Plagiatsvorwurf gegen Grün-Nationalratsabgeordnete Meri Disoski

Wenn der werte Plagiatsgutachter mal ein paar Tage auf Urlaub war, kommt einiges zusammen. Nun, da war dieser etwas sonderbare Auftritt der österreichischen Grün-Politikerin Meri Disoski bei der Diskussion über „Rammstein“ im ORF am vergangenen Sonntag. Und so kam ich auf die Idee, die im Volltext online zugängliche Diplomarbeit der Nationalratsabgeordneten zum Thema Androgynie bei Goethe, Universität Wien, 2009 zu prüfen. Ich bin immer froh, nichts zu finden, damit ich nicht lange abgelenkt bin. Immer häufiger werde ich in dieser Hoffnung allerdings enttäuscht.

Ich möchte hier einmal deutliche Worte finden, fast einen Befreiungsschlag formulieren: Ich will mir nicht länger die Welt von Akademikern (und Akademikerinnen!) erklären lassen, die nicht wissenschaftlich arbeiten konnten. Ich war nie, bin nicht und werde nie Teil dieses akademischen Systemversagens sein. Ich akzeptiere auch niemanden als Vertreter der Bevölkerung im Parlament, der plagiiert hat. Das ist so seit Hahn, Guttenberg & Co. Punkt. Und wenn mir dann auch noch jemand, der nicht korrekt zitieren konnte, in alternativloser Rhetorik die Gender-Weltsicht erklären will, dann streikt es bei mir. Sorry.

Zu den Details:

FRAGMENT EINS

Disoski schrieb in ihrer Diplomarbeit auf S. 29:

Wikipedia liest sich erstaunlich ähnlich:


FRAGMENT ZWEI

Disoski schrieb auf S. 72:

Disoski führt an keiner Stelle aus, dass der gesamte Gedankengang inklusive der Literaturzitate aus der Dissertation „Androgyne Autorschaft“ von Silke Horstkotte, Universität Leipzig, 2002 stammt (S. 39). Ein einziger Hinweis auf Horstkotte zu Beginn der S. 72 rechtfertigt gerade nicht diese Übernahmen, zumal sich dieser Hinweis nur auf einen Halbsatz bezieht.


FRAGMENT DREI

Weiter bei Disoski ebenda:

Nun, lustig. Auf die Idee, in diesem Lexikon nachzuschlagen, kam auch Silke Horstkotte (S. 40), mitsamt derselben Interpretation:


FRAGMENT VIER

Und, auch dem Zufall geschuldet, kommt dann noch bei Disoski auf S. 72 f. dasselbe direkte Zitat wie bei Horstkotte, S. 39, mit exakt denselben Auslassungszeichen „[…]“.


FRAGMENT FÜNF

Weiter geht es bei Disoski auf S. 74:

Bei Horstkotte, S. 40, liest sich das so:


FRAGMENT SECHS

Disoski, S. 78:

Die fast wörtliche Übernahme der markierten Passage ist durch eine „Vgl.“-Sammelfußnote am Ende des Absatzes, noch dazu ohne Angabe einer Seitenzahl, nicht gedeckt. Siehe etwa hier:

Quelle: https://www.zukunft-ch.ch/der-suesse-schmerz-der-gender-studies


FRAGMENT SIEBEN

Disoski, S. 81:

Vor und nach dieser Ausführung wird Horstkotte unter Anführungszeichen direkt zitiert. Aber eben nicht hier. Der Leser muss also Eigentext von Disoski annehmen. Ist er aber nicht, siehe Horstkotte, S. 52:


FRAGMENT ACHT

Disoski, S. 83. Zitiert wird in der Fußnote nur Bohm, also nicht „nach Horstkotte“:

Horstkotte, S. 52. Disoskis Leistung bestand hier in der Eindeutschung von „ambivalent“ in „mehrdeutig“:

Mit Wissenschaft hat das nichts zu tun. Ich predige alle paar Wochen in Zitier-Schulungen, dass genau so nicht gearbeitet werden darf. Es ist alles nur Zitier-Simulation, Wissenschaftsfake. Für Millionen an Steuergeld werden systematisch falsche Arbeitstechniken vermittelt und Arbeiten nicht auf Quellenarbeit kontrolliert.

