Neubewertung von Selbstplagiaten?

Auf eine hochinteressante Nachricht hat mich gerade der Wissenschaftsjournalist Hermann Horstkotte hingewiesen: Die Österreichische Agentur für wissenschaftliche Integrität, die erst heute eine Stellungnahme zum Umgang mit Plagiaten publiziert hat und Österreichs Universitäten vor einer „falsch verstandenen Solidarität“ mit Plagiatoren warnt, hat offenbar nun doch eine Verletzung der guten wissenschaftlichen Praxis in einem Fall erkannt, der schon vor einigen Jahren in den Medien aufgegriffen wurde. Der Europarechtler Walter Obwexer hat dutzende Seiten seiner Habilitationsschrift wörtlich aus seiner eigenen Dissertation entnommen, ohne darauf hinzuweisen. Horstkotte schreibt auf „Zeit online“:

„Eine geistige Etage höher, macht gegenwärtig die Uni Innsbruck eine ähnlich riskante Affäre durch. Ein Jurist stützte seine Habilitationsschrift für den Hochschullehrerberuf ohne jeglichen Hinweis zu fast einem Drittel auf seine frühere Doktorarbeit. Im laufenden Prüfverfahren wurde die vorliegende Qualifikationsschrift durch eine Neufassung mit den nötigen Nachweisen ersetzt. Die offizielle ‚Österreichische Agentur für wissenschaftliche Integrität‘ sieht mit Bescheid vergangener Woche darin ‚die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis verletzt‘.“

Das ist eine durchaus erstaunliche Einschätzung. Bislang hat man bei solchen Formen des Selbst- oder ‚Autoplagiats‘ immer ein Auge zugedrückt, hier waren offenbar der Umfang der Übernahme und das akademische Level einer Habilitationsschrift entscheidend. Die Universität Innsbruck ließ aus Anlass des Falls Obwexer ein Gutachten im eigenen Haus erstellen (erschienen als Paper 2009), das sich mit der Unhaltbarkeit des Begriffs des Selbstplagiats beschäftigt. Die Rüge der ÖAWI scheint dem zu widersprechen, und streng genommen hätte die Universität Innsbruck, auf der übrigens auch ein emeritierter Geologe gerne mal sehr ordentlich plagiiert (aber nicht von sich selbst, sondern schön von anderen), dann schon ihren nächsten Fall: Auch ORF-Starmoderator Armin Wolf hat in seiner in Innsbruck approbierten Dissertation mindestens 25 Seiten unzitiert und unbelegt aus seiner eigenen Diplomarbeit übernommen (das habe ich selber schon vor Jahren überprüft). Wo und wie ziehen wir die Grenze?

3 Kommentare zu “Neubewertung von Selbstplagiaten?

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  1. Palom

    Guten Tag

    nur eine Kurznachfrage an den Autor – was verstehen Sie unter AUTOPLAGIAT oder anders: wie soll denn das gehn, daß ein Wissenschaftler sich selbst beklaut?

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  2. Chemiker

    Hallo,

    ich frage mich als Naturwissenschaftler ohnehin, wie all diese Plagiate durchgehen konnten, ohne den Referenten und zahlreichen Korrekturlesern aufzufallen. Jeden Satz (und zwar jeden!), den ich in meiner Dissertation verfaßt habe, mußte ich, sofern er sich nicht auf selbst erbrachte Leistungen wie Meßwerte zurückführen ließ, per Zitat belegen.
    Ist es in Rechts- und Geisteswissenschaften etwa anders? Ist aufgrund der hohen Anzahl von Doktoranden zu wenig Kontrolle gegeben?

    Euer Chemiker.

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