Herr Minister Polaschek, es reicht! Akademie der bildenden Künste Wien erteilt wahnwitzigen Freibrief zum Plagiieren

Die Hochschulkorruption in Österreich hat einen neuen Höhepunkt erreicht. In einem Plagiatsfall mit 66 von Plagiaten betroffenen Seiten einer Dissertation und 71 meist komplett unzitierten Übernahmen aus Wikipedia sieht die Akademie der bildenden Künste Wien „keine Täuschungsabsicht“. Der Plagiatsfall wurde von VroniPlag Wiki vor mehr als einem Jahr publiziert. Die Akademie äußert sich nicht einmal dazu, ob aus ihrer Sicht überhaupt Plagiate vorliegen oder nicht.

„Keine Täuschungsabsicht“ ist mittlerweile in Österreich längst zur Killervokabel geworden, um mehr als berechtigte Kritik am Sittenverfall des akademischen Systems mundtot zu machen, um die Universitäten vor vielleicht mühsamen Rechtsstreitigkeiten zu bewahren und um Betreuer reinzuwaschen, die nicht zur Plagiatsdetektion fähig oder willig sind (in diesem Fall sind es ja Promis wie Peter Sloterdijk, Elisabeth von Samsonow und Diedrich Diederichsen).

Die „Täuschungsabsicht“ muss aus der Legistik raus. Sie lässt sich schließlich nicht einmal mit einem Lügendetektor eindeutig feststellen. Das ist so alles Humbug. Auch die schwerwiegende Nicht-Compliance mit Zitierregeln muss zu einer Aberkennung des akademischen Grades führen können. Alles andere ist keine Novelle des Universitätsgesetzes, sondern schützt Betrüger. Es darf nicht länger um die subjektive Tatseite gehen, sondern um die Täuschung des Lesers.

Ein Beispiel statt vieler von VroniPlag Wiki: Das ist also keine Täuschungsabsicht!

Die Akademie der bildenden Künste Wien teilte gestern mit:

„Die zur Diskussion stehende Dissertation von Yana Milev mit dem Titel Emergency Empire – Transformation des Ausnahmezustands aus dem Jahr 2008 wurde von der Akademie der bildenden Künste Wien, begleitet von der Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität (ÖAWI), auf den Vorwurf des Plagiats hin geprüft. Als Gutachter_innen konnten je ein_e Professor_in der Universität für angewandte Kunst Wien und der Züricher Hochschule der Künste zur externen Prüfung gewonnen werden. Nach deren Empfehlung hat die Kommission, bestehend aus einem internen Rechtsexperten, einem Professor der Universität für Musik und darstellende Kunst sowie einer Vertreterin der Professor_innenschaft der Akademie und der Vizerektorin Ingeborg Erhart, nun wie folgt entschieden:
Die Kommission zur Überprüfung des Plagiatsvorwurfs gegen Yana Milev stellt fest, dass basierend auf den beiden eingeholten unabhängigen Gutachten keine Täuschungsabsicht als Voraussetzung für eine Nichtigerklärung der Beurteilung wegen Erschleichung gemäß § 73 Abs. 1 Ziffer 2 Universitätsgesetz 2002 – UG nachweisbar ist und somit keine hinreichenden Gründe für den Entzug des Doktortitels vorliegen.

Wieder einmal hatte also die ÖAWI ihre dreckigen Finger im Spiel. Alleine schon die Wahl der Gutachter verweist auf die Absicht der Verfahrensmanipulation in Richtung Verharmlosung. Ein Professor der Universität für angewandte Kunst Wien, der Nachbar-Kunst-Uni also. Und ein Professor der „Züricher Hochschule der Künste“, die übrigens richtig „Zürcher Hochschule der Künste“ heißt. Die überprüfte Person war dort selbst als Forschungsprojektleiterin tätig, laut Eigenquelle sogar sechseinhalb Jahre. Das soll bitte ein objektives Verfahren sein? Soll ich lachen oder weinen?

Das ist alles so krank, das darf nicht wahr sein. Die Entscheidung zeigt mustertypisch und ein für allemal, wie verlogen und korrupt der Hochschulstandort Österreich ist. „Something is rotten in Austria.“ Die Zustände sind seit 2008 nicht besser geworden.

5 Kommentare zu “Herr Minister Polaschek, es reicht! Akademie der bildenden Künste Wien erteilt wahnwitzigen Freibrief zum Plagiieren

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  1. Vermutlich...