20 Kommentare zu “Plagiatsvorwurf gegen Grün-Nationalratsabgeordnete Meri Disoski

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  1. Andy Dufresne

    Auf Kanälen wie „express“ oder Youtube geht nun in den Kommentaren bereits eine Art Hexenjagd los. Konsens: Typisch Politiker(innen), so jemand gehört weg, usw.

    Damit habe ich folgendes Problem: Jene, die diese Kommentare posten, sind selber möglicherweise keine Akademiker. Die lesen nur „Disoski – Plagiat“, und schon wird Disoski mit Guttenberg und mit Seepocken in einen Topf geworfen. Dazu vier Anmerkungen:

    Erstens: Das „Zitationsplagiat“ wiegt hundertprozentig weniger schwer als andere Formen des Plagiats bzw der Quellenunterschlagung.

    Zweitens: Zudem hat die Arbeit 99 Seiten. Der Prozentsatz, der den Fundstücken entspricht, ist demnach minimal.

    Drittens: Fragment sieben: Glauben Sie tatsächlich, die Verfasserin habe sich in Täuschungsabsicht (!) diesen einen (nicht gerade bahnbrechenden) Satz zueigen machen wollen? Ich habe nach wie vor ein Problem mit dem „Bauernopfer“ als Plagiatstyp. Das sind, sofern nicht NACH der Quellenangabe noch WEITER aus der Quelle abgeschrieben wird, Zitiermängel, aber kein Plagiat. Wenn am Ende mehrerer Sätze bzw am Ende einer Sinneinheit die Quelle steht, so täuscht niemand absichtlich, sondern meint eben – im Sinne der Lesbarkeit – dass die einmalige Angabe der Quelle nach mehreren Sätzen reicht. In dieses Fragment eine Täuschungsabsicht reinzuinterpretieren halte ich für sehr weit hergeholt.

    Viertens: Sofern nicht mehr gefunden wird, wird wegen dieser Funde niemand ein Verfahren einleiten. Ich nehme an, darum geht es Ihnen auch nicht. Sie wollen wohl nur auf die Problematik mangelnder Zitierkenntnisse hinweisen. aber: Erklären Sie das bitte deutlich – für jene Leute, die keine Ahnung von Abläufen von Universitätsstudien haben und nun vielleicht glauben, Disoski sei eine akademische „Schwerverbrecherin“. Diese Leute begreifen auch nicht, dass ein Studium viel viel mehr ist als eine Diplomarbeit. Germanistik ist ein anspruchsvolles Studium mit zahlreichen zu absolvierenden umfangreichen Prüfungsleistungen. Soll wegen dieser Funde tatsächlich jemand eine Aberkennung des Grades – und somit eine Nichtigkeitserklärung ALLER umfangreichen Prüfungen – einfordern dürfen? Herr Weber, der nicht-akademisch gebildete Bürger differenziert nicht zwischen „Plagiat“ im Sinne von „seitenweise ohne Quelle abgeschrieben“ und „Plagiat“ wie bei diesen Fragmenten (die sicher nicht schön, aber vergleichsweise harmlos sind). Dieser Durchschnittsbürger begreift auch nicht, dass jemand bis (!) zur Diplomarbeit sehr viel anspruchsvolle Prüfungen (zu hundert Prozent selbst geleistet) abzulegen hatte, und dass die Diplomarbeit nur ein Teilstück aller Leistungen zur Erwerbung eines Magistergrades ist (ganz im Unterschied zur Dissertation)! Wenn nun an Stammtischen von Leuten, die keinen Schimmer vom Ablauf eines Germanistikstudiums haben, und keine Vorstellung davon haben, was jemandem, der Germanistik studiert, an Literaturwissen, Linguistikkenntnissen usw abverlangt wird, gscheit geredet wird von „Titelverschenkerei“ und von „die hat ja auch nur abgeschrieben“, halte ich das für ungerecht, unverhältnismäßig und vor allem am Ziel (GWP) vorbeischrammend.

