Soeben lese ich die Dissertation eines bekannten österreichischen Politikers. Und siehe da, ich entdecke schon wieder eine neue Variante der rätselhaften Textverwertung. Die Arbeit ist von Seite 1 bis Seite 182 nicht nur wort-, sondern auch gleich satz- und seitenspiegelidentisch mit einer Ministeriumsstudie, die der damalige Dissertant gemeinsam mit einem anderen Wissenschaftler einige Monate zuvor veröffentlicht hatte. Auf Seite 1 findet sich aber lediglich der Hinweis, dass die Dissertation auf ebendieser Studie „fußt“. Der Leser erfährt nicht, dass die Dissertation und die Studie ab Seite 1 Mitte bis Seite 182 identitätstheoretisch schlichtweg zusammenfallen. Das nennt man unethische Autorenschaft, da in der zugrunde liegenden Originalstudie zwei Autoren gleichberechtigt genannt wurden – und dies ohne Angabe einer spezifischen Arbeitsaufteilung. Und das nennt man auch Selbstplagiat, weil eine bereits eingereichte und veröffentlichte Auftragsstudie als Dissertation zweitverwurstet wurde. In der Dissertation wurden übrigens nur ein paar Unterkapitelnummerierungen adaptiert, und zwar offensichtlich manuell. Also Schere und Kleber als Vorläufer von Strg, C und V; Cut-Up-Technik vor Copy and Paste. Man staunt selbst immer wieder… Freilich mag das hochschulrechtlich irrelevant sein, aber ist es wissenschaftlich voll und ganz redlich? – Doch wer ist eigentlich der Spitzenpolitiker, von dem Ihr werter Plagiatsgutachter da schreibt?
„Freilich mag das hochschulrechtlich irrelevant sein, aber ist es wissenschaftlich voll und ganz redlich?“ – haette er nicht „fusst“ geschrieben, waere doch alles in Ordnung.
Im Ingenieurwissenschaftlichen Bereich entstehen 90% der Dissertationen in Deutschland auf diese Art und Weise: Forschung ist kein Selbstzweck, sondern loest meistens ein Problem fuer das ein Auftraggeber zahlt. Die Dissertation folgt dann meistens der Studie.
So lange das klar und deutlich gesagt wird, ist das aus meiner Sicht auch kein Problem.
Wenn Sie es nicht wissen, wer dann?