenden Teil aus der öffentlichen Hand stammen dürften. Dazu kommen Hotel- und Reisekosten, die natürlich auch die Universität und damit der Steuerzahler berappen muss. Wir werden also schnell bei 300 Millionen oder mehr sein.
Doch damit nicht genug: Leistungsberichte der Universitäten (in Österreich: Wissensbilanzen) listen solche Vorträge und Papers auf; und Institute erhalten mehr Geld, je öfter ihre MitarbeiterInnen Vorträge halten und je mehr diese publizieren. Das heißt, dass sich über die Teilnahme an Fake-Konferenzen noch einmal zusätzliche Institutsmittel erschlichen wurden. Und das über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren.
Das ist Betrug und strafrechtlich relevant, wenn es mit dem Vorsatz der Bereicherung und Erschleichung geschah. Und einmal ganz im Ernst: Jeder denkende Mensch erkennt während des ersten Besuchs einer solchen Konferenz ihren wahren Charakter. Gerade der/die WissenschaftlerIn sollte sich durch kritisches Hinterfragen und den Willen zur Recherche auszeichnen. Aber es gab kaum einmal einen Aufschrei. Was ist das für ein Wissenschaftssystem?
Und man staune – das Thema war schon 2014 bekannt, Selbstversuch inklusive:
„In order to prove that the WASET is a fraudulent network the journalists of ‚Egypt İndependent‘ edition hastily prepared a study from clippings of Wikipedia articles and sent it to the academy. In 24 hours, the academy sent a reply that the work has been accepted and the authors will only have to pay $ 400.“ Quelle: panorama.am
Hunderttausende haben über Jahre mitgespielt. Ich sage nur: Pfui!