    Bitte bedenken Sie, dass sich viele Nicht-Akademiker weder bei Anforderungen in einer Studienrichtung auskennen, noch sich im Detail mit den Plagiatsfällen befassen – aber beim „I habs ja immer gesagt, die Studierten können nix – also: Titel sofort weg!“-Rufen sofort lautstark dabei sind! Und das würde im Fall der vorliegenden Zitiermängelfragmente in keiner Relation stehen!

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  2. Frank Berger

    Was für Hirnwichserei hier betrieben wird!

    Ich bin Jahrgang 52, in der bestmöglichen Erziehung zur Kritik gebildet (= jesuitisch) und habe Anno 1971 (nach nur 12 Schuljahren, meine einzige akad. Leistung) die Profs der TU Berlin MEINER Prüfung unterzogen und da ging es um BWL (wer nichts wird, wird *Wirt) und Informatik.

    Letztere sind sofort rausgefallen, weil 100% rotfaschistisch durchseucht und geistig-technisch noch auf Lochkarten-Niveau. Beurteilungen nach Gesinnung.

    Die Wirte befragte ich nach deren Erfahrung in der freien Wirtschaft! Null, Nix, Nada, Niente, Nitch! Nicht einer hat mal „gearbeitet“. Alles Hirnwichser! Und das sprach ich denen offen ins Gesicht. Bin ja Berliner!

    Mein toller Vater, mittelständischer Unternehmer, hatte mich schon mit 16 zu Bankgesprächen mitgenommen, damit ich sehe, wie das so läuft, wer neben dem Staat an uns schmarotzt. Fibu hatte ich erst bei meinem Vater, dann auf dem Wirtschaftsymnasium gelernt, plus komplettem Wöhe und halbem Schneider (VWL) = Grundstudium der Wirte.

    Die beste Entscheidung meines Lebens war es, OHNE pseudo-akademische Verblödung Unternehmer zu werden.

    Wenn dieser Wahnsinn hier vorüber ist, will ich ein System, indem Bildung NUR von Praktikern gelehrt wird und die „Gelehrten“ in die Produktion müssen. Zu mehr sind sie nicht fähig – und auch hier bestätigen wenige Ausnahmen die Regel.

    Ich werde es noch erlebtn!

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    1. Ralf Rath

      Vielleicht ist es Ihnen, Frank Berger, entgangen, aber in der von mir zitierten Schrift von Emile Durkheim mit dem Titel „Le sucide“ geht es wesentlich um die Antwort auf die Frage, warum insbesondere auf den Führungsetagen privatwirtschaftlich geführter Unternehmen sich heutzutage zunehmend mehr Menschen das Leben nehmen; aber darüber noch immer geflissentlich der Mantel des Schweigens ausgebreitet wird. Angesichts dessen tragen Sie ebenfalls bloß zur Verdunkelung bei, wenn Sie behaupten, den Angehörigen der dortigen Managements sei angeblich wegen der von Ihnen reklamierten „Hirnwichserei“ keine andere Wahl geblieben. Zumindest hätten Sie auf den Begriff zu bringen, welche Praktiken darunter zu verstehen sind, falls Ihnen noch daran liegt, in der Öffentlichkeit als ehrbarer Kaufmann zu gelten, wie es der Souverän unabweisbar von Ihnen verlangt.

    2. Frank Berger

      Ich kann nicht erkennen, was Ihr Kommentar, Herr Rath, mit meiner krassen Kritik an der isolierten Uniwelt zu tun hat, wo i.d.R. Theoretiker der Jugend die Welt erklären wollen, von der diese „Leerer“ jedoch keinerlei Ahnung haben.

      >Vielleicht ist es Ihnen, Frank Berger, entgangen,….Titel „Le sucide“
      Warum sollte ich so etwas lesen?

