Früher, so wurde mir berichtet, mussten Dreiervorschläge für neue Professuren an das Ministerium geschickt werden, und dieses hat dann entschieden. Wahrlich finstere Zeiten! – Aber immerhin habe ich nun verstanden, warum ich von 1989 bis 1996 unter einem schwarzen und einem roten Ordinarius sowohl am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft als auch am Institut für Politikwissenschaft der Universität Salzburg studieren durfte. Diese Dichotomie wiederholte sich sogar bei den „Professoren auf Zeit“! Das waren halt noch geordnete Verhältnisse, als Österreich in eine rote und in eine schwarze Reichshälfte aufgeteilt war, mit einer kleinen Insel für die damals emporkommenden Grünen und den Blauen in einigen Nischen. Der Geist der Besatzungszeit quasi, umgemünzt auf Parteifarben.
Dann kam ja die Zeitenwende, das neue Jahrtausend und damit das Universitätsgesetz (UG 2002), ein Produkt der ÖVP-Ära unter Kanzler Wolfgang Schüssel und Wissenschaftsministerin Elisabeth Gehrer. Angetreten war der Gesetzgeber unter anderem mit der Intention, den Einfluss der (Partei-)Politik auf die Wissenschaft und die Universitäten zurückzudrängen und auch so den Universitäten mehr Autonomie zu verleihen. Der Gesetzgeber schrieb über die damals neu geschaffenen „Aufsichtsräte“ der sogenannten autonomen Universitäten, „Universitätsräte“ genannt (ich zitiere im Folgenden aus § 21 UG, Hervorhebungen in fett von mir):
„(3) Der Universitätsrat besteht aus fünf, sieben oder neun Mitgliedern, die in verantwortungsvollen Positionen in der Gesellschaft, insbesondere der Wissenschaft, Kultur oder Wirtschaft, tätig sind oder waren und auf Grund ihrer hervorragenden Kenntnisse und Erfahrungen einen Beitrag zur Erreichung der Ziele und Aufgaben der Universität leisten können. Über eine Änderung der Größe des Universitätsrats entscheidet der Senat mit Zweidrittelmehrheit.
(4) Dem Universitätsrat dürfen Mitglieder der Bundesregierung, Staatssekretärinnen und Staatssekretäre, Mitglieder einer Landesregierung, Mitglieder des Nationalrats, des Bundesrats oder eines sonstigen allgemeinen Vertretungskörpers und Funktionäre einer politischen Partei sowie Personen nicht angehören, die eine dieser Funktionen in den letzten vier Jahren ausgeübt haben oder die an der betreffenden Universität in den letzten vier Jahren Mitglied des Rektorats waren.“
Der Duktus des Gesetzeswortlauts ist eindeutig: Weniger (Partei-)Politik in der Wissenschaft, mehr Personen aus der Wissenschaft selbst, aus Kultur und Wirtschaft. (Ich betone noch einmal: „Politik“ oder auch „Medien“ werden in § 21 Abs. 3 nicht genannt.)
Der gelernte Österreicher weiß indes längst: Nichts ist bei uns so einfach wie die Umgehung eines Gesetzes. Man muss nur das maximal ausloten, was der Gesetzgeber nicht expressis verbis verbietet. Und vielleicht hatten die ÖVP-Texter ja schon damals Schlupflöcher im Kopf. – Die praktische Lösung lautete jedenfalls: Jene Universitätsräte, die vom Bildungsministerium ausgesucht und dann von der Bundesregierung bestellt werden, müssen den ungebrochenen parteipolitischen Einfluss garantieren.
Im Fall der aktuellen Neubestellung des Universitätsrats der Universität Innsbruck sieht das so aus:
Gehen wir die drei Personen durch: Dr. Christine Baur wird als „freiberufliche Mediatorin und Expertin für Gleichstellung und Geschlechterrecht“ beschrieben. Nun, auf Wikipedia erfahren wir indes schon im allerersten Satz: „Christine Baur (* 26. Dezember 1957 in Innsbruck) ist eine österreichische Politikerin (Grüne).“ Pünktlich nach Ablauf der vierjährigen Frist wurde Baur Universitätsrätin, also alles gesetzeskonform. Aber warum wird der Sachverhalt, dass Frau Baur Politikerin der Grünen war, auf der Website des Universitätsrats der Universität Innsbruck nicht erwähnt?
