Rechtsdebatte um Höchstrichter-Professur an der Uni Salzburg: Erlaubt das UG erneut ein Schlupfloch?

Ein interessantes Posting eines Users namens „Martin Hitz“ erschien gestern zur auch hier im Blog diskutierten Geschichte des „Standard“ über einen Fall von mutmaßlichem Postenschacher und mutmaßlicher Diskriminierung an der Universität Salzburg. Wir wissen nicht, ob es sich beim Kommentator tatsächlich um den Martin Hitz handelt, den langjährigen Vizerektor der Universität Klagenfurt und nachnominierten Bewerber auf den Rektorsposten an der Universität Salzburg. Die weiteren Postings des Nutzers zu hochschulpolitischen Themen legen dies aber nahe. „Martin Hitz“ schreibt im „Standard“-Kommentarbereich:

Die scharfe Replik ließ nicht lange auf sich warten:

Wie bereits auch hier im Blog zitiert, steht in § 99 Abs. 1 UG:

Sollte hier nun formaljuristisch tatsächlich (wieder einmal im UG) ein Schlupfloch bestehen, wäre Höchstrichter Neumayr und Altrektor Schmidinger kein Vorwurf zu machen – außer der, dass sie eine womöglich unklare Formulierung „ausgenutzt“ hätten. Denn der Gesetzgeber hätte ja auch präzisieren können: „Eine Verlängerung der Bestellung oder Neubestellung derselben Person…“. Dann stellt sich aber die Frage, warum die Professur überhaupt zweimal unter neuem ‚Wording‘ ausgeschrieben wurde:

Man hätte dann gleich kommunizieren können: Verlängerungen sind unerlaubt. Neubestellungen derselben Person im Rahmen eines neuen Verfahrens schon. Punkt. Zu klären wäre dann allerdings auch, welchen Sinn dieser Satz im Kommentar macht: „Um den Spielraum des Rektors dabei zu vergrößern, hat die UG-Nov 09 die zwingende Befristung von zwei auf fünf Jahre verlängert.“ Der Kommentar hätte dann auch den Fall erwähnen müssen, dass es möglich ist, immer wieder dieselbe Person auf eine Professur mit einer geringfügig modifizierten Widmung zu bestellen.

So oder so ein spannender Fall, der die Hochschulrechtler fordern sollte. Steht am Ende eine VwGH-Erkenntnis zum Fall eines OGH-Höchstrichters?

11 Kommentare zu “Rechtsdebatte um Höchstrichter-Professur an der Uni Salzburg: Erlaubt das UG erneut ein Schlupfloch?

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  1. Peter Hilpold

    Unibert II:

    Aus gutem Grund ist die Berufung von Professoren in § 98 und 99 gesondert geregelt. Geht es hier doch (oder sollte es hier doch gehen) um eine – grundsätzlich internationale! – Bestenauslese, die grundsätzlich über ein regelkonformes Berufungsverfahren gemäß § 98 erfolgen SOLLTE. Wobei Unionsrecht eingehalten werden MÜSSTE.
    § 99 eröffnet einen – zeitlich befristeten – Sonderweg, aber eben keine Hintertür zur Umgehung von § 98.
    Okay: alles sollte, müsste, wäre. Und damit daraus ein Indikativ wird, BRÄUCHTE es eine Aufsicht!

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  2. Peter Hilpold

    Unibert: Grundsätzlich führe ich keine Diskussion mit Personen, die sich für Juristen halten, in wenigen Sätzen ernsthafte Zweifel daran aufwerfen, aber unter einem Nick gegen andere austeilen.
    Ich fühle mich aber dennoch verpflichtet, in der Lehre das nachzuholen, was Unibert (im Jusstudium?) möglicherweise versäumt hat:
    1. Wie wollen Sie ein zeitlich befristetes universitäres Arbeitsverhältnis „verlängern“? Mal nachdenken.
    2. § 99 ist insoweit unionsrechtswidrig, als diese Bestimmung ad-personam-Berufungen zulässt (mal in einem Einführungslehrbuch des Unionsrechts nachlesen, was es mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit auf sich hat, Tipp: Art. 45 AEUV).
    Sollte § 99 solche ad-personam-Berufungen gar nicht zulassen, sondern dies „nur“ eine gesetzeswidrige Praxis der Universitäten sein, dann ist diese Praxis zusätzlich noch unionsrechtswidrig.

