Ich habe ein kleines sozialwissenschaftliches Experiment gewagt: Ich habe mir glaubhaft die Identität eines Tiroler Master-Absolventen angeeignet, der in Österreich eine Doktorarbeit schreiben möchte. Sein Name: Charlie Holzbauer, MA. Sein Thema hat der Charlie schon: die soziologische Distinktionstheorie von Rodrigo Jokisch. Aber Charlie hat noch niemanden, der ihm die Hauptarbeit abnehmen würde: die Mühsal des Schreibens von 150 Seiten Theorieteil der Dissertation. Ich habe daher als Charlie Holzbauer, MA 20 Ghostwriting-Agenturen und Ghostwriter aus Deutschland und Österreich mit einer entsprechenden Anfrage angeschrieben.
Zehn haben geantwortet. Von diesen zehn wären sechs bereit, das Ghostwriting für die Doktorarbeit eines österreichischen Studierenden zu übernehmen. Eine Agentur verweist auf den Datenschutz und bittet um das Ausfüllen eines Online-Formulars. Eine weitere Agentur schreibt, sie mache kein akademisches Ghostwriting (mehr). Nur zwei von zehn verweisen in ihren Antwort-Mails explizit auf die seit 01.10.21 in Österreich gültige neue gesetzliche Lage, den neuen Anti-Ghostwriting-Paragraphen im Universitätsgesetz, der gewerbliches Ghostwriting mit einer Geldstrafe von bis zu 60.000,– Euro sanktioniert. Eine Agentur schreibt: „Sehr gerne würden wir Ihnen helfen, doch ist dies in Österreich leider seit dem 1. Oktober nicht mehr erlaubt.“ Alle meine Anfragen-Mails enthielten in der Signatur eine Tiroler Anschrift.
Von jenen sechs, die zu Ghostwriting bereit wären, wurden drei bereits finanziell konkret:
Das waren zwei Agentur-Antworten. Viel günstiger als für 9.000,– Euro bekommt man die Leistung bei einer angefragten Privatperson: „Preislich würden wir […] bei 3.300 € (bei reiner Texterstellung) liegen.“ Sie stellt ebenso klar: „Wir schreiben den Text in korrekter Zitierweise etc.“
Das Ghostwriting-Business scheint bislang vom neuen österreichischen Anti-Ghostwriting-Paragraphen relativ wenig beeindruckt zu sein. Mehr noch gibt es weiterhin sogar auf Österreich oder Wien maßgeschneiderte Landing Pages, hinter denen oft internationale Anbieter stecken, siehe etwa hier und hier.
Gut, wir wissen freilich nicht, ob hier bereits Verwaltungsstrafverfahren laufen und das BMBWF proaktiv die Szene beobachtet. Aber wenn ich mal Zeit habe, werde ich die alle anzeigen. Denn im Gesetz steht ja klar und deutlich:
„Ebenso ist zu bestrafen, wer unter den in Abs. 1 genannten Umständen öffentlich anbietet, ein solches Werk für eine andere Person herzustellen oder einer anderen Person zur Verfügung zu stellen.“ (§ 116a Abs. 3 UG 2002)
Solche Anbieter gibt es mit Stichtag 25.11.21 zuhauf. Das Business musste also offenbar noch gar nicht in den Untergrund oder gar ins Darknet emigrieren. Und das weite Feld der Ghostwriting-Freelancer auf einschlägigen Freelancer-Börsen, längst ebenfalls ein globales Business, ist damit noch gar nicht im Visier.
Faktum ist: Wer finanziell gut bestückt ist, muss auch weiterhin keine Zeile selbst schreiben.
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