Nun ist also mein Gutachten zu Johannes Hahn Journalisten übergeben und online publiziert worden. Die Reaktionen sind im Wesentlichen seit Jahren dieselben, wenn in Österreich Plagiatsfälle aufgedeckt werden, und so kam es auch diesmal:
FAKTENIGNORANZ. Obwohl die Anschuldigungen schwarz auf weiß dokumentiert werden und von jedermann/frau nachvollzogen werden könnten, hat sich die Mehrheit der Netz-Poster bereits ihre Holzhammer-Meinung gebildet, oft mit haarsträubender Fakten-Unkenntnis, obwohl das PDF nur einen Mausklick weit vom Webforum entfernt wäre (nachzulesen etwa hier). Webforen sind in Österreich tatsächlich virtuelle Erweiterungen der Stammtische, kaum wo zeigt sich der Vorurteilsdiskurs deutlicher.
KLARE FEINDBILDER. Tendenziell zeigt das Stimmungsbarometer wie gehabt gegen den Aufdecker und nicht gegen den Plagiator. „Plagiatsjäger“-Bashing der untergriffigen Art ist ebenso ein typisch österreichisches Phänomen.
INSTITUTIONELLE VERSCHLEPPUNG. Und dann die ewige Zurückhaltung der Institutionen: Dem Gutachten Ihres werten Plagiatsdetektors wird im politischen und akademischen Diskurs der „offizielle“ Status abgesprochen (das kannten wir schon vom Fall Schaumburg-Lippe; und auch heute waren wieder Hahn, Kampits & Co auf einer Linie). Die Universität Wien „prüft“ schon wieder, noch immer und lange noch – nun heißt es schon bis Herbst (Mitte April hieß es noch, in vier bis sechs Wochen sei mit einem Ergebnis zu rechnen). Ich hoffe, man braucht nicht deshalb so lange, weil es gar nicht so einfach ist, schon wieder einen Entlastungsgutachter zu finden.
Journalisten haben mich heute oft gefragt, ob Hahn denn auch selbst getextet habe. Das hat er, etwa auf Seite 23:
„[…] abrupt ist das Kleinkind aus dem Mutterleib geglitten, eines Morgens sitzt der Taferlklaßler in der Schulbank und der ‚Ernst des Lebens‘ beginnt, detto der erste Arbeitstag und der erste Lohn – man hält plötzlich die erste Lohntüte oder den Bankauszug mit der ersten Gehaltsanweisung in Händen. Das Ja-Sagen vor dem Standesbeamten gehört überhaupt zu den schnellsten und dennoch tiefgreifendsten Augenblicken im Leben eines jeden (selbst wenn man es ein paarmal macht, gewöhnt man sich nicht wirklich daran). Ja und schlußendlich wacht man eines Tages auf und weiß, ab heute bin ich Pensionist, wenn ich mich auch nicht danach fühle, was Gott sei Dank immer mehr Menschen empfinden.“
Sollen wir lachen oder weinen im schönen Österreich? Immerhin eine gute Nachricht: Hahns Gehversuche in Sachen Eigentext haben einen ähnlich satirischen Wert wie Guttenbergs Vorwort.