Noch ungeschrieben ist ja eine Abhandlung über Formen des Wissenschaftsplagiats. Da wäre zu allererst an Bauernopfer-Referenzen zu denken: Nur ein kleiner Teil des tatsächlich übernommenen Textumfangs wird als Zitat ausgewiesen. Das um das Zitat herum mit Abgeschriebene wird nicht gekennzeichnet und nicht belegt, sodass der Leser eigenen Text annehmen muss. Entdeckt hat diese Praxis der Rechtswissenschaftler Benjamin Lahusen im Jahr 2006. Einem Virus gleich findet sich dieses textuelle Fehlverhalten in vielen Arbeiten aller Disziplinen der vergangenen Jahrzehnte.
Der Vorstandsvorsitzende der ÖBB (Österreichischen Bundesbahnen), Ing. Mag. (FH) Andreas Matthä, fügte mit seiner in Täuschungsabsicht verfassten Diplomarbeit eine weitere Spielart hinzu: das garnierte Plagiat. Und das geht so: Man hole sich Text aus unterschiedlichen Internet-Quellen, die man niemals irgendwo erwähne. Dann garniere man diese unzitierten Fremdtexte mit Fußnoten zu anderer (!) Literatur, aber zu den in den Fremdtexten erwähnten Sachthemen. Es entsteht beim Leser somit der Eindruck, der Verfasser habe den Inhalt der in den Fußnoten zitierten Literaturtitel in eigenen Worten wiedergegeben. In Wahrheit gibt es gar keine eigene inhaltliche Auseinandersetzung. Der Fließtext ist Copy/Paste-Machwerk.
So ist der Chef der ÖBB in seiner Diplomarbeit werkprägend vorgegangen. Er konnte oder wollte nicht selbst behirnen und texten. Der Fall Matthä bringt das Problem in Österreich wie selten ein Fall zuvor (Aschbacher wie immer ausgenommen) auf den Punkt: Warum wird ein akademischer Großbetrüger Chef von mehr als 40.000 Menschen? – Wenn man jetzt noch sagt, dass da nichts schief läuft in diesem Land, sollte man vielleicht seinen Arzt konsultieren.
Wenn es mit rechten Dingen zugeht, müsste Herr Matthä seinen Magistergrad von der FH Wien verlieren. Die Täuschungsabsicht ist ja evident, wenn nicht nur abgeschrieben wurde, sondern auch die entsprechenden Quellen nie angegeben wurden, ja mehr noch: wenn immer andere Quellen angegeben wurden, in denen sich die Formulierungen so aber nie finden.
Selbst das Schlusswort wurde dreist plagiiert. Die wahren Quellen stammen meist aus Deutschland, wie so oft bei österreichischen Plagiaten. Das war alles eine bewusste Entscheidung für Täuschung, kein Fehler.
Die Arbeit ist so verlogen, dass einem das Grausen kommt. Hier die komplette Plagiatsdokumentation, die auf 63 Gutachten-Seiten 60 Plagiate dokumentiert:
Bei Durchsicht der angegebenen Stellen vor allem in der Menge kann man nicht mehr von bloßen „Zitierfehlern“ sprechen.. Hat die FH diesbezüglich reagiert, oder trägt er den Mag. (FH) immer noch?
Was ich mich bei den ganzen Verdachtsmomenten unterschiedlicher Personen und deren Arbeiten fragte ist, wenn die Anschuldigungen so offensichtlich sind und die ursprüngliche Quelle eindeutig belegt, dass abgeschrieben wurde, warum die einzelnen Institutionen dann sagen können das an den Vorwürfen nichts dran ist?
Keine Reaktion der FH Wien seit September 2023.
Ein bisschen Off-Topic, aber: Lahusen definiert die Bauernopfer-Referenz ja sehr allgemein. Ich beobachte, dass dieser Begriff unterschiedlich ausgelegt wird (zB auf Vroniplag). Was ist in Ihrem Sinne ein Bauernopfer?
Interpretation 1 dieses Begriffs: Eine Quelle steht irgendwo in der Mitte eines Absatzes, und DANACH wird WEITER aus derselben Quelle abgekupfert
Interpretation 2: Die Quelle steht am ENDE einer übernommenen Stelle – aber der Beginn ist nicht genau definiert
Interpretation 3: Die Quelle steht an der absolut richtigen Stelle, jedoch fehlen Anführungszeichen bei wörtlichen Übernahmen (wird auf Vroniplag häufig als Plagiat gewertet – Sie sind da – siehe zB Zadic – kulant und Werten das nicht als Plagiat)
Was ist denn nun genau ein Bauernopfer (nach Ihrer Einschätzung)? Und was ist diesbezüglich ein Plagiat und was ist diesbezüglich „nur“ ein Zitierfehler?
Der Begriff wird so unterschiedlich verwendet, und das irritiert mich. Ich bitte Sie um Aufklärung.
Das, was bei der hier diskutierten Diplomarbeit von Ihnen als „garniertes Plagiat“ bezeichnet wird, hab ich übrigens mal irgendwo als „Nebelkerze“ bezeichnet gelesen. (Sinngemäß wurde das so erklärt: Man verweist auf Quelle X, um von Quelle Y abzulenken)
Leider wird das sowieso wieder reingewaschen werden von den entsprechenden Institutionen, wie immer eben.