Nun ist es also amtlich: Axel Spörl hat seine Promotionsurkunde gefälscht und alle – auch mir im persönlichen Gespräch berichteten – Fakten zu seiner Dissertation frei erfunden. Man muss sich das einmal vorstellen: Ein Mann in einer Spitzenposition im österreichischen Kulturbetrieb, mit mehr als 200 MitarbeiterInnen ‚unter‘ sich und einer Jahresgage von rund 200.000,– Euro (das verdient auch der bisherige Chef von „Art for Art“), der diese Zeilen zu seiner Dissertation einfach so frei erfindet:
„Im Kern betrachtet die Arbeit Regeln der Harmonielehre (Gestaltung von Mehrstimmigkeit) und Kompositionstechnik (Entwicklung von Phrasen und Melodien) aus mathematischer und physikalischer Sicht. Wie vermischen sich Frequenzkurven in der Mehrstimmigkeit? Welche mathematischen Muster (z.B. Rekursion, Inversion) finden sich in der Kompositionstechnik (z.B. beim Kontrapunkt oder Fugen) wieder?
Da die Hochschule für Tonkunst seinerzeit kein Promotionsrecht hatte, habe ich die Arbeit im Oktober 1995 an der Universität Würzburg, Fakultät für Mathematik und Informatik bei Prof. Vollrath verteidigt. Das Datum auf meiner Promotionsurkunde (Anlage 4) gibt den Tag der Verleihung an, das war der 6. Februar 1996. Abgabe und Rigorosum war im Oktober 1995.“
Man mag natürlich zynisch einwenden, dieses einmalige Talent zum Fabulieren qualifiziere für einen Job in der Kunst und Kultur. Aber so einfach ist die Sache nicht. Es gibt auch so etwas wie politische (Mit-)Verantwortung: Ich habe das Büro Lunacek und die Bundestheater Holding am 16. April 2020 mit dieser Sachverhaltsdarstellung vom möglichen Promotionsbetrug informiert. Am 19. April 2020 erhielt ich eine Mail des Bürochefs, mit Cc an Ulrike Lunacek, dass alles in Ordnung sei, die „aufgebrachten Bedenken“ hätten sich „zerstreut“:
Nun stellt sich die Frage, wie das möglich war. Wie gewissenhaft und genau agieren in solchen Verdachtsfällen Politik und Ministerium? Abgesehen von allen bereits vorgelegten Indizien enthält die lateinische Promotionsurkunde nämlich drei Fehler, wie mir zwei voneinander unabhängige Latein-Experten bestätigten (die gefälschte Urkunde lag zum fraglichen Zeitpunkt mir noch nicht vor, aber sehr wohl Lunacek!):
- Das Wort „Ordinus“ existiert nicht.
- Würzburg ist auf lateinisch übersetzt mit „Herbipolis“, aber nicht Regensburg mit „Ratisbona“.
- „cuius patria Regensburg“ ist ein Relativsatz ohne Prädikat, es fehlt das „est“.
Das stärkt nicht gerade mein Vertrauen in politische Entscheidungen in der Amtszeit Lunaceks. Angeblich war eine Seilschaft dafür maßgeblich, dass Spörl Erstgereihter wurde. Konkrete Namen aus der SPÖ werden genannt. Das riecht alles gar nicht gut. Eigentlich ein Fall für einen Untersuchungsausschuss. Dass die anderen Parteien bislang zu der Causa nichts gesagt haben, mag ein Indiz dafür sein, dass sie bei Stellenbesetzungen ähnlich vorgegangen sind und vorgehen. Oder auch Hochstapler in ihren eigenen Reihen sitzen haben. Ich will es nicht hoffen.