      >privatwirtschaftlich geführter Unternehmen
      Sie unterscheiden nicht nach Inhaber- oder Familienunternehmen und Konzernen. Letztere sind das große Übel und sollten an den Mittelstand zurückgeführt werden. Insbesondere das Wirken der „Anglos“ (= Raubmördernationen in Politik und Wirtschaft) muß in Europa unterbunden werden, zumal die EUdSSR diese fördert. Wir haben die Diktatur eines Konzern-Kommunismus. Die Führungsleute arbeiten i.d.R. nur in die eigene Tasche und haben keinerlei Verantwortung für Mitarbeiter und Kunden, schmieren aber die Politik. Ich hatte sehr üble Erlebnisse mit Konzernen, aber nie Probleme mit dem Mittelstand. Der Teufel heißt heute Blackrock und Luzifer Vanguard.

      >bloß zur Verdunkelung bei, wenn Sie behaupten
      Sie lügen dreist. Wo habe ich so etwas behauptet?

      >welche Praktiken darunter zu verstehen
      „Nicht einer hat mal „gearbeitet“. Alles Hirnwichser! “

      Noch etwas Generelles:

      Wenn an die 50% der letzten Jahrgänge Abitur/Matura macht, aber für höchstens 10-15% wirkliche Führungspositionen existieren, dann muß bei den Verlierern Frust aufkommen, beim Steuerzahler ebenso für die verschwendeten Werte. Ferner entstehen sinnlose Quatschologie-Studien und alles drängt an die Pfründe der total überpersonalisierten Behörden und Politik.

      Daß deswegen gelogen und betrogen wird, wie hier dokumentiert, ist m.E. die Folge dieser falschen und unsozialen Politik. Übrigens war ich der einzige aus einer Abitur-Klasse von rund 30 Leuten auf einer der besten Schulen deutscher Sprache, der NICHT studiert hat. Aus allen ist „etwas“ geworden, einer Vorstand bei (ehem.) Schering, ein anderer GF direkt unter Herrn Otto (Hamburg) und diverse Freiberufler. Meine Lorbeeren lasse ich mal besser weg.

      Frei nach dem Spruch aus der SBZ (fälschlich „DDR“ genannt): „Beamte und Politiker in die Produktion!“

      P.S. Keine Regierung bringt mich dazu, unsere mächtige deutsche Sprache falsch zu schreiben!

  3. Vermutlich...

    …ist diese DA sehr schlampig zitiert. Ob sie in toto ein Plagiat ist, das werden wir sehen. Es wurde blind zitiert und die Zwischenquelle Horstkotte wurde, sicher weil sonst recht häufig angegeben, nicht immer genannt. Das hat sicher schon die eine oder andere Dissertation zu Fall gebracht – siehe Fall Schavan. DAs sind natürlich weniger engmaschig, problematisch ist diese Arbeitsweise aber allemal, aber auch recht verbreitet. Gerade ältere Arbeiten haben solche Fehler und Bauernopferplagiat e. Das weiß ich im Grunde von Ihnen, Herr Weber. Sicher ist es in den meisten Fällen keine Täuschungsabsicht.

    Und: sind aber Blindzitate grundsätzlich nicht immer Plagiate und was ist ein Zitatsplagiat?
    https://vroniplag.fandom.com/de/wiki/Forum:Was_versteht_man_unter_einem_%22Zitatsplagiat%22%3F

    Bei Lammert standen solche Vorwürfe auch im Raum, oder?

    Fremde Federn lassen sich oft schwer beweisen, weil man oft nicht sagen kann, ob nicht doch das Original eingesehen wurde. Es gab diese Diskussionen häufiger bei Vroniplag. Ein abgeschriebenes Zitat ist natürlich unwissenschaftlich, kommt aber oft vor und man kann das auch als Zitierfehler sehen, bis hin zur negativen Benotung. Gibt es eine Systematik dahinter, wiegt es aber natürlich schwerer.

