Update 1: Wie ein E-Book-Publisher auf Amazon mit plumpem Copy & Paste verdienen will

Der gestern in diesem Blog aufgedeckte Skandal reicht offenbar weit über die Reihe „Hochschullehrer“ hinaus. Offensichtlich ist es dem Verlag gelungen, Texte zu vielen, wenn nicht gar zu allen Wikipedia-Schlagwortgruppen als „Bücher“ auf Amazon anzubieten – und Amazon listet das alles gleichwertig mit professionell lektorierter Literatur. Man kann nun der Meinung sein, auch auf Tonträgermärkten im Internet werden Bootlegs problemlos verkauft; und gedruckte Wikipedia-Artikel seien unter Beachtung der Lizenz-Bedingungen sogar rechtens.
Aber was wird der Textkultur hier angetan? Welchen Sinn haben zu Büchern eingefrorene Wikipedia-Artikel zum Tag und zur Stunde X? Freilich nicht den geringsten. – Und welches Signal geben diese „Bücher“ Schülern und Studenten? Wieder einmal jenes, dass die Textmengen aus dem Internet beliebig frei benutzt (und missbraucht) werden dürfen. Dass old-fashioned Printprodukte ohnedies nur aus dem Internet reinkopierte Texte enthalten. Dass ein Sammelband zu Konstruktivismus beim Fachverlag gleichwertig mit einem unredigierten Wikipedia-Sampling ist. (Wie der Screenshot zeigt, nimmt dieser textuelle Missbrauch schnell Formen des Absurden an.)
Der „Verlag“ bietet auch jede Menge älterer eingesannter Buchtitel an, bei denen das Urheberrecht bereits erloschen ist. Das Geschäftsmodell ist klar: Wenn bei tausenden Büchern nur jedes Dritte ein paar Mal bestellt wird, ist der Gewinn enorm. Das ist hoffentlich nicht das Web-2.0-Business, und Amazon ist zu raten, hier dringend Stellung zu beziehen. (Ich freue mich, dass einige Journalisten bereits an dem Thema arbeiten, dank meines Hinweises.) Die Forderung ist klar: Amazon muss solche „Verlage“ sperren und diese Angebote dringend aus dem Katalog nehmen. In jeder Buchhandlung im Real Life wäre es genauso.

7 Kommentare zu “Update 1: Wie ein E-Book-Publisher auf Amazon mit plumpem Copy & Paste verdienen will

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  1. Brigitte Ecker BA

    Die Artikel sind das geistige Eigentum der AutorInnen und die Wikipedia-Artikel sind nur für nichtkommerzielle Nutzung gedacht. Wikipress stellt anscheinend zum Selbstkostenpreis zur Verfügung. Sonst würde die Firma nicht viel billiger sein, als die Verlagsgruppen, die sich ungefragt Artikel rausscannen. Wenn jemand einen so beträchtlichen Gewinn macht, so hat er wenigstens die HauptautorInnen daran zu beteiligen. Ich verlange Honorar für jene paar Artikel, die ich angelegt bzw. erheblich überarbeitet habe. Darauf haben die HauptautorInnen ein Recht, schließlich hatten sie die Arbeit. Wenn der anonyme „Rezensent“ etwas zu verschenken hat, ist das sein Bier, aber ich hatte die Arbeit und die Verlage kassieren beträchtliche Gewinne, obwohl sich die Arbeit sicher fast von alleine erledigt.

    Übrigens: Ich bin ÖSI!!!!!!!

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  2. Rezensionist

    Weshalb sollte man für nachgedruckte bzw. nachveröffentlichte wiki-Texte Honorar bezahlen. Wer wikipedia als Autor/-in auswählt darf und kann nichts dagegen haben, wenn Dritte diese Texte für weitere Projekte, z.B. eben ein Buch, nutzt.
    Wer das nicht will, kann mittlerweile seine Texte auf andere Plattformen veröffentlichen, die von vornherein eine kostenlose Weiterverwendung untersagen bzw. nur gegen Honorar erlauben.
    Sammelklage gegen irgendwelche Verlage die wiki-Texte nutzen?
    Mal wieder typisch DEUTSCH!

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  3. Brigitte Ecker BA

    Allerdings schickte mir mein Ansprechpartner etwas in Juristendeutsch und scheint bis jetzt nichts unternommen zu haben. Wie wäre es mit einer Sammelklage gegen LLC? Von mir aus kann LLC meine Artikel verwenden, dann soll er aber von seinen saftigen Gewinnen einen angemessenen Prozentsatz an mich zahlen.

