Österreichische Forschungsgemeinschaft (ÖFG) schweigt sich weiter zur Zukunft der Arbeitsgemeinschaft „Gute wissenschaftliche Praxis im Wandel“ aus

Nachdem mir der Ex-Rektor der Universität Salzburg, Heinrich Schmidinger, in seiner Funktion als Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der von der ÖVP bespielten Österreichischen Forschungsgemeinschaft (ÖFG) am 28.11.22 mitgeteilt hatte, dass ich die stellvertretende Leitung der maßgeblich von mir initiierten ÖFG-Arbeitsgemeinschaft „Gute wissenschaftliche Praxis im Wandel“ abgeben müsse, hat die ÖFG auch zehn Wochen nach dieser sonderbaren Mitteilung keine Entscheidung über die Zukunft der Arbeitsgemeinschaft getroffen. Die ÖFG lässt damit nicht nur mich, sondern auch 37 andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einfach so im Unklaren. Vor allem aber torpediert sie das wichtige Thema der guten wissenschaftlichen Praxis. Und dafür gibt es Fördergelder vom BMBWF!

Eine Mauer des Schweigens in der ÖFG

Dabei sagte Ex-ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner in seiner Funktion als ÖFG-Präsident Anfang Dezember dem Kurier, dass im Januar eine Entscheidung getroffen werde. Auch mir wurde mitgeteilt, dass die nächste Sitzung des Wissenschaftlichen Beirats der ÖFG Ende Januar stattfinden werde. Ich habe seitdem versucht, sowohl mit Heinrich Schmidinger als auch mit der Generalsekretärin der ÖFG in Kontakt zu treten. Auf keine meiner E-Mails wurde reagiert. Eine Mauer des Schweigens. Was ist das für eine Wissenschaftskultur in diesem Land? Man will die Sache offenbar „aussitzen“, eine durchaus bekannte Reaktion.

Nun, was war überhaupt geschehen? Nach einem Jahr ehrenamtlicher (also unbezahlter!) und allseits gelobter Arbeit erhielt die Leitung der ARGE Anfang Dezember diesen Brief:

In diesem Schreiben stimmt vieles, sehr vieles nicht. Abgesehen davon, dass sowohl der Name der ARGE in der Überschrift des Briefs als auch mein akademischer Grad falsch bezeichnet wurden, enthält er weitere vier objektive Fehler. Nennt man das nicht alleine schon eine Vernachlässigung der wissenschaftlichen Sorgfaltspflicht?

Hochschulkrimis oder Jahresprogramm?

Die Argumente, warum die ARGE-Leitung neu besetzt werden sollte, lesen sich seltsam konstruiert, ja richtig kontrafaktisch. Wie kann etwa bei einem zugestandenen Jahresbudget von 11.000,– bis maximal 13.000,– Euro ernstlich kritisiert werden, dass drei Webinare, eine empirische Befragung und eine neue Website zu wenig Aktivität seien? Absurderweise wollte mein damaliger GWP-Mitstreiter Markus Haslinger, Professor an der TU Wien, nicht einmal das: Haslinger wollte im ersten Jahr Hochschulkrimi-Lesungen veranstalten (!). Ich war es, der überhaupt die Einhaltung des Jahresprogramms einmahnte und im Wesentlichen auch für dessen Umsetzung sorgte. Und dafür wurde ich gefeuert!

Dazu formierte sich auch bald Widerstand in den Reihen der ARGE-Mitglieder, wie es dieser Brief artikuliert:

Quelle: Schreiben von vier ARGE-Mitgliedern, 12. Dezember 2022

Was steckt dahinter? Sind das einfach zwei unterschiedliche Wahrnehmungen? Was wusste der Wissenschaftliche Beirat der ÖFG, dem unter anderem namentlich Christiane Spiel und Magdalena Pöschl angehören, überhaupt über die Qualität der Veranstaltungen der ARGE im ersten (und wahrscheinlich letzten) Bestandsjahr? Warum hat man mit mir vor der „Demontage“ kein Wort gesprochen und tut es bis heute nicht?

Verbeamtete Forschungsverhinderung

Ich kann mit Chats beweisen, dass eine politische Intervention am 04.10.22 der Auslöser war, die ÖVP-(nahe)Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der ÖFG dann bereitwillig exekutiert haben. Nun, die Tragödie ist, dass es sich bei den maßgeblichen Akteuren der Verschwörung um verbeamtete Universitätsprofessoren handelt. Ich bin gespannt, wie die ÖAWI diesen Fall sehen wird. Jedenfalls ist „Behinderung der Forschungstätigkeit“ von der ÖAWI dankenswerter Weise als wissenschaftliches Fehlverhalten gelistet.

