„Deutsches“ oder „karibisches Paradigma“? Die Universität Salzburg am Scheideweg zwischen Kompetitivität und Provinzialität

Nun, ich möchte hier nicht zum x-ten Mal die bislang aufgedeckten „Unappetitlichkeiten“ von Heinrich Schmidinger, Altrektor der Universität Salzburg, breittreten (Ermöglichung eines Plagiatsskandals durch Managementfehler an der SMBS; Postenschacher bei der Wiederbesetzung eines OGH-Höchstrichters auf eine befristete Professur; Abwürgen einer Arbeitsgemeinschaft zu guter wissenschaftlicher Praxis auf Wunsch der ÖVP).

Aus Anlass des heutigen Berichts auf ORF online zur derzeit nicht möglichen Rektorswahl schildere ich einfach mal – wie in meinem neuen Buch „Auf ‚Plagiatsjagd'“, eine Leseprobe gibt es schon hiermeine Erfahrungen mit der Universität Salzburg.

Als eines jener berühmt-berüchtigten „Einserkinder“ am Gymnasium lernte ich durch meine akademischen Lehrer an der Universität Salzburg, Peter A. Bruck und Siegfried Zielinski, das wissenschaftliche Denken lieben, insbesondere verlagerte sich mein Interesse schon zu Studienzeiten von der Kommunikationstheorie hin zur Sprachphilosophie.

Nach Fertigstellung meiner Dissertation waren meine beide Mentoren vom Institut gegangen (worden).

Als ich dann mit 28 Jahren mein erstes FWF-Forschungsprojekt ans Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg brachte, war mein Erstaunen groß. Ich dachte mir, das Team würde sich freuen und mein Zuschlag wäre eine Art Ansporn für die anderen, sich – klarerweise auch kritisch! – mit dem Thema und den Fragestellungen „meines“ Projekts auseinanderzusetzen. Was ich jedoch ausnahmslos erntete, waren kleinkarierter Neid, sofort deklarierte Feindschaft und letztlich meine Verhinderung.

Der damals zu 50 Prozent angestellte Assistent meines professoralen Projektleiters mailte mir, ich solle mein „imperiales Gehabe“ einstellen, nachdem ich ein paar IKEA-Blumen und eine Duftlampe ins Büro gestellt und zuvor dort aufgeräumt hatte. Die damalige Assistentin eines anderen Professors, heute Vizerektorin in der Schweiz, sagte mir: „Als ich das mit Deinem Projekt hörte, war ich schockiert. Jetzt muss ich mein Habil-Thema ändern.“ Ich war völlig baff. Ich dachte naiverweise, man könne nun an einem Strang ziehen. Oder – noch naiver: Es gehe um die Forschung. In der Tat ging es den anderen nur um die (Absicherung ihrer) Pfründe. Dieses Denken war mir völlig fremd.

Auch begriff ich zunächst nicht, dass meine „Erfolgsmeldungen“ zum FWF-Projekt bei den wöchentlichen Mitarbeitersitzungen für mich regelmäßig von Nachteil waren. Und es dauerte schließlich einige Monate, bis ich erkennen musste, dass mein Projektleiter, damals ordentlicher Universitätsprofessor für Angewandte [sic!] Kommunikationswissenschaft, nicht einmal seinen Computer anwenden konnte und daher auch von SPSS keine Ahnung hatte. Um ehrlich zu sein, hatte er überhaupt noch nie richtig empirisch geforscht. Wir schrieben das Jahr 1998. Einmal in der Woche kam seine Sekretärin ins Büro, um ihm seine E-Mails auszudrucken.

Ich bin als Leistungsbereiter in ein Milieu hineingeraten, in dem es nur ein Paradigma gab: das gepflegte Nichtstun. Gearbeitet wurde nur das Allernotwendigste. Proaktivität und Engagement, ja ein Brennen für die Wissenschaft – das wurde nicht einmal belächelt. Ich dachte mir, es gehe um Drittmittel und Publikationen (neben Erkenntnissen, die ja immer auf dem ersten Platz sein sollten). In Wahrheit ging es nur um die Verhinderung derselben.

