Nun also Folge 3 von mir auf YouTube zur Philosophie Josef Mitterers. Nachdem Folge 1 mit zwei vermeintlichen neuen infiniten Regressen anhob und Folge 2 mit Wittgensteins Aspektsehen (und Mitterers Weiterentwicklung), geht es in Folge 3 um diese Themen:
- Wie reden Nondualisten?
- Visualisierung von zwei Analogien von Josef Mitterer: (1) Wie kommt es im Nondualismus zu neuen Beschreibungen? und (2) Vorgängigkeit der Beschreibung vor der Behauptung der Existenz eines Objekts vor der Beschreibung
- Advocatus diaboli: Verteidigung der „sprachverschiedenen“ Realität, Kritik des Nondualismus
- Nondualismus und Zeit(-pfeil)
Herzstück der Lecture sind die beiden „Mittererschen Analogien“ Straßengabelung und Zugankunft aus seinem Hauptwerk „Das Jenseits der Philosophie“ (1992/2011), die genau so nach einer eigenen Erörterung verlangen wie die beiden „infiniten Regresse“, die Mitterer im dualistischen Denken (mit seiner Unterscheidung von Sprache und Wirklichkeit) identifiziert haben will (siehe Folge 1).
Zu Analogie 1 (Straßengabelung) schreibt Mitterer („Das Jenseits der Philosophie“, 1992, zitiert nach der Neuauflage 2011, S. 55 f.):
„Indem die neutralistisch wirkende Ausgangsbasis die beiden einander widersprechenden Beschreibungen ‚Der Tisch, der in der Ecke steht, ist rund‘ und ‚Der Tisch, der in der Ecke steht, ist eckig‘ zulässt, kann eine Entscheidung für oder gegen eine (oder beide) dieser Beschreibungen durch einen Bezug auf die Ausgangsbasis nicht herbeigeführt werden. Das gemeinsame Objekt der beiden Beschreibungen (nämlich die Beschreibungen so far, die übereinstimmen) ist mithin als (Erkenntnis-)Entscheidungsinstanz untauglich.
(Analogie: Eine Straße gabelt sich. Der Verlauf der beiden dann divergierenden Straßen kann durch einen Bezug auf die gemeinsame Ausgangsstraße nicht gerechtfertigt werden.)“
(Visualisierung Weber 2010)
Zu Analogie 2 (Zugankunft) schreibt Mitterer („Das Jenseits der Philosophie“, 1992, zitiert nach der Neuauflage 2011, S. 75 f.):
„Die Beschreibung ‚Die Erde war schon vor der Beschreibung ‚Die Erde ist älter als die Menschheit‘ älter als die Menschheit‘ ist eine Beschreibung der Erde, die älter ist als die Menschheit. Und diese Beschreibung kann erst nach der (Rudimentär-)Beschreibung ‚Die Erde ist älter als die Menschheit‘ erfolgen.
(Analogie: Seit der Ankunft des Zuges in Wien kann behauptet werden, dass der Zug vor der Ankunft in Wien woanders gewesen ist. Aber dies kann nicht vor der Ankunft des Zuges in Wien behauptet werden.)“
(Visualisierung Weber 2010 mit „Apfel auf dem Tisch“ statt „Erde älter als die Menschheit“; verbessert 2023)
Besonders Analogie 2 hat es in sich: Ein bisschen so etwas wie die Relativitätstheorie oder Umkehrung der Denklogik in der Sprachphilosophie. – Nur leider, ich muss es immer wieder sagen, gibt es kaum eine Auseinandersetzung mit diesen Ideen in der akademischen Mainstream-Philosophie, und schon gar keine mit Tiefgang.