Ich weiß manchmal mehr, als ich veröffentlichen will oder darf. Nach mir bekannt gewordenen Berichten über Unregelmäßigkeiten bei der Studierenden-Betreuung und im Lebenslauf prüfte ich aus eigenem Interesse und unbezahlt die Diplomarbeit mit dem Titel „duftmarke“ des zurzeit gekündigten „renommierten“ (so der ORF) FH-Professors Thomas Grundnigg. Ich kannte den Verfasser schon lange aus dem Kunstkontext und er ist mir als streitbar-lustiger Mensch in Erinnerung geblieben. In seiner Diplomarbeit, angenommen 2001 an der FH Salzburg, also an jener FH, an der er später Professor wurde, ist aber Schluss mit lustig. Seit meinen wenig erfreulichen Einsichten habe ich jeden Kontakt mit dem Kollegen abgebrochen.
In der Diplomarbeit finden sich nämlich absatz- bis seitenweise Textplagiate. Ein Versehen können diese nicht gewesen sein. Denn an einigen anderen Stellen liest man korrekte Zitate unter Anführungszeichen. Mindestens genau so schockierend wie die üppigen Plagiate sind aber deren Quellen: In zwei Fällen wurde nachweislich Literatur aus dem schulischen Kontext plagiiert.
Man muss sich dieses Narrativ einmal auf der Zunge zergehen lassen: Ein Diplomand plagiiert in seiner Diplomarbeit schulische Literatur sowie eine Berliner Hausarbeit und reicht dieses Elaborat an derselben Fachhochschule ein, an der er später Professor wird und dann selbst wiederum Bachelorarbeiten betreut. Nun ist die Frage naheliegend: Welche Zitier- und Qualitätsstandards galten eigentlich während der Betreuungszeit des „renommierten“ Fachkollegen?
Hier nun zu den kaum bestreitbaren Fakten (und das ist nur ein Auszug):
Auf S. 28 und S. 29 der insgesamt 52 Seiten „starken“ Diplomarbeit sieht es so aus:
Keine Fußnote, keine Quellenangabe, keine Anführungszeichen, nichts. – Und hier das Original;
Der schuldidaktische Aufsatz von Hannelore Schwedes aus dem Jahr 1993, also das Original heißt: „Mit allen Sinnen lernen: Geruch und Geschmack. Beispiele aus der Grundschule und ihre Weiterführung in der Sekundarstufe I“. Im Literaturverzeichnis findet sich nur der entsprechende Sammelband angeführt, der wiederum im Fließtext nie erwähnt wird.
Dass aus „zwischen 10 hoch 7 und 10 hoch 17 Molekülen“ bei Schwedes „zwischen 107 und 1017 Moleküle[n]“ bei Grundnigg wurden: Wen juckt’s? Wer will denn da in der Wissenschaft schon so genau hinschauen? Und ob der Mensch nun 104 Geruchsqualitäten (Grundnigg) oder „schätzungsweise 10.000“ (Schwedes) unterscheiden kann – was machte das um die Jahrtausendwende schon aus, wenn es heute bereits heißt, unser Riechorgan könne bis zu einer Billion an Gerüchen unterscheiden?
Plagiiert wurden des Weiteren die Hausarbeit „Mensch als Marke“ der Hochschule für Künste Berlin (1999, keine Nennung im Literaturverzeichnis) sowie ein Biologie-Sachbuch für Schüler und Studierende. Ausführlich zitiert wurde auch der Pseudowissenschaftler Rupert Sheldrake, der in wissenschaftlichen akademischen Arbeiten höchstens quellenkritisch vorkommen sollte. Und das ist erst das Ergebnis der Softwareprüfung. (Wird fortgesetzt)
„Auch der ORF-Reporter Heyer nennt Grundnigg „renommiert“.
Quelle bitte – im Artikel des Salzburg-Ablegers von ORF.at wird dieses Attribut nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit Hrn. Grundnigg verwendet.
Sie müssten sich halt den Fernsehbeitrag einfach anhören/-sehen. Der Redakteur nennt Herrn Grundnigg einmal in der Moderation „renommiert“.
