Der neue „Plagiatsverjährungsparagraf“ ist schon in der Regierungsvorlage ein erneutes Beispiel für ganz schlechte Legistik seitens des BMBWF. Der Murks hört einfach nicht auf.
Der neue § 89 Abs. 2 UG soll lauten:
„(2) Die Aufhebung und Einziehung des Verleihungsbescheides aufgrund eines Plagiats in einer Bachelor-, Diplom- oder Masterarbeit ist nur im Zeitraum von zehn Jahren ab dem Zeitpunkt der Beurteilung der Bachelor-, Diplom- oder Masterarbeit zulässig.“
Ich habe bereits kritisiert, dass damit nicht Seminararbeiten als Teilleistungen von Seminaren umfasst sind, was zur Folge haben würde, dass Plagiate in ranghöheren Masterarbeiten studienrechtlich verjähren würden, aber nicht in rangniedrigeren Seminararbeiten. – Man stelle sich etwa vor, ein Ghostwriter würde sich nach Absolvieren eines Studiums durch Person N.N. als heimlicher Verfasser einer Seminararbeit für N.N. outen, für die dieser vor mehr als zehn Jahren beurteilt wurde. Dies müsste zu einer Aberkennung führen, aber 40 Seiten Copy/Paste aus dem Internet würden dies nach mehr als zehn Jahren nicht mehr zur Folge haben!
Das Problem geht aber über Seminararbeiten hinaus: Selbst die Beurteilung schriftlicher, ja sogar mündlicher Prüfungen kann im Nachhinein für nichtig erklärt werden, wenn sich schwerwiegendes Fehlverhalten ex post herausstellt. Deshalb heißt es ja in § 73:
„§ 73
(1) Das für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständige Organ hat die Beurteilung mit Bescheid für nichtig zu erklären, wenn
1. […]
2. bei einer Prüfung oder einer wissenschaftlichen oder künstlerischen Arbeit die Beurteilung, insbesondere durch schwerwiegendes wissenschaftliches oder künstlerisches Fehlverhalten im Sinne des § 2a Abs. 3 Z 2 bis 5 HS-QSG, erschlichen wurde.“ (Hervorhebung in fett durch S.W.)
Die Nichtigerklärung einer Prüfungsleistung (eines Scheins) hatte über Jahrzehnte die Aberkennung des in der Folge erworbenen akademischen Titels zur Folge; der Studierende musste die entsprechende Prüfungsleistung wiederholen.
Das ganze soll nun nur mehr ab den Bachelorarbeiten gelten. Die geplante Einführung einer „Plagiatsverjährung“ führt damit dazu, dass der bestehende § 73 UG konterkariert wird.
Der Gesetzgeber beweist mit folgendem Satz aus den Erläuterungen, dass er die eigene Logik seines Universitätsgesetzes nicht verstanden hat: „Bachelor-, Diplom- oder Masterstudien werden im Kern nicht von der Abschlussarbeit bestimmt, sondern von einer Vielzahl an anderen Studienleistungen.“ Diese Aussage trifft nun aber auch auf jede Einzelprüfung zu, und damit gesteht der Gesetzgeber nur, dass § 73 insgesamt unverhältnismäßig sei. Man muss ergänzen: Urplötzlich.
Was für eine haarsträubende Dummheit, von Uniko-Präsident Oliver Vitouch auf Ö1 als „kluge“ Maßnahme gelobt und von Minister Polaschek in der ZiB2, wenngleich erkennbar mit etwas Bauchweh, verteidigt.
Man verliert so vollends sein Vertrauen in die Rationalität des Gesetzgebers und der Führungskräfte an den Universitäten.
PS: Man mag sich heute vielleicht noch nicht vorstellen, dass man Prüfungsleistungen in zehn Jahren als Schummeleien erkennen wird. Nun, man konnte sich 1996 auch noch nicht vorstellen, dass man Plagiate heute mit Software zuverlässig rekonstruieren kann…
Das Gesetz ist nur das Symptom, das eigentliche Problem ist die Verwaltung von digitalen und menschlichen Wissen an den Universitäten. Die Gesetzvorlage zeigt, das System aus dem 20. Jahrhundert zur Verwaltung ist praktisch zusammengebrochen. Eine Reform ist an der Zeit, so wie die Studiengebühren die Studenten getroffen haben, treffen die neuen Technologien die Verwaltung der Universitäten und damit deren Interessensgruppen.