Tauschgeschäfte fanden statt: Ich unterstütze Deine mögliche zukünftige Professur, wenn Du mir dann eine volle Stelle verschaffst. Ich „übersehe“ Dein Diplomarbeitsplagiat, wenn Du mir die Powerpoint-Folien meiner Lehrveranstaltung machst.

Habilitationen wurden nicht geschrieben, weil es eine wissenschaftliche Fragestellung gab, sondern weil man in den Ao.-Status kommen wollte.

Ich meldete die leistungsfeindlichen und unprofessionellen Zustände damals auch dem Fördergeber FWF, ich verschickte mein erstes Rundmail, mit dem ich mich weiter am Institut „beliebt“ machte und das Magazin der Studienrichtungsvertretung berichtete über „meinen“ Fall. Der FWF-Sachbearbeiter sagte mir am Telefon wörtlich: „Solche Beschwerden sind bei uns an der Tagesordnung. Da mischen wir uns nicht ein.“ – Hat der FWF denn für solche und ähnliche Beschwerden zumindest heute ein Compliance-Management eingerichtet?

Wie ich von der Universität Innsbruck höre, gibt es dort aktuell den Fall eines FWF-Projekts, bei dem nicht einmal klar ist, ob die Forschung überhaupt stattfgefunden hat und keine projektbezogene Publikation auffindbar ist. Dotation: 150.000,– Euro Steuergeld. Ein zweimaliges Nachfragen beim projektleitenden Professor blieb unbeantwortet.

Eigentlich wollte ich ja etwas über das „deutsche“ und das „karibische Paradigma“ schreiben. Das kommt vielleicht im nächsten Teil. Nun wurde es ein kurzer Text über das österreichische Provinz-Paradigma, das immer noch Mehrheiten findet. Scheinbar.

14 Kommentare zu “„Deutsches“ oder „karibisches Paradigma“? Die Universität Salzburg am Scheideweg zwischen Kompetitivität und Provinzialität

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  1. Jemand

    Die PLUS (eigentlich MINUS) ist schon lange am Scheideweg und hat sich massivst negativ entwickelt, egal ob mit Langzeitrektor Schmidinger oder Lehnert. Immerhin stand sie ja auch schon am Rande der Pleite.

    An dieser Universität wird viel Geld verheizt, ohne dass es einen Gegenwert dafür gäbe (z. B. der Betonbunker neben Ihrem Büro, dessen Baumängelliste ewig lang ist und bis heute größenteils Leer steht oder das Gebäude in der Billrothstraße, in das viel investiert wurde und danach alles auf den Müll wanderte, weil man es sich nicht mehr leisten konnte).

    Dafür ist bei jeder Kugelschreiberbeschaffung ein Bürokratiewulst zu erfüllen, bevor dieser überhaupt bestellt wurde! Monatelanges Warten auf Verbrauchsmaterialien! Ich hoffe, die Leobner freuen sich auf solche Zustände! Aber bei deren Drittmitteln fällt es wahrscheinlich nicht auf.

    Die Infrastruktur in vielen Bereichen einfach nur heruntergekommen, viele kaufen sich alles privat für ihren Arbeitsplatz an der Universität, von dieser ist ohnehin nichts zu bekommen! Und noch mehr haben die Universität verlassen, und zwar diejenigen, die etwas konnten! Neue Mitarbeiter findet man für die miese Bezahlung nicht, die etwas können. Wissensvernichtung ist etwas, das dort groß geschrieben wird.

    Das ist die Wahrheit unter Schmidinger und Lehnert. Dabei war es unter Schmidinger bis ca. 2015 noch erträglich.

    Und es wird nicht besser, denn die Rektorskandidaten, die diese Universität benötigen würde, bewerben sich erst gar nicht, da sie die Zustände kennen.