    …verstehe ich sie (oder denke es zumindest):

    Das bedeutet, dass zahlreiche, wesentliche Plagiatsstellen – also schwerwiegendes Plagiieren gar nie erst Täuschung sein müsste, es würde genügen, dass Voraussetzungen nicht bestanden hatten – ich denke, das war doch so im Fall Guttenberg im bayerischen Hochschulrecht, oder?

    Und im zweiten Fall hätte dann wohl auch Herr Hahn seinen Doktorgrad verloren, denn da gab es die „schwerwiegende Nicht-Compliance mit Zitierregeln“, die sie hier erwähnen?

    Ich glaube aber, dass der Anspruch der Täuschungsabsicht (für die Aberkennung, nicht für die Feststellung eines Plagiats) nicht den „Betrüger“ schützen soll, sehr wohl aber den „Deppen“ – ich meine sie sollte jene Studierende „schützen“, die schlecht oder schlampig gearbeitet hatten, weil chaotisch, schlecht gelernt oder betreut. Sie schreiben ja selber, dass schlechte Wissenschaft ja noch kein Plagiat sei. Somit würde ich sie bestehen lassen, um Willkür ganz generell die Stirn zu bieten.

    Im Fall Hahn wäre es dann sehr wohl ein Grenzfall – dermaßen schlampig kann dann durchaus bedeuten, dass Täuschungsabsicht in Kauf genommen wurde.

    Es geht vielleicht um Folgendes: (?)

    Ehrliche Fehler beim Zitieren und schwache Wissenschaft sollte im Nachhinein nie zu Aberkennung führen können.
    Wesentlicher Vorsatz und massives in Kauf nehmen von Fehlern dagegen immer.
    Und dazwischen? Wird es wohl immer eine Ermessensentscheidung der Unis bleiben müssen? Und das immer auch je nach Arbeit und Anspruch.

    Ihr Stufenmodell zum Schweregrad des Plagiieren kann hier etwa zu Einsatz kommen.

    Bei älteren Arbeiten gelten die damaligen Regeln und Bestimmungen natürlich.

    In Zeiten von KI ist es vielleicht aber ratsam, wissenschaftliches Arbeit anderes – vielleicht auch mit Hilfe der KI – zu lernen (neue Aufgabe für GWP?), stärker auf fachliche Prüfungen (weniger, aber gelesene Arbeiten sind mehr) zu setzen und Aufnahmeverfahren für MA Studien einzuführen. PhD Programme dann nur noch in Graduate Schools…?

    mit besten Grüßen
    VM

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  2. Ralf Rath

    Insofern es im Alltag stets nur darum gehen kann, die „Kunst des rechten Lebens und Sterbens“ zu praktizieren, wie der spätere und inzwischen zu Tode gekommene Papst Benedikt XVI. am 8.1.2000 in einem Gastbeitrag für eine deutsche Zeitung schon damals angemerkt hat, mutet es heutzutage geradezu absurd an, wenn Kunststudenten in Österreich, die es darin am wenigsten zu einer Meisterschaft gebracht haben, für ihr schieres Unvermögen mithin sogar höchste akademische Grade verliehen sind. Angesichts dessen tut es in der Tat mehr als Not, ein Universitätsgesetz zu kritisieren, das mit Macht solch eine völlige Verkehrung auch noch gutheißt.

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  3. Sven Schroder

    Die „Bildende“ hat immerhin sehr zügig geprüft und entschieden, aber was will die „Bildende“ machen, wenn man keine Täuschungsabsicht nachweisen kann? Die dokumentierten Plagiate sind folglich „Wurscht“ und kein Thema. Auch hübsch: Die „Plagiierende“ kann sich nun als Opfer (einer Kampagne) stilisieren und auf die „Integrität“ ihrer Wikipedia-Dissertation hinweisen und behaupten: „Keine Täuschungsabsicht bedeutet keine Plagiate“. Wunderbar!

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    1. Stefan Weber Beitragsautor

      Ja, das sind die Schlussfolgerungen, die wir so lieben. Keine Titelaberkennung, da keine Täuschungsabsicht. Keine Plagiate, da keine Täuschungsabsicht. VroniPlag Wiki hat sich geirrt, da keine Plagiate!

  4. Andreas Sucher

    Das UG ist für den Papierkorb, das ist ohnehin klar. Was ich mich frage ist, ob hinter diesen Regelungen (etwa zur „Täuschungsabsicht“) legistisches und sachliches Unvermögen steckt oder Absicht. Egal, damit fahren einige sehr gut und wer gegenwärtig das Heft in der Hand hat, wissen wir.
    Man kann nur auf die Zeit nach den nächsten Wahlen hoffen. Keine Garantie, dass sich da was ändert, aber eine Hoffnung.

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