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  3. Ralf Rath

    Insofern es gegenwärtig nicht darauf ankommt, anhand eines mathematischen Formalismus etwa in Gestalt eines noch so hochentwickelten KI-Modells die natürliche Sprache zu simulieren, sondern einzig und allein, eine mathematisch gewonnene Erkenntnis wie vor allem die physikalisch von Beginn an bis in die fernste Zukunft hinein gegebene Unbestimmtheit in natürlicher Sprache notwendig zum Ausdruck zu bringen, sind allen voran Juristen gefragt, solche zeitgenössischen Versuche, an die Stelle der bestehenden Gesellschaft etwas zu setzen, dessen Gesetzgeber und Machthaber dann Dritte wären, in die ohnehin vom Souverän gebotenen Schranken zu weisen. Angesichts dessen müsste ein OGH-Höchstrichter dazu eine Stellungnahme formulieren. Sich fortgesetzt in der zentralen „Frage von Leben oder Tod“ (Marx, 1872: 514, 2. Aufl.) in Schweigen zu hüllen, begründet jedenfalls keine Berufung auf eine Professur an der Universität Salzburg. Wenn man so will, könnte deshalb kritisiert werden, dass es in der in Rede stehenden Angelegenheit anscheinend nicht erforderlich gewesen ist, vorausgehend einschlägige Leistungen auf existenziellem Gebiet zu erbringen. Dabei hätte es vonseiten nicht zuletzt der Rechtswissenschaft schon genügt, „das Ihre, sei’s noch so Bescheidene, beizutragen, daß der Bann sich löse“, wie Theodor W. Adorno am 8. April 1968 am Beispiel der Soziologie längst öffentlich reklamiert.

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  4. Unibert

    Die Idee, dass „Verlängerung“ und „Neubestellung“ dasselbe wären, ist verwegen. Unten behauptet ein Rechtsprofessor überhaupt, dass § 99 UG 2002 unionsrechtswidrig wäre. Ist hier das Blog für kuriose Rechtsmeinungen?

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    1. Stefan Weber Beitragsautor

      Nun ja, jetzt haben wir zwei sich genau widersprechende Meinungen hier im Kommentarbereich. Können Sie die Ansichten, die Sie kritisieren, mit Argumenten (und idealerweise Rechtsquellen oder Literatur) widerlegen? Mir helfen weder „verwegen“ auf der einen Seite noch „abstrus“ auf der anderen Seite wirklich weiter.

    2. Unibert

      § 109/2 UG 2002 spricht ausdrücklich von „[e]ine[r] zweimalige[n] Verlängerung bzw. ein[em] zweimalige[n] neuerliche[n] Abschluss“ und unterscheidet damit eindeutig zwischen Neuabschluss und Verlängerung. Wenn „Verlängerung“ den „Neuabschluss“ miteinschlösse, warum hätte der Gesetzgeber dann dort unterscheiden müssen? Und zur Frage, ob § 99 UG 2002 unionsrechtswidrig ist, gibt es eine Behauptung in einem anderen Kommentar, die mit einem Festschriftbeitrag belegt wird, in dem die Unionsrechtswidrigkeit mit einer (behaupteten) Praxis der Universitäten begründet wird. Da würde ich bitten, die Belege anderweitig einzufordern.

    3. Stefan Weber Beitragsautor

      Zu § 109 Abs. 2 UG: „Eine zweimalige Verlängerung bzw. ein zweimaliger neuerlicher Abschluss befristeter Arbeitsverhältnisse von Personen, die dem wissenschaftlichen und künstlerischen Universitätspersonal gemäß § 94 Abs. 2 angehören, ist bis zu einer Gesamtdauer von acht Jahren unter Berücksichtigung von Abs. 1 zulässig.“ Toller Fund! Das würde ja nun m.E. bedeuten, dass die zweite Wiederbestellung von Herrn Höchstrichter Neumayr, die für nun, 2023, geplant war, jedenfalls unzulässig wäre, da seine maximale Frist 2021 abgelaufen ist, richtig? Die Kritiker an Neumayrs Bestellung hätten sich nur auf den „falschen“ Paragrafen berufen?