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  2. Oliver

    Hallo Stefan,
    komme grad vom Danisch hier zu Ihnen.
    Da gibt’s nur einen Kommentar zu dem ganzen Schlamassel:

    Tu felix Austria!

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  3. Ronald Benedik

    Schule vs Uni, das ist ein Vergleich den man anstellen muß. Die Betreuung an den Unis ist deutlich schlechter als vor 20-25 Jahren an den Schulen. Vor Bologna konnten sich Lehrende noch etwas Zeit für die Studenten nehmen, das machen Bachelor und Master schwerer. Ich würde heute keine österreichische Universität empfehlen, man sollte seinen Weg außerhalb des Bildungsystems im richtigen Leben finden.

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  4. Manuel Leitgeb

    „Scheinbar“? Oh nein, das wird schlimmer. Ich habe in den letzten Jahren mein ehemaliges Zweitstudium wieder aufgenommen und vor ein paar Monaten mit dem BA abgeschlossen (mehr ging nicht, da ich es neben meiner Vollbeschäftigung gemacht habe. „Dank“ Covid und Onlinelehre eigentlich nicht so schlimm).
    Im Bereich der Geisteswissenschaften an der Uni Graz, und wenn ich es mit meiner Zeit in den 2000ern vergleiche, muß ich bekunden, daß es eben schlimmer geworden ist. Wobei es da nur zum Teil an den Lehrenden selbst liegt, einige der alteingesessenen Professoren versuchen im Verbund mit wenigen engagierten jungen noch die akad. Werte hochzuhalten, werden aber von der Fakultät und der Uni selbst in die Mangel genommen.

    Die Fakultät gibt quasi vor (eingebettet in den Richtlinien), daß Geschwätz und Geschwafel Vorrang haben vor Erkenntnis und sauberen Arbeiten. Masse statt Klasse und Klasse erzeugt nur Neid bei den Mittelprächtigen. Viele versuchen daher nicht anzuecken, schließlich hört man dann unverhohlen, daß vielleicht gewisse Forschungsbereiche dann eben „keine Aufmerksamkeit“ mehr bekommen, schließlich sind sie ja auch nicht „progressiv und divers genug“ (O-Ton!). Neid, Feindschaft und Verhinderung sind an der Tagesordnung, und kommen von oben.
    Ich halte ja auch nichts vom Minister Polaschek, da ich ihn noch aus seiner Zeit als Vizerektor für Studium und Lehre kenne.

    Es ist schon ein langer Rant, aber ein Beispiel muß noch sein:
    Die GEWI-Fakultät hat eine „Zukunftskommission“ gebildet, die 2021 ein Strategiepapier zur zukünftigen Ausrichtung präsentierte. Sie haben Schwerpunkte zur Entwicklung der Fakultät festgemacht, daraus zwei Schmankerln:

    Schwerpunkt „Transformationen: Menschen, Tiere, NaturKultur(sic!)“ Gedacht für neue Studien wie „Human-Animal Studies“, die Studenten anziehen sollen, welche mit „Fridays for Future sozialisiert wurde(n)“.

    Ein Schwerpunkt als interdisziplinäre Themencluster mit dem Titel „Dinge und Medien“.
    Eine geisteswissenschaftliche Fakultät nennt ihren Schwerpunkt offiziell „Dinge und Medien“.

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  5. effe

    Lieber Stefan,

    ich selbst — seit zweieinhalb Monaten in Pension — bin unendlich froh, diesen „Schas“ nicht mehr (er)leben und ertragen zu müssen; Österreichs, Deutschlands, der Schweiz, den allergrößten Teilen des Zirkus‘ in UK, Kanada, VSA, in Sachen „Akademia“, ist unreparierbar und unreformierbar zu intellektuellem Müll verkommen[..].