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  4. Caroline Kaiser

    Ich bin leider auch darauf hereingefallen, über Amazon bestellte ich ein Buch über die Comicfigur „Chilly Willy“, weil meine kleine Cousine ein großer Fan dieses Pinguins ist.

    Dann kam für rund $ 40 ein schlecht geklebtes und mies gedrucktes „Buch“, welches nur auf den ersten Seiten Wiki Artikel über Chilly Willy und Walter Lantz
    ( den Erfinder ) abdruckte. 90% des Buches waren mit Nonsens gefüllt, über ganz andere Cartoonfiguren oder Kekssorten (!).

    Da ist schon der Tatbestand des Betrugs erfüllt. Wenn ich eine Dose Tomatensuppe kaufe und in der Dose ist nur Leitungswasser, wäre diese Firma ruckzuck vom Markt verschwunden.

    Grundsätzlich finde ich es nicht schlecht, wenn jemand WIki Artikel auch gedruckt anbietet.
    Aber dann a.) günstig b.) gut gedruckt
    c.) passend zum Thema d.) redigiert

    Man hat ja bei LLC den Eindruck, daß Bots den Inhalt wahllos zusammenstellen.

    In Unibibliotheken hat dieser Schrott jedenfalls nichts zu suchen.

    Seriöse Buchhändler tun sich auch keinen Gefallen, wenn sie dieses Altpapier anbieten.

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  5. Marcus Cyron

    Das ganze ist zum Teil noch skuriler. Ich fand letztes Jahr ein Buch über ein mathematisches Thema, das unter meinem Namen (!) verkauft wurde. Es stellte sich raus, daß das ein Buch aus Wikipedia-Artikeln war und sich die Zusammensteller (sie sind nicht einmal die Zusammensteller gewesen, sie haben nur gespeicherte Zusammenstellungen des bitte nicht mit diesen Pseudo-Verlagen in einen Topf zu werfenen PediaPress-Verlages, also von Wikipedia-Autoren zusammen gestellte Bücher, genommen und sehr teuer angeboten, obwohl man diese Sachen bei PediaPress zu vergleichsweise kleinem Geld bekommt) einfach – wie auch immer gewählt – Realnamen in den Autorenlisten heraus gesucht haben und diese auf das Cover als Autoren gesetzt haben. Nun war ich quasi Autor für ein Mathematikbuch, ich der kaum eine andere Wissenschaft so wenig versteht, wie Mathematik. Aber offenbar habe ich mal irgendwann etwas in einem der Artikel gemacht, wohl Kategorien gesetzt.

    Problem für mich: wenn mein Name drauf steht, stehe ich auch für den Inhalt. Nach einer Beschwerde gibt es das Buch mittlerweile offenbar nicht mehr. Zum Glück. Denn etwas unter meinem Namen zu verkaufen, das ich nicht einmal autorisiert habe, halte ich für Betrug.

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  6. Fg68at

    Wenn in den Werke von LLC wenigstens ein wenig Liebe drinnenstecken würde, etwa in der Zusammenstellung. Aber das ist Fließbandproduktion.

    Und die gemeinfreien Werke, die sie abdrucken, versehen sie mit einem eigenen Coprightvermerk, und weisen nicht auf die Gemeinfreiheit hin.

    Ich stieß auf das gleichartige oder vielleicht sogar gleiche Unternehmen „Cambridge Scholars Publishing“ als ich im Jänner zur Editionsgeschichte der Psychopathia sexualis (Krafft-Ebing) forschte. Ich wunderte mich über die vielen Reprints. Keine einzige ihrer mehreren Ausgaben hatte eine genaue Angabe, welche Ausgabe dem Reprint zugrunde liegt.

    (Es gibt 14 deutsche Ausgaben von drei Autoren aus 26 Jahren. Aus drei Ausgaben wurden etwa 5 englische Übersetzungen angefertigt, die in insgesamt etwa 55 Ausgaben herauskamen, die wiederum teilweise jeweils mehrere Auflagen haben. Sonst gibt es 3 Französische, 2 Japanische, 1 Russische, 1 Polnische, 1 Chinesische, 1 Niederländische, 2 Italienische, 1 teilweise Spanische Übersetzung. Zusätzlich gibt es zwei sehr freie Bearbeitungen von Alexander Hartwich, wobei er oder sein Titel („Verirrungen des Geschlechtslebens“) in Biblibliothekskatalogen nicht immer genannt wird.)

    Da kommt mir ein Vergleichsansatz: Was bringt eine zu einem bestimmten Zeitpunkt eingefrohrene Psychopathia sexualis gedruckt?

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