    4. Unibert

      Das ist das, was Hitz sagt. Es ist allerdings § 109/2 UG 2002 eine Neuregelung, deren Anwendung in § 143/83-85 UG 2002 detailliert geregelt ist.

    5. Stefan Weber Beitragsautor

      Oh. „§ 109 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 93/2021 tritt mit 1. Oktober 2021 in Kraft und ist auf Arbeitsverhältnisse anzuwenden, die ab dem 1. Oktober 2021 abgeschlossen werden. Bei der Feststellung der höchstzulässigen Gesamtdauer gemäß § 109 Abs. 9 sind auch Zeiten in Arbeitsverhältnissen zur Universität zu berücksichtigen, die vor dem 1. Oktober 2021 liegen, Zeiten gemäß § 109 Abs. 7 bleiben dabei unberücksichtigt. Im Ausmaß von bis zu vier Jahren bleiben ebenso Zeiten vor dem 1. Oktober 2021 unberücksichtigt, die während eines Doktoratsstudiums an derselben Universität in einem Arbeitsverhältnis verbracht wurden, das in einem untrennbaren inhaltlichen Zusammenhang mit dem Doktoratsstudium stand.“

      Jetzt bin ich als juristischer Laie am Ende. Was sagt der erste Satz aus? Wenn nun Neumayr 2023 erneut bestellt worden wäre oder wird, ist es dann ein Arbeitsverhältnis, das darunter fällt oder nicht? Zählt der Eintritt (2013, also das erstmalige „Arbeitsverhältnis“) oder das Datum der Neubestellung (2023, das dritte „Arbeitsverhältnis“)?

      Ist man eigentlich juristisch irgend wann mal am Endpunkt, oder geht das immer so weiter? 😉

    6. Stefan Weber Beitragsautor

      https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/i/2002/120/P109/NOR40175831?ResultFunctionToken=07ae0fd4-6fcf-4674-b5b1-61d14082e88f&Position=101&Abfrage=Bundesnormen&Kundmachungsorgan=&Index=&Titel=UG&Gesetzesnummer=&VonArtikel=&BisArtikel=&VonParagraf=&BisParagraf=&VonAnlage=&BisAnlage=&Typ=&Kundmachungsnummer=&Unterzeichnungsdatum=&FassungVom=01.01.2018&VonInkrafttretedatum=&BisInkrafttretedatum=&VonAusserkrafttretedatum=&BisAusserkrafttretedatum=&NormabschnittnummerKombination=Und&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=

      „(2) Eine mehrmalige unmittelbar aufeinanderfolgende Befristung ist nur bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die im Rahmen von Drittmittelprojekten oder Forschungsprojekten beschäftigt werden, bei ausschließlich in der Lehre verwendetem Personal sowie bei Ersatzkräften zulässig. Die Gesamtdauer solcher unmittelbar aufeinanderfolgender Arbeitsverhältnisse einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers darf sechs Jahre, im Fall der Teilzeitbeschäftigung acht Jahre nicht überschreiten. Eine darüber hinausgehende einmalige Verlängerung bis zu insgesamt zehn Jahren, im Fall der Teilzeitbeschäftigung bis zu insgesamt zwölf Jahren, ist bei sachlicher Rechtfertigung, insbesondere für die Fortführung oder Fertigstellung von Forschungsprojekten und Publikationen zulässig.“

      Sofern Herr Neumayr nicht unter „ausschließlich in der Lehre verwendetes Personal“ lief, müsste also schon seine zweite Bestellung 2018 unzulässig gewesen sein. Oder irre ich mich?

  5. Peter Hilpold

    In diesem Musterbeispiel schlechter Legistik (UG) ist § 99 Abs. 1 im hier relevanten Bereich ausnahmsweise dennoch eindeutig, will man nicht ein völlig abstruses Auslegungsergebnis herbeiführen: Verlängerung UND Neuausschreibung sind unzulässig!

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