Der Klassiker der Plagiatsprüfung ist ja immer noch die Dissertation, die zwischen ca. 1975 und heute verfasst wurde. In den vergangenen Monaten hat sich allerdings das Geschäftsfeld Ihres werten Plagiatsgutachters mehr oder weniger ‚von selbst‘ erweitert:
* Zunehmend kamen die Anfragen und Aufträge auch aus der Wirtschaft: Von plagiierten Unternehmenswebsites über Imagefolder bis zu Projektexposés und Patentschriften. Interessant und neu war die Erfahrung, dass mitunter auch dort plagiiert wird, wo es gerade um den Schutz geistiger Eigentumsrechte gehen sollte. Ein Auftrag erforderte das Einbeziehen und Bewerten von Lizenzvereinbarungen – ein spannendes neues Betätigungsfeld jenseits des akademischen Plagiarismus. Ihr Plagiatsgutachter stellt somit klar: Er ist auch hiefür zuständig.
* Zunächst erschienen mir Anfragen zu plagiierten Handtaschen, Sportschuhen u. ä. Produkten kurios und ich war verwundert, dass man mich hier kontaktierte. Bei einer Anfrage wurde ich auf folgendes hingewiesen: Ebay mailt allen, die mutmaßliche Produktplagiate melden, diese Empfehlungen: „1. Bitte wenden Sie sich an einen Händler, Sachverständigen, Gutachter oder eine andere unabhängige Organisation. 2. Lassen Sie sich bitte schriftlich die erhebliche Abweichung von der Produktbeschreibung bestätigen. […]“ Offensichtlich gibt es noch keinen professionellen Gutachter oder Sachverständigen für Produktplagiate, weshalb ich kurzerhand beschlossen habe, auch dieses Geschäftsfeld ab sofort zu übernehmen, insoweit ich Abweichungen mit Bildersuchen verifizieren kann.
* Gutachten über Gutachten (‚Gutachten zweiter Ordnung‘): In einem Fall hatte ich ein Gerichtsgutachten gerichtsfest auf Plagiate zu überprüfen. Der Fall zeigte mir: Auch Gerichtsgutachten müssen die grundlegenden Standards der Referenzkultur beachten und vor allem urheberrechtlich unangreifbar sein. Auch hier tut sich womöglich ein neues Geschäftsfeld auf: Gutachten von Sachverständigen (Wirtschaft, Medizin, Psychologie,…), die vom Textsachverständigen geprüft werden. – In Salzburg wurde einmal ein Fall aufgedeckt, bei dem ein Gutachter immer wieder sich selbst plagiiert hat.
* Neu waren und sind für mich weiter Fälle, bei denen stilometrische Beurteilungen bzw. authorship verifications vorzunehmen sind: Ihr Gutachter erhält Texte und Referenztexte und soll nun beurteilen, ob alle Texte aus einer Hand stammen. Hier kann Text-mit-Text-Vergleichssoftware wertvolle Unterstützung leisten. Das Spektrum der Überprüfungen reichte vom Ghostwriter-Verdacht (immer schwierig!) bis zum anonymen Schreiben, das einer Autorschaft zugeordnet werden soll.
* Am nachhaltigsten erscheint mir aber derzeit die Zusammenarbeit mit einem Dresdner Unternehmen, das eine neuartige Texterkennungs- und intelligente Plagiatserkennungssoftware (inkl. Synonymplagiatsdetektion) marktfähig machen will. Einen Prototypen dieser Software setze ich bereits probehalber seit einiger Zeit bei nahezu allen Plagiatsprüfungen ein.
Seine Mission sieht Ihr werter Plagiatsgutachter in Zukunft dann nicht mehr im öffentlichen Aufdecken von Fällen, sondern im professionellen Unterstützen in den Bereichen der Plagiatsprävention und -detektion. Das Problem wurde von mir, VroniPlag (dort übrigens gerade Fall Nr. 64!) und Co. nun mit aller Deutlichkeit aufgezeigt. Jetzt geht es darum, dass die öffentlichen Institutionen auch Farbe bekennen, wenn man den konstruktiven Dialog (wieder) sucht: für eine ehrliche Wissenschaft, lückenlose Plagiatsprävention und -detektion und eine Einhaltung der grundlegenden Arbeitstechniken.
Off topic und aus reiner Neugier: kommt die Erteilung einer ISSN mit weitergehenden Auflagen einher? Hier scheinen gelegentlich Artikel zu verschwinden, was in „traditionellen“ Publikationen ja doch eher unüblich ist. Konkret glaube ich mich ich an einen zu erinnern, zeitlich zwischen diesem und der „Krassen Fehlentscheidung“ gelegen, in dem Sie eine seltsame 180-Grad-Wende bezüglich Bauernopfer-Plagiaten vollzogen.
Die Aufgabe und ihre Dimension ist immens. Chapeau! Diese Unart des c&p erstreckt sich bis in Zeitschriften und wird noch zusätzlich gefördert, wie dann Institutionen, wie die TU Dresden, gegen jede hRm dann eine Art „Kernbestand“ definieren, der Arbeiten dann trotzdem „höhere Weihen“ verschafft oder sie ihnen belässt. Über Ihre schätzenswerte Arbeit hinaus – „das Imperium schlägt zurück“, derzeit jedenfalls – bleibt es aus meiner Sicht dabei: NN (Name vom Administrator gelöscht) und NN (Name vom Administrator gelöscht) haben plagiiert. Jedenfalls nach allen geltenden Kriterien „guter wissenschaftlicher Praxis“.
„Zwei plus zwei ist gleich vier“, selbst wenn alle Kommissionen dieser Welt feststellen würden, dies sei fünf. Oder jenes krude Gesetz in Indiana (USA), welches zum Recht erklärt, die Kreiszahl Pi sei gleich vier (Indiana-Pi-Bill).
Und ich gehe davon aus, dass meine ganz persönliche Meinung – und deren Veröffentlichung – weder von irgendwelchen Unterlassungsansprüchen gedeckt ist (die sich auf mich ohnehin nicht erstrecken können), noch etwa, auch Sie nicht, an deren Veröffentlichung hindern (was dann die Einführung von Inquisition bedeuten würde): Das ist eine, meine, nach Art. 5 Grundgesetz geschützte Meinungsäußerung.
„Wehret den Anfängen“, Bertolt Brecht lässt grüßen.
Bleiben Sie stark!
Ihr MitigationMeasure.