Ob Reinhold Mitterlehner die Intervention direkt umsetzte oder Beiratsmitglieder dies taten, werden wir wohl nie erfahren. Jedenfalls ist Mitterlehner wiederum eng mit meinem Ex-GWP-Partner Markus Haslinger von der TU Wien befreundet, der ebenfalls für mich bereits seit Ende November 2022 unerreichbar ist. Obwohl Haslinger nie zu GWP geforscht oder publiziert hat und für die ARGE als „figure head“ diente, nennt er jetzt GWP als einen seiner Arbeitsschwerpunkte an der TU Wien. Neben der menschlichen Enttäuschung ist dies auch wissenschaftlich zutiefst unseriös.

In der Wiener Zeitung erschien heute ein lesenswerter Kommentar des Juristen und Korruptionsbekämpfers Peter Hilpold zu den Zuständen rund um die ÖFG-ARGE.

Könnte schon morgen gelöscht sein: Der Webauftritt der ARGE GWP auf der ÖFG-Seite (Stand: 07.02.23)

Eine katastrophale Optik: Die ÖFG könnte mit ihrem Umgang mit der ARGE zu guter wissenschaftlicher Praxis selbst gegen die gute wissenschaftliche Praxis verstoßen haben. Vielleicht ist das bald offiziell. Und dann wird es hier in diesem Blog um einige sehr unschöne Vorkommnisse an der TU Wien gehen.

5 Kommentare zu “Österreichische Forschungsgemeinschaft (ÖFG) schweigt sich weiter zur Zukunft der Arbeitsgemeinschaft „Gute wissenschaftliche Praxis im Wandel“ aus

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  1. Interessierter Leser

    „ich habe wenig Lust, als „Externer“ dann von einem anonymen Gutachter abgelehnt zu werden, der meine Idee oder meinen Text klaut.“

    Gibt es in ihrem Wissenschaftsbereich keinen Preprint-Server wie in den Naturwissenschaften? Das ist der Grund warum wir uns nicht davor fürchten dass ein Gutachter unsere Ideen klaut. Plagiate spielen in unserem Bereich überhaupt keine Rolle. Also wirklich unter Null!

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  2. Anton G. S.

    Ich glaube schon, dass man das Thema GWP grundsätzlich in Österreich auf neue Beine stellen sollte und auch will.

    Was ich allerdings auch glaube – und das wird den Dozenten Weber natürlich ordentlich wurmen – ist, dass Weber für so ein Projekt einfach der falsche Mann ist. Mit Verlaub, Sie kommen wirklich wie ein absoluter Ungustl und Vernaderer rüber und Ihre echte akademische Vita/Publikationsleistung in journals ist eher dürftig für Ihr Alter. Plagiatsjagd hat mit Wissenschaft nichts zu tun, sondern ist ein Handwerk.

    Mein Ratschlag: Akzeptieren Sie die Rückschläge und Kränkungen einfach. Das Gejammere wie ungerecht nicht alle wären führt doch zu nichts.

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    1. Stefan Weber Beitragsautor

      Lieber Anton!
      Nein, das wurmt den Dozenten gar nicht. Zwei Anmerkungen:
      1) Für vom ÖVP-Ministerium frisierte Forschung, siehe zuletzt die „IHS-Plagiatsstudie“, bin ich tatsächlich der falsche Mann. Siehe https://plagiatsgutachten.com/blog/distanzierung-von-ihs-plagiatsstudie. Wenn institutionelle GWP-Forschung nur mit rigider politischer Message Control möglich ist, bleibe ich besser Solist.
      2) Meine Publikationsleistung in Journals: Das Argument finde ich immer besonders lustig. Ich hatte nie eine Planstelle im akademischen System. Jeden Konferenzbesuch, jedes Hotel, jede Teilnahmegebühr hätte ich mir selbst bezahlen müssen. Dafür finde ich elf Bücher als alleiniger Autor (bald 13) recht beachtlich. Und ja, auch das Schreiben von Papers kostet Zeit, und ich habe wenig Lust, als „Externer“ dann von einem anonymen Gutachter abgelehnt zu werden, der meine Idee oder meinen Text klaut. Es genügt mir, dass das TU Wien-Vizerektor Matyas soeben gemacht hat.

  3. Ictu Oculi

    Hier kann die ÖAWI zeigen, dass es sie braucht, dass sie einen „Mehrwert“ zu erbringen imstande ist. Man muss hier nämlich nicht persönlich für die eine oder andere Seite Stellung beziehen, um zu erkennen, dass das, was hier vorgefallen ist, nicht in Ordnung ist.

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