Es wurde ja höchste Zeit, sich endlich die an der Universität Wien 2006 eingereichte politikwissenschaftliche Diplomarbeit jenes Herrn genauer anzusehen, der seit Wochen und Monaten die österreichischen Medien beherrscht: Thomas Schmid aus Westendorf (Tirol).
Betreut wurde die Diplomarbeit vom Juristen, Ex-ÖVP-Politiker und Ex-Präsidenten der Österreichischen Forschungsgemeinschaft (ÖFG) Heinrich Neisser.
Der Titel der Arbeit könnte einem Deutschlehrer schon mal ein Dorn im Auge sein:
Aber wir wollen uns ja nicht mit Kleinigkeiten aufhalten. – Auf S. 87 der Diplomarbeit erzählt uns Schmid etwas über die englischsprachige Studie einer Simone Goedings (1997). Er beschreibt die Studie in eigenen Worten so:
Interessant ist, dass diese Worte bereits acht Jahre früher gefunden wurden:
Das steht auf S. 10 des Berichts „Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf die Zuwanderung in die Europäische Union unter besonderer Berücksichtigung Österreichs“, verfasst von Katharina Demel und Manfred Profazi anno 1998. Die Quelle wird in der Diplomarbeit von Thomas Schmid an keiner Stelle erwähnt.
Auf S. 55 beweist Schmid historische Detailkenntnisse:
Da das Zitat wortwörtlich von Bengt Beutler et al. 1987 übernommen wurde, ist von einem Vergessen der Anführungszeichen auszugehen, wie etwa hier korrekt geschehen:
Beutler et al. wird in der Diplomarbeit von Thomas Schmid an keiner Stelle erwähnt.
Der Verfasser beherrschte diese Arbeitstechnik aber auch bei längeren Passagen. Auf S. 28 ist zu lesen:
Diese Ausführungen stammen im Original von Bernd Schulte, „Europäische Sozialpolitik und die Zukunft des Sozialstaats in Europa. Herausforderungen und Chancen“, Bonn 1998:
Schultes Buch wurde in Fußnote 113, drei Seiten nach dem Plagiat, als einzige Stelle in der gesamten Diplomarbeit und Bezug nehmend auf einen Einzelsatz auf S. 31 so zitiert:
(Wird fortgesetzt)
Hallo Herr Weber,
vermutlich wird sich das letzte hier gezeigt Fragment als Plagiat nicht halten, da die Quelle – sozusagen am Übernahmeende – ja irgendwie zitiert wird. Die anderen, hier gezeigten Übernahmen, sind wohl Langzitate ohne Urhebernachweis, da wird es enger. Einem Verfahren, das auf Aberkennung zielt – gerade bei Diplomarbeiten – muss aber die Absicht des Erschleichens nicht nur qualitativ, sondern vor allem quantitativ, mit vielen solcher Langzitate ohne Urhebernachweis, zu Grunde liegen. Übernahmen mit einer Quellenangabe (auch einer falschen – passiert häufig beim schlampigen sekundären Zitieren) können, können aber auch nicht als Plagiate gelten. Bei DA gelten solche Fehler häufig aber gerade nicht als Täuschungsversuche, da ja zitiert wurde – man maßt sich die Autorenschaft dann vielleicht gar nicht wirklich an. Zumindest dann nicht, wenn es keine Systematik gibt. Bei Geyer gab es 36 Plagiatsfragmente in der DA, eine Aberkennung forderte niemand, bei Karner ist der Theorieteil relativ eindeutig plagiiert – erinnert ein bisschen an die beiden Salzburger Fälle aus 2007, man wird sehen was herauskommen mag. In diesem Fall (Schmid) teilen Sie – wie im Falle des FH-Lehrers im letzten Jahr – nur wenige Stellen mit. Was ist eigentlich aus der Sache geworden?
Ich denke das Plagiate schlimm sind, es aber Graubereiche gibt und das man von Fall zu Fall prüfen und auch die Machart unterscheiden und feindifferenzieren sollte. Etwa so wie Sie es bereits im Fall Grasser oder Ehrenhauser versus Althusmann und dann wieder Altusmann versus Schavan taten. Jemanden möglichst viele Fehler beim Zitieren nachzuweisen, um jemanden fertigzumachen, wird auch der Plagiatsforschung und der GWP letztlich nicht dienlich sein. Ich erwähne das, weil Sie immer klar stellen, dass es Ihnen gar nicht darum geht. Nur kommt es nicht darauf an was A sagt oder meint, sondern was B – also in diesem Fall die Medien und die Öffentlichkeit – versteht oder verstehen möchte. Ich denke, das ist im Grunde von Watzlawick.
Eine letzte, schwierige Frage noch. Was ist mit wissenschaftlichen Beiträgen, die zwar korrekt zitiert, jedoch keine Distanz der Forscher zu den Ergebnissen merken lassen. Soll heißen: hier wird geforscht und so belegt und publiziert, um der eigenen Ideologie zu entsprechen und diese zu bestärken. Ich habe den Eindruck, dass diese Auffassung von „Wissenschaft“ gerade im (radikalen) Feminismus und in der Genderforschung eine Rolle spielen mag. Das ist doch auch eine Form des wissenschaftlichen Fehlverhaltens, oder? Hat nicht Rudolf Burger (1938 – 2021) in einem Interview Karl Marx (1818 – 1883) erwähnt, und diesem zugeschrieben, gesagt zu haben, dass jener ein Lump sei, der genau wisse, was herauskommen würde am Ende des Forschungsvorgehen? Sie sehen, Herr Weber, auch ich tue mir nicht so leicht mit dem Sekundärzitat, verbleibe aber
mit besten Grüßen
Danke für Ihre Rückmeldung. Nur zur Sicherheit: Beim letzten hier dargestellten Fragment wird die Quelle erst Seiten später, in einem ganz anderen Zusammenhang, zitiert. Habe ich etwas missverständlich dargestellt?
Mittlerweile haben ich und mein Team weitere Plagiatsfragmente bei Thomas Schmid gefunden.