Quelle: Website Universität Innsbruck
Mag. Dr. Angelika Schätz darf wohl auch als ÖVP-nah bezeichnet werden: Sie hat vor mehr als einem Jahrzehnt „als Kabinettschefin von Staatssekretärin Christine Marek gearbeitet“, wie die „Presse“ berichtete.
Über Sektionschef Dr. Mathias Vogl schreibt SOS Mitmensch: „Mathias Vogl, 1964 in Innsbruck geboren, ist gut in der ÖVP verankert.“
Doch der Einfluss der ÖVP geht deutlich über die von der Regierung bestellten Universitätsräte hinaus: Über Kommerzialrat Dr. Reinhard Schretter, den neuen Vorsitzenden des Universitätsrats, schreibt Markus Wilhelm auf dietiwag: „Reinhard Schretter ist Förderer der Tiroler ÖVP und war im Personenkomitee für die Wiederwahl Günther Platters.“ Reinhard Schretter war übrigens gerade noch Stadtrat im Gemeindevorstand von Vils. Wieder ein elegantes Schlupfloch: Nur der Gemeinderat, nicht aber der Gemeindevorstand ist ein sogenannter „allgemeiner Vertretungskörper“.
Und auch Heinrich Schmidinger, Ex-Rektor der Universität Salzburg, Theologe und derzeit Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der ÖVP-dominierten „Österreichischen Forschungsgemeinschaft“, gehört wohl eher nicht zum links-progressiven Flügel der Universitätslandschaft.
So gesehen zeigt die Besetzung des Universitätsrats, dass das Auswahlkriterium primär die Parteifarbe war und ist. Eigentlich ist das in Österreich ein furchtbarer Filz. Der Einfluss der Parteien ist um ein Vieles mächtiger als die Wirkkraft von Gesetzen.
Weil man im Kabinett von StS Marek arbeitet, ist man sicher ÖVP-nahe? So wie Beate Meinl-Reisinger?
Ich glaube das Gesetz ist mehr als Feigenblatt zu sehen und offenbart damit die wahren Verhältnisse des Universitätsbetriebs. Doch muss man sagen, dieses Gesetz ist nicht verantwortlich für die ausbleibenden wissenschaftlichen Erfolge der Universitäten. Das waren die Sparpakete eine Generation vorher.
Wobei das eine vom anderen nicht zu trennen ist. Ein Universitätssystem, das politikergeben und leistungsfeindlich ist, kann auch mit mehr Finanzmitteln wenig anfangen, sondern diese sind u.U. sogar noch schädlich. Werden durch den Rektor politiknahe Personen berufen, die kaum oder gar keine wissenschaftliche Leistung vorzuweisen haben, dann werden diese, selbst wenn ihr Institut mit Geld geflutet wird, zum weiteren wissenschaftlichen Output wenig beitragen können, sondern damit nur noch ihre Macht mehren und versuchen, wissenschaftliche Konkurrenz zu behindern oder verhindern.
Wie in diesem Forum schon deutlich zum Ausdruck gekommen ist, fehlt es im österreichischen Universitätssystem an zentralen Mechanismen zur Qualitätssicherung, bspw. an einer unabhängigen Evaluierungsbehörde (die eigentlich unionsrechtlich vorgeschrieben wäre).
Herr Weber, warum glauben Sie nicht, dass uns gerade dieser „österreichische Weg“ ganz nach vorne bringen kann? Auch in Deutschland wird doch seitens der Regierung gerade mutig scheinbar vernunftwidrige Politik betrieben!
Dozent Weber hat ja kürzlich vorgeschlagen, die Universitätsräte durch international besetzte „Wissenschaftsräte“ (vielleicht auch nur einen für alle österreichischen Universitäten?) zu ersetzen. Wäre eine Überlegung wert.