ÖAW-Veranstaltung plädiert für Eingliederung von „Anti-Genderismus“ in die Rechtsextremismusforschung

Erstaunliches ist auf einem Flugblatt zu lesen, das das Logo der altehrwürdigen Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) trägt:

„Da es sich bei ‚Anti-Genderismus‘ um einen interdisziplinären Untersuchungsgegenstand handelt, wird plädiert, diesen unter dem Dach einer feministischen Rechtsextremismusforschung zu betrachten.“

Das forderten drei Wissenschaftlerinnen der Universitäten Wien, Innsbruck und Gießen bei einer Lecture, die die ÖAW vor wenigen Tagen in ihrem Theatersaal in Wien veranstaltet hat.

Ich frage mich, warum der akademische Diskurs immer polarisierender wird. Abgesehen davon, dass in dem zitierten Satz Bedingung und Bedingtes logisch nicht stimmen (aus der Tatsache, dass etwas ein interdisziplinärer Untersuchungsgegenstand ist, folgt doch keineswegs, dass er unter das Label der Rechtsextremismusforschung zu fallen hat), transportiert der Satz konnotativ eine gefährliche Immunisierungslogik: Wer gegen Gender(n) ist, ist (eigentlich) ein Rechtsextremer.

Ich weiß nicht mehr, was da argumentativ/diskursiv los ist, aber so laufen wir intellektuell vollends gegen die Wand und machen alles kaputt. Weiße Männer müssen dabei tatenlos zusehen, wie sie zum neuen Feindbild an den Universitäten werden – wegen ihres Geschlechts und ihrer Hautfarbe. (Alleine mein letzter Satz wäre wahrscheinlich ein „anti-genderistisches“ Vorkommnis und würde damit gemäß der falschen Logik der Kolleginnen unter die Rechtsextremismusforschung fallen.)

Ebenso unglaublich der Satz:

„Maskulinistische Identitätspolitik ist als Kampf gegen ‚Gender‘ eingebettet in eine Strategie, muskulär-aggressive weiße Männlichkeit zu re-souveränisieren […].“

„Muskulär-aggressive weiße Männlichkeit“? Was ist da nur los, warum läuft der Diskurs so schief? Abgesehen von den unerträglichen Stereotypen, die hier reproduziert werden (auch Frauen können Muskeln haben, oft sogar mehr als Männer!), findet hier eine Angriffsrhetorik statt, die einen Schaudern lässt. Man darf sich nicht mehr wundern, dass der Schauplatz Israel versus Hamas ähnlich emotional aufgeladen ist.

Universitäten werden offenbar immer weniger Schauplatz eines rationalen Diskurses, sondern von polarisierenden Stimmungsmachern. Sie werden zu Orten, für die sich die Schulen schämen müssen. (Letztere Aussage betrifft längst auch die Ignoranz des Plagiatsproblems durch Universitäten.)

Dass die ÖAW dem Ganzen eine Plattform bietet, ist verstörend und skandalös.

8 Kommentare zu “ÖAW-Veranstaltung plädiert für Eingliederung von „Anti-Genderismus“ in die Rechtsextremismusforschung

Neuen Kommentar verfassen

  1. Kelborn

    Ein politisches Problem: Je nach Quelle ist heute dieses „Forschungsgebiet“ eines mit hoher Dotierung (hier findet mal alles zwischen 120 und 220 Professuren in Deutschland und damit so viele wie für etablierte Fächer – man weiß die genaue Zahl allerdings auch einfach nicht, wie eine Anfrage im Bundestag ergab: https://dserver.bundestag.de/btp/20/20108.pdf#P.13098). Kenne persönliche Personen, die ihre Forschung darauf ausgerichtet haben, weil da eben plötzlich Geld im Spiel war. Je radikaler die Idee, desto besser. Heute findet man plötzlich in Fächern wie der alten Geschichte irgendwelche Gender-Spezialistinnen. Scheint ein furchterregender Trend zu werden.

    Antworten
  2. nömix

    @ »rechtsextrem, maskulinistische Identitätspolitik, muskulär-aggressive weiße Männlichkeit, usw. blabla… «:
    Ob den Spezis von der ÖAW etwa entgangen ist, dass in sämtlichen Umfragen & Statistiken auch die Mehrheit der Frauen sich ebenso gegen das Gendern ausspricht? Was also soll der Blödsinn mit der muskulären Männlichkeit usw.? Das ist doch unsinniges Geschwätz.

    Antworten
  3. Ralf Rath

    Manche betrachten es zwar als einen Verlust, aber mitunter liegt darin ein enormer Gewinn, wenn das Englische im Vergleich zum Deutschen einfacher und kürzer ist. So erkennt vor allem die Vorsitzende des für Bildung zuständigen Ausschusses im Parlament der Vereinigten Staaten von Amerika anlässlich einer Anhörung von Vertretern der Universität Harvard, der Universität von Pennsylvanien und des MIT erst jüngst, dass es alles entscheidend ist, „to delineate … right from wrong“. Insofern es ohnehin längst klar ist, dass der „letzte Grund“ (Leibniz, 1714: § 37) sich stets einer positiven Bestimmung entzieht, sind dadurch sämtliche Versuche, ihn dennoch auf den Begriff zu bringen, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Angesichts dessen liegt es offen auf der Hand, was die Momente eines richtigen Lebens vom gesellschaftlich Falschen unterscheiden. Es erübrigt sich dann schon im Ansatz, sich mit dem auseinanderzusetzen, was unter der Überschrift des so genannten „Genderns“ gegenwärtig im Schwange ist. Es spricht daher nicht für die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), fortgesetzt schierer Zeitvergeudung den ihr noch nie gebührenden Raum zu geben.

    Antworten
  4. JCAigner

    Ich denke, und das zeigt sich auch gerade wieder in einer österreichischen Studie zur Ablehnung des Genderns, dass es die dogmatischen, von oben herab belehrenden Diktate zum Gendern sind, die die Rechte und den Rechtsextremismus befeuern und nicht die KritikerInnen (unter denen es natürlich auch rechtsextreme gibt).
    Zur Frage der Männerpolitik gibt es ohnehin kaum rationalen Spielraum zur Diskussion…

    Antworten

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Die maximale Dateigröße für den Upload: 20 MB. Sie können hochladen: Bilddatei, Dokument, Spreadsheet, Textdatei. Links zu YouTube, Facebook, Twitter und anderen Dienstanbietern werden automatisch eingebunden. Dateien hierhin ziehen