    Dass die Arbeit wegen der bisher gefunden Fehler aberkannt werden wird, daran glaube ich jetzt noch nicht. Täuschungsabsicht muss unbedingt immer eindeutig bewiesen werden können. Ansonsten dürfte man gar keine Fehler machen. Bei DAs bringt eine solche Diskussion im Nachhinein eigentlich wenig. Nur bei besonders krassen Fällen, wo aberkannt werden müsste, dann ja. In Deutschland wäre der Fall wohl verjährt.

    Was aber wichtig ist: jetzt sagen wir mal, dass Frau Disoski ungenau gearbeitet und mangelhaft zitiert hat. Das kommt gar nicht so selten vor. Eine gute Betreuung, die Quellenarbeit einfordert, kann hier stark entgegenwirken. Der Meinung bin ich auch. Das sorgt sicher für mehr Qualität bei Abschlussarbeiten. Von Dissertationen, die die Promovierenden stärker in die Pflicht nehmen, reden wir noch nicht.

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  4. Ralf Rath

    Wie der französische Soziologe Emile Durkheim früh am Übergang vom 19. ins 20. Jahrhundert zu bedenken gibt, ist das Subjekt die einzig verfügbare Quelle objektiver Wahrheit. Versagt der Instinkt, bleibt allein der Intellekt als Wegweiser (ders., 1983: 183, zuerst: 1897). Bekanntlich will nun vorneweg der deutsche Vizekanzler nichts unversucht lassen, vor allem das Hirnschmalz der klügsten Köpfe gleichsam zum „Kochen“ zu bringen, wie Robert Habeck erst jüngst öffentlich verlauten ließ und sogar eine vermeintlich „ungekochten Zeit“ bemängelt (ders, in: FAZ v. 11.06.2023). Zumindest in der Spitzenforschung sind solche Praktiken längst auf das Schärfste kritisiert. Schon im März 1946 stellt Max Horkheimer angesichts dessen fest, dass dadurch lediglich die Substanz der Vernunft eine Vernichtung erfährt („to obliterate that very substance of reason“). Bei der Diplomarbeit der österreichischen Nationalratsabgeordneten Meri Disoski mit ihren zahllosen Plagiaten verhält es sich nicht anders. Auch dort wird die „annihilation“, von der Leibniz im Jahr 1714 auf Französisch spricht, mit aller Gewalt ad absurdum geführt. Fraglich daher, warum die Staatsanwaltschaft nicht bereits initiativ geworden ist. Eine Kommission an einer Universität in Sachen gute wissenschaftliche Praxis ist jedenfalls heillos überfordert, darüber aufklären zu müssen. Ohnehin darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

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  5. Andy Dufresne

    „Soeben den ersten Fund aus Wikipedia eingearbeitet. Siehe FRAGMENT EINS.“

    Okay, dann waren die vorherigen Funde wohl tatsächlich nur die Spitze des Eisberges. In solchen erstgenannten Fällen tu ich mich halt trotzdem schwer, von einer Täuschungsabsicht auszugehen – wo doch die Täuschung so offensichtlich aufdeckbar ist.

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  6. Andy Dufresne

    „Was muss ich beweisen?“. Bezüglich der Zitierregeln gar nichts. Dass das nicht lege artis ist, steht eindeutig fest. Bewiesen werden muss aber die Komponente der Täuschungsabsicht. Wenn jemand Horstkotte „da“ zitiert und „dort“ nicht, würde ich grundsätzlich davon ausgehen, dass dies aus irgendeinem Irrglauben resultiert. Warum sollte jemand bei Inhalten, die von Natur aus nicht vom Verfasser der Arbeit erhoben wurden und bei denen klar ist, dass sie der Verfasser „irgendwoher“ hat, die Quelle vorsätzlich verschleiern? Wenn jemand die Ideen Horstkottes als eigene geistige Leistung ausgeben wollte, würde derjenige den Teufel tun, um Horstkotte im Umfeld auch nur ansatzweise zu erwähnen! Besonders die Quellenübernahmen sind natürlich ein absolutes No-Go! Aber wer wäre denn so „dumm“ und würde diese Quellen (wissentlich „illegal“) übernehmen, aber gleichzeitig im unmittelbaren Umfeld die Quelle „Horstkotte“ dem potentiellen Plagiatsjäger geradezu auf dem Präsentierteller servieren? Bin ich naiv, zu glauben, dass das im Zeitalter der digitalen Publikationspflicht wohl kaum jemand vorsätzlich (!) tun würde?