Man sollte bitte den Kontext miteinbeziehen und nicht über Gebühr verallgemeinern: Es werden pro Jahr viele Diplomarbeiten sowohl an Fachhochschulen als auch an Universitäten durchgeführt. Von einem einzelnen gefundenen Plagiat darauf zu schließen, dass es etwa eine „Diskrepanz von Qualitätsstandards zwischen Universitäten und Fachhochschulen“ gibt, ist statistisch nicht zulässig.
zu „Würde man heute die FH fragen, ob diese ein plagiatsresistendes System hat, um Texte abzugeben die direkt auf Plagiate geprüft werden, müsste diese wohl mit „Nein“ antworten.“
-> Die richtige Antwort ist wohl immer „nein“, trotz turnitin, das gilt aber auch für Universitäten. Und insbesondere auch für wissenschaftliche Organisationen wie die IEEE. Denn auch turnitin ist nicht perfekt und kann getäuscht werden (ich will aus naheliegenden Gründen nicht erklären, wie das geht), es wird daher wohl immer falsch Negative (negative im Sinne von nicht gefundener Plagiate) geben. Und dann gibt es noch andere Arten von Täuschungen wie etwa ein gezieltes Weglassen von einem Teil der bestehenden Literatur. Das habe ich selbst als Reviewer schon gesehen und aufgedeckt, ganz ohne turnitin. Turnitin ist nur ein Werkzeug und kein Allheilmittel.
Zum Thema „Feedbackschleife“
-> Ja, das geht, und das gab es auch bereits. Allerdings ist das im Nachhinein aus den Abschlussarbeiten nicht mehr ersichtlich.
Zum Thema Kontext
-> Die Diplomarbeit war im Jahr 2001. Da war Google meines Wissens noch eine Suchmaschine und nicht einer der weltweit dominierenden Konzerne. Und Nokia war bei Handys (Smartphones im heutigen Sinn gab es noch nicht) eine der führenden Marken. Vorlesungen wurden damals noch nicht überwiegend mit Powerpoint gehalten sondern an die Tafel geschrieben (zumindest in meinen Fächern an der Uni). Ich bezweifle, dass es damals schon eine turnitin-ähnliche Software gab. Wenn der Betreuer die Arbeit, aus der plagiiert wird, nicht selbst schon einmal gelesen hat, wird das Entdecken wohl sehr schwierig gewesen sein.
zu: „aus eigenem Interesse und unbezahlt“
-> Na ja, wenn ich bedenke, dass auf dieser Seite Plagiatsprüfungen gegen Bezahlung angeboten werden, könnte man das auch als Eigenwerbung auffassen.
Das soll das vorliegende Abschreiben von zumindest einer Seite nicht verharmlosen. Insbesondere tut auch ein Fehler der Größenordnung von 10^14 schon sehr weh. Wir sollten uns aber nicht verleiten lassen, generell die FHs oder Universitäten oder gar die Wissenschaft schlecht zu machen. Man sieht gerade zur Zeit, wohin fehlendes Vertrauen in die Wissenschaft führen kann.
Wie kommt der ORF dazu, zu behaupten, Sie hätten Unregelmäßigkeiten bei beiden gekündigten Professoren gefunden? Sie selbst sprechen doch immer nur über Herrn Grundnigg.
Umm… „renommiert“ ist im verlinkten Artikel allerdings nicht Thomas Grundnigg, sondern dessen- nicht namentlich genannter – Kollege …
Auch der ORF-Reporter Heyer nennt Grundnigg „renommiert“.
