Seit mehr als 30 Jahren denke ich nach, ob es möglich und sinnvoll ist, „nicht-objektierend“ zu denken, wie dies der österreichische Philosoph Josef Mitterer vorgeschlagen hat. Das Thema war schon in meiner Dissertation und in meiner Habil-Schrift prägend. Es handelt sich entweder um Schabernack (dann müsste er widerlegbar sein) oder um eine Grundlagen-Revolution. Meine Kritik an der Start-Unterscheidung von Name vs. Ding in Platons „Kratylos“ wurde nun vom Velbrück Magazin publiziert.

Es handelt sich um meine bisher wichtigste Arbeit, die alle philosophischen Gehversuche vor meinem ersten Band zum „Radikalen Lingualismus“ (erschienen 2022 bei Velbrück Wissenschaft) für Schrott erklärt.
Interessant ist, dass sich die unhinterfragt vorausgesetzte Unterscheidung von Namen und Dingen auch jeweils in den Anfängen der indischen und der chinesischen Philosophie findet, und zwar in Indien bei Yāska (im „Nirukta“) und in China bei Mozi (im „Mohistischen Kanon“) – in China übrigens stärker expliziert als in Indien, Indien ist da schon damals etwas „non-dualistischer“ gewesen. Da bin ich erst diesen Sommer draufgekommen. Die Unterscheidung war also zu Beginn des philosophischen Denkens in allen wesentlichen Kulturen einfach da und wurde nicht weiter problematisiert. Man könnte fast sagen: so wie die Unterscheidungen, dass es Himmel und Erde gibt, Götter und Menschen oder ein Leben nach dem Tod und ein Leben vor dem Tod. (Davon mehr in Band 3 zum „Radikalen Lingualismus“ im nächsten Jahr, wieder bei Velbrück Wissenschaft – in diesem Verlag erscheinen auch die Bücher von Josef Mitterer.)
Das Killer-Argument gegen Mitterer (und mich, sofern ich Mitterer nunmehr endlich ‚bedenkenlos‘ folgen will) ist bekanntlich: Das Universum ist viel älter als die Sprache. Also stimme die Unterscheidung von Sprache und Wirklichkeit. Sie wurde ca. im 5.-4. Jhdt. v. Chr. vielleicht stillschweigend vorausgesetzt, aber spätestens im 20. Jahrhundert naturwissenschaftlich endgültig bewiesen. Das ist das Kernargument der Neuen Realisten wie Meillassoux, Boghossian, Gabriel u.a.
Dem hält Mitterer nun entgegen: Die Benennung ist immer zuerst (oder von mir aus die Einheit von Wort und bezeichnetem Ding, hier also nun „Ding“). Die Unterscheidung von Benennung und Ding kann logisch wie zeitlich immer erst danach kommen.
Mitterer schrieb schon in den allerersten Zeilen seines Hauptwerks „Das Jenseits der Philosophie“ (1992, S. 11):
„Der Problemkanon der Philosophie, vor allem jener der Erkenntnistheorie, hat sich seit Platon nur wenig verändert. Die Probleme haben die Versuche, sie zu lösen, überdauert.“
Mitterer sagt nun, dass das daran liegt, dass man im Gefolge Platons stets zwischen Sprache und Wirklichkeit kategorial unterschieden hat. Dieser Forschungsfrage habe ich mich nun ausführlich gewidmet.