    Ohne Dein Alter (und somit Deine Pensionsansprüche) zu kennen, versuch’s doch mal auf meine Art: lehn‘ Dich zurück, besorg‘ Dir Kost und Logis im Ausland, fülle Eisschrank, Popcorn und Kartoffelchips auf, und lass‘ einfach die korrupte, kriminelle [….] EU vor die Hunde gehen; hier ist genau gar nichts mehr korrigier-/ reformierbar.

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    1. Stefan Weber Beitragsautor

      Lasse mir von Nichtstuern und Korrupten nicht meine Freude an der österreichischen Lebensqualität nehmen, außerdem gehen solche Solisten-Trips schwerlich mit Kindern.

  6. Gandalfi

    Die Universitätslandschaft in Österreich ist von intriganten Seilschaften geprägt. Engagierte Wissenschaftler werden zugunsten des (bestenfalls) Mittelmaßes ausgebremst. Wenn sich ausnahmsweise jemand traut aufzubegehren, wird er auf allen Ebenen vehement bekämpft. Es wäre erfreulich, wenn sich Rektor Lehnert durchsetzen und zumindest an der Salzburger Universität ein Zeichen setzen würde, wonach Leistung und Können, nicht Seilschaftszugehörigkeit zählt.

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    1. Stefan Weber Beitragsautor

      Ja, es ist traurig. Nach und nach bröckelt da eine Fassade ab. Als Student im ersten Semester denkt man (in Fortsetzung der Schule) vielleicht noch, an der Uni gehe es um Wissen und Erkenntnis, um Leistung und Kompetitivität. Aber dann erleben viele mehr und mehr das glatte Gegenteil: nämlich eine „Negativauslese“. Der Klagenfurter Ex-Rektor Heinrich Mayr sagte 2006: „An der Uni ist Schluss mit lustig. Vieles ist in der Schule noch durchgegangen, aber bei uns gibt es die gute wissenschaftliche Praxis.“ 2023 muss ich sagen (steht auch in meinem neuen Buch), dass es tendenziell genau umgekehrt ist: An der Schule war noch Schluss mit lustig, an der Uni ist dann vieles unsanktioniert möglich (wissenschaftliches Fehlverhalten, Postenschacher, Korruption usw.).

    2. Xerxes

      „Intrigante Seilschaften“ – wird es überall geben, sind aber an österreichischen Universitäten ein besonderes Problem:
      – Keine Kontrolle durch das Rektorat, denn diese Seilschaften werden sich in allen maßgeblichen Gremien positionieren und bieten den Rektoren Paroli
      – Keine Kontrolle durch das Ministerium: wann war eine Aufsichtsbeschwerde vor einem Oevp-Wissenschaftsminister denn je erfolgreich?
      – Keine Kontrolle durch die Justiz, da kein wirksamer Zugang zu einem österreichischen Gericht gegeben, weder im Berufungsverfahren noch danach. Ist zwar EU-rechtswidrig, aber wen schert das in Österreich?

  7. Hannoveraner

    Zu Salzburg: Wenn sich Lehnert durchsetzen sollte – das wäre ein Zeichen, österreichweit! Das hieße, dass ein Rektor auch mal unangenehme Dinge umsetzen kann, ohne auf seine Wiederwahl schielen und es den örtlichen Machthabern recht machen zu müssen. Im Übrigen müsste ohnehin das gesamte Wahlsystem an den österreichischen Universitäten geändert werden – das hat mit Demokratie nichts, aber schon gar nichts mehr zu tun.

    Zu Innsbruck: Das gibt´s doch nicht! In Deutschland muss jeder Projektabschluss belegt werden. Die geförderten Publikationen müssen einen Fördervermerk enthalten. In Österreich nicht? Und die geförderten Publikationen sind hier nicht auffindbar? Und das hat bislang auch niemanden interessiert? Hoffen wir mal, dass alles ganz anders ist, als es scheint…

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    1. Mister Wu

      Lehnert hat sich doch schon überall durchgesetzt, z. B. gibt es in vielen Bereichen einfach gar keine Basisinvestitionen mehr und die Mitarbeiter werden sich selbst überlassen.

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