Wenn es der Professor ist, mit dem er des öfteren Vorlesungen gemeinsam gehalten hat, würde mich das nicht mal überraschen. Würde es ihm auf jeden Fall zutrauen
Wie damals bei Aschbacher…
Salzburger Nachrichten:
Kein Plagiat: Aschbacher dürfte auch PhD bleiben
„‚Umgehauen‘ hat die Einstellung des Verfahrens dagegen „Plagiatsjäger“ Stefan Weber, der entsprechende Textstellen in Aschbachers Arbeiten öffentlich gemacht hatte. „Offenbar habe ich einen zu strengen Plagiatsbegriff, sage ich einmal ironisch“, meinte Weber zur APA.“
https://www.sn.at/politik/innenpolitik/kein-plagiat-aschbacher-duerfte-auch-phd-bleiben-110221045
Hierbei hatten Sie wohl auch einen zu strengen Plagiatsbegriff. Ich sehe das in dem Gesamtkontext unverhältnismäßig, da die FH hier ebenso in der Qualitätssicherungspflicht steht, nicht nur die Verfassenden. Ist es ein Plagiat oder nicht? Diese Frage sollte vor der Benotung stattfinden. Dass Sie solche Angelegenheiten „wurmen“ verstehe ich jedoch vollkommen. Ihre Operation ist nun mal die Plagiatssuche und meine Intention ist auch nicht Position zu beziehen, sondern einen gedanklichen Beitrag zu leisten zu Standards der wissenschaftlichen Praxis. Irritierend fällt allerdings schon auf, dass dieser Beziehungskonstellation eine gewisse emotional zu Grunde liegt, schade eigentlich.
„Nun ist die Frage naheliegend: Welche Zitier- und Qualitätsstandards galten eigentlich während der Betreuungszeit?“
Ich denke das grundliegende Problem der wissenschaftlichen Praxis liegt hierbei offensichtlich bei der verfehlten Qualitätssicherung der Fachhochschule. Lassen Sie mich das anhand einer Metapher näher erörtern: Sagen wir Studierende sind rasende Autos, die in Richtung Abschluss auf Vollgas fahren. Das Kontrollelement (also die Begutachtung, Qualitätssicherung, Feedbackschleifen und final die Benotung) stellt eine Ampel an einer Kreuzung dar. Würde diese Ampel nun auf allen Seiten immer grün anzeigen, kommt es – so wie hier auch – zwangsläufig zu Kollisionen. Wer hat nun Schuld? Das Ampelsystem oder die Kollidierten? Beide? Die Ampel, sowie universitären Einrichtungen (sofern man eine FH als solche bezeichnen kann) haben signifikante Führungsverantwortung und sind verpflichtet die wissenschaftlichen Standards sicherzustellen und es erst gar nicht zu solchen Kollisionen kommen zu lassen. Sowas lässt sich doch einfach in einer Feedbackschleife behandeln: „Haben Sie hier eine Fußnote vergessen oder ein Direktzitat oder einfach schlampig gearbeitet?“ „Ja, hoppla ich korrigiere das.“ Ende der Dramatik. Aber da fehlt wohl der simple Zwischenschritt Plagiatssoftware.
Verfassende sind gleichermaßen in der Verantwortung wissenschaftlich zu arbeiten, wie die Fachhochschulen in der Verantwortung stehen diese wissenschaftliche Leistung als publikationsfähig zu klassifizieren. Diese FH hat hier offensichtlich in letzter Instanz die zitierte Arbeit als publikationsfähig klassifiziert und diskreditiert sich somit selbst.
Ein weitere Betrachtungsaspekt ist allgemein die Diskrepanz von Qualitätsstandards zwischen Universitäten und Fachhochschulen, wobei meines Erachtens hierbei kein Unterschied gemacht werden sollte. Dieser Fall ist auch nur ein kleines Rädchen aus dem Fachhochschul-System das schief läuft. Völlig uninteressant, da man das wohl (leider!) mit einem Großteil jeder Abschlussarbeit von Fachhochschulen machen könnte (Verantwortungsbewusste Betreuer, die aus Eigeninitiative eine Plagiatssoftware verwenden, und Verfasser ausgenommen). Würde man heute die FH fragen, ob diese ein plagiatsresistendes System hat, um Texte abzugeben die direkt auf Plagiate geprüft werden, müsste diese wohl mit „Nein“ antworten. Dem liegt wohl schlampiges Wissenschafts-Management zu Grunde, von einer Institution dessen Geschäftsführer noch dazu Präsident der FHK ist.
Jetzt wo der Fall bekannt geworden ist, sollte es im Interesse der FH sein, alle von der genannten Person begutachteten Arbeiten erneut zu prüfen (insbesondere auf Plagiarismus) und so das Vertrauen in die Institution wiederherzustellen. Wenn jetzt keine Schritte, insbesondere durch das Rektorat, unternommen werden, ist das ein Desaster für alle Absolventen.