    Nochmal: dass diese Quellenübernahmen so absolut nicht lege artis sind, ist zweifellos ein Faktum.

    Trotzdem frage ich mich (oder nein, ich frage Sie): Wer würde vorsätzlich plagiieren, und gleichzeitig die plagiierte Originalquelle nach dem Motto „Hallo, hier bin ich“ auf derselben Seite plakativ platzieren?? Darüber würde ich gerne einen Diskurs hier führen. Nicht, weil ich irgendwen verteidigen will, sondern weil ich es als kritischer Denker, wie Sie ebenfalls einer sind, nicht verstehe.

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    1. Andy Dufresne

      Auf Twitter schreibt jemand bei diesem Thema: „Unglaublich, wie und mit welchem Schwachsinn man Titel abräumen kann. Ich habe viele Jahrzehnte in Ehrfurcht vor diversen Akademikern gelebt…. leider. Danke fürs Augen öffnen!“

      Und genau das meine ich! Dieser jemand begreift nicht, dass die Verfasserin der Arbeit zahlreiche umfangreichste Prüfungen bestehen musste und viel geleistet hat, bis sie überhaupt zum Verfassen einer Diplomarbeit zugelassen wurde, und dass ein Studium aus sooo viel mehr besteht als aus einer Diplomarbeit! Er begreift auch nicht, dass die in dieser Arbeit bekrittelten Stellen vergleichsweise (!) harmlose Formen der Unredlichkeit sind.

      Und schon ist im Volksmund jeder Akademiker ein Depp! Und das stört mich, weil offenbar viele glauben, dass man „eh nix können“ muss, wenn man studiert hat. Und mich stört auch, wenn die Gesamtleistung im Studium im Diskurs unterminiert und auf die Diplomarbeit reduziert wird.

  7. Martin Heidingsfelder

    Meine Geduld ist auch langsam am Ende. Als ich die OCR-Fehler einer Architektur-Dissertation letzte Woche korrigiert habe, dachte ich: “… bestimmt sind da keine Plagiate drin.” Dann stellte ich heute fest: Bei Wikipedia abgeschrieben, umformuliert und die Quellen von dort übernommen. Sorry aber Täuschungsabsicht oder nicht – Unfähigkeit und Dummheit sind kein Grund trotzdem ein Diplom oder einen Doktorgrad zu vergeben sondern ein Ausschusskriterium! Stefan Weber macht das genau richtig, dass er diese Titelhuberrei in der österreichischen Gesellschaft den Spiegel Woche für Woche vorhält. Es ist ein Skandal, wie einige Hochschulen den Ruf der Wissenschaft ruinieren indem sie Fehlverhalten nicht angemessen sanktionieren geschweige denn selbst entdecken.

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    1. Stefan Weber Beitragsautor

      Vielen Dank, Martin. Ja, die akademische Wissenschaft trägt die sich selbst auferlegte Zitierkultur seit mehr als 20 Jahren systematisch zu Grabe. Und ich wiederhole: Dafür wird sie von uns Steuerzahlern bestens bezahlt.

    2. Andy Dufresne

      „Bei Wikipedia abgeschrieben, umformuliert und die Quellen von dort übernommen“ – Aber hier ist doch die Täuschungsabsicht völlig eindeutig. In der von Stefan Weber hier diskutierten Arbeit würde ich nicht eindeutig von einer Täuschungsabsicht ausgehen.
      Und genau das ist der Punkt: Wir vergleichen eindeutig beabsichtigte schwerste Vergehen gegen die GWP mit eventuell unbeabsichtigten Mängeln. Man sollte etwa einen Guttenberg oder wen auch immer nicht mit jemandem wie der Verfasserin der hier diskutierten Arbeit in einen Topf werfen – genauso wie man einen Ladendieb nicht mit Charles Manson vergleichen kann. Alles, was ich sage, ist, dass ich meinen würde, die meisten Menschen arbeiten nach bestem Wissen und Gewissen. Und bei denen, die wirklich bewusst täuschen (wie in dem Wikipedia-Beispiel) gibt’s sowieso nichts schönzureden.

  8. Andy Dufresne

    Ich bin nicht wie Lieberzeit – aber wenn jeder, der die Originalquelle aufspürt, sofort sieht, dass sich die Übernahme auf „mehr“ bezieht, dann muss das doch auch der Verfasserin klar sein. Das kann doch nicht vorsätzlich geschehen. Bin ich naiv, zu glauben, dass die Verfasserin meinte, dass in diesem Kontext ausreicht, die Quelle „nur da und dort“ zu nennen? Natürlich ist das falsch und unredlich. Aber ist es tatsächlich beabsichtigt…?

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    1. Stefan Weber Beitragsautor

      Die Verteidigungslinie wäre: Wenn ich in meiner Diplomarbeit Horstkotte eh schon sehr häufig zitiere, dann muss ich Horstkotte nicht noch häufiger zitieren. Und zweitens: Ich darf auch Literatur von Horstkotte abschreiben.
      Erstens: Das ist durch das Zitiergebot nicht gedeckt. Jeder unterschreibt, dass er/sie ALLE wörtlichen und sinngemäß entnommenen Stellen als solche ausgewiesen hat. ALLE. Interessant, dass wir das jetzt wieder diskutieren müssen. Philosophie des Begriffs „Alle“ quasi.
      Zweitens: Literatur, die ich von Horstkotte abschreibe, darf ich nur dann mit „zitiert nach Horstkotte“ belegen, wenn sie auf üblichem Weg (Fernleihe) nicht erhältlich ist. Nur Abschreiben auch noch ohne „zitiert nach“ ist ein Zitatsplagiat.
      Alles Grundregeln der Textwissenschaft seit den 1980ern. Ich habe eine ganze Bibliothek voll mit Ratgebern. Was muss ich beweisen?

  9. Andy Dufresne

    Nun auch noch bei diesem Blogeintrag ein Kommentar von mir:

    Ja, das ist alles nicht sauber, aber: Glauben Sie hier an eine Täuschungsabsicht? Wenn der Urheber (wenn auch missverständlich) des Originaltextes am Beginn genannt wird, bin ich fast sicher, die Verfasserin hielt das für lege artis. Wenn jemand täuschen will, schreibt er/sie den Text komplett um und erwähnt die Quelle nicht mal ansatzweise, würde ich meinen. Und: inhaltlich wieder mal ein klassischer Fall von „Kann sowieso nicht von der Verfasserin erhoben worden sein – ergo: Weswegen sollte jemand mit Vorsatz den Ursprung verschleiern?“
    Das einzige, was man hier vorwerfen kann, ist, dass eigenständige Quellenarbeit suggeriert wird. Das ist bestimmt nicht in Ordnung. aber: ist das die einzige Stelle, bei der dies der Fall ist? Vielleicht ein Fauxpas – bei zig Quellen in der gesamten Arbeit?

    Ich glaube einfach nicht daran, dass so viele Verfasser vorsätzlich (!) plagiieren! Die Arbeit ist im Netz! Wer würde da wissentlich plagiieren? Wer wäre denn so leichtsinnig und unredlich? Ich glaube, das wird häufig verwirrend gelehrt und passiert aus Unwissenheit! Demnach: Don’t shoot the player who thinks to play fair, but shoot the game!

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    1. Stefan Weber Beitragsautor

      Ich bin noch mitten im Dokumentieren/Erfassen. Natürlich ist es Täuschungsabsicht, wenn anderswo Horstkotte korrekt zitiert wird. Aber der stets milde gestimmte Peter Lieberzeit, Studienpräses der Uni Wien, wird’s schon richten.

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