Quelle: Schriftenverzeichnis Siegfried Haller, S. 2
Er hat es tatsächlich gesagt. Siegfried Haller sei „nicht aufgeklärt worden, was wissenschaftliche Standards sind“. Indirekt will er damit wohl der Universität Mitschuld an seinem wissenschaftlichen Fehlverhalten geben. Bringschuld oder Holschuld – das ist hier fast einerlei. Was mich mehr bewegt, ist das Faktum, dass es sich nicht nur um einen ‚reinen‘ Amtsleiter handelt (dem könnte man das vielleicht noch abkaufen), sondern um einen – siehe Schriftenverzeichnis mit mehr als 100 Publikationen – „Dipl.-Soziologe[n] und Sozialpsychologe[n]“. Da verschlägt es mir schon die Sprache. Dieser weiß nicht, was ein korrektes Zitat ist? Wie soll das gehen? Und was bedeutet das wiederum für ’seine Zunft‘?
Der Satz sagt viel über die Ausbildungsqualität des Herrn Haller aus. Ich habe im ersten und zweiten Semester gelernt wie man zitiert, dabei spielt es keine Rolle welche genaue Art und Weise, sondern im Kern geht es darum, dass man nicht abschreibt und den Leser ím Unklaren lässt, was eigener Text und was fremder Text ist. Zitieren ist nämlich wesentlicher Bestandteil wissenschaftlichen Arbeitens, damit belegt man, dass man die einschlägige Literatur erfasst und verstanden hat. Und ungekennzeichnetes Abschreiben hat Hr. Haller kapitelweise gemacht, da nehme ich ihm auch versehentliches Fehlverhalten nicht ab!
Übrigens hat sein Verhalten System: Denn die ach so lange Publikationsliste enhält massenweise Titel, die er mit anderen zusammen verfasst hat ohne dies zu benennen, geschweige denn die Mitautoren zu nennen. Das ist mindestens genauso unverschämt und anmaßend !!
Man soll ja nicht biographisch („ad hominem“) werden, aber ich habe im Laufe meines Lebens etwa acht Universitäten als (Gast-)Student von innen und Veranstaltungen div. Qualifikationsstufe in vier Fächern belegt. Die Quintessenz lautet: Ja, ich glaube Siegfried Haller, wenn er freimütig erklärt, über „wissenschaftliche Standards nicht aufgeklärt worden zu sein“. Das ist nämlich einerseits tatsächlich Glücksache (wie kompetent ein Dozent eine Hausarbeit korrigiert und bespricht), andererseits gibt es nunmal sehr viele verschiedene „wissenschaftliche Standards“ – fragen Sie mal Juristen, welche Zitationsformen die regelmäßig verwenden und vergleichen Sie das mit Soziologen, Historikern usw. Von Zitationsregeln hat man im Proseminar gehört, danach nie wieder – und ich kann mich nicht erinnern, daß irgendein „Standard“ eingefordert und exekutiert wurde. „Einheitlich“ sollte es sein, aber mehr? Fehlanzeige.
Ich glaube, nur eine Minderheit (zu der ich mich leider nicht zählen darf oder kann) hat sich bewußt um eine akribische Umsetzung wissenschaftlicher Zitationskultur in ihrem Fach bemüht, ebenso wie die Begutachtung von Qualifikationsschriften keineswegs so detailfreudig war, wie vielleicht aus aktueller Sicht nötig. Jetzt aber den ehemaligen, nun graduierten Studenten die Versäumisse von Lehrern und Gutachtern ex post auf den Kopf fallen zu lassen, halte ich auch nicht für zielführend. Warum haben nicht mehr Komissionen vom Recht auf Nachbesserung und Heilung Gebrauch gemacht und stattdessen lieber ein „rite“ oder vielleicht ein „cum laude“ vergeben? (Es ist schon seit Jahrzehnten allgemein bekannt, daß bestimmte Disziplinen regelmäßig mit einem „gut“ oder „sehr gut“ abgeschlossen werden – ob das auch mit der Qualität der Abschlußarbeiten korreliert, wurde in einem Atemzug und einem Schulterzucken abgetan …)
Hier müssen wir ansetzen, wenn wir als Wissenschaften zukunftsorientiert sein wollen. (Anstelle in der Vergangenheit schon abgeschlossener Verfahren zu wühlen.)
Hallo Herr Dr. Weber,
wissen Sie Näheres über eine Klage vor dem EGMR, betreffend die Formalia für eine juristisch
zulässige Doktorgrad-Entziehung?
Vgl.
http://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2011/06/plagiatorin-kochmehrin-wird-mitglied-im-forschungsauschuss.php
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Lauterbach
Hallo Herr Weber,
können Sie sich vorstellen, daß die Rektorin der HTWK (Prof. Dr. rer. nat. Renate Lieckfeldt) kommentiert: „Ich habe keinen Wissenschaftler angestellt, sondern einen Jugendamtsleiter“ ? – Ich schon, nachdem wir immer tiefer in die Abgründe der dt. Hochschullandschaft blicken.
Das ist ungefähr so absurd wie sich vorzustellen, daß Oswalt Kolle nie aufgeklärt wurde und auch nicht wußte, wie es geht. Interessant bei alledem ist aber die verschiedengeartete Verteidigungsstrategie der Ertappten. Das hängt sicher mit dem Charakter zusammen ebenso wie Art und Ausmaß des Plagiierens. Aber damit werden sich vielleicht bald die Psychologen befassen – und dann vielleicht auch solche instruktiven Sendungen wie Britt/Sat1. Zu klären ist dann – vermittels Lügendetektor – nicht mehr Wahrheit und Lüge in Paarbeziehungen, sondern eben beim Abfassen und Verteidigen einer Doktorarbeit. Man kann dann auch gleich die Betreuer und Gutachter miteinladen, die sich ja allesamt unwissend geben … Als ob Unwissenheit Qualitätsmerkmal eines Hochschullehrers wäre.
Was mich prinzipiell erzürnt: im Jahre 22 der deutschen Einheit werden die Ostdeutschen fast ausschließlich von Westdeutschen administriert, angeleitet, belehrt, regiert, verwaltet, gerichtet, befehligt.
Selbstverständlich nur von den besten, kompetentesten, promoviertesten…
Viel mehr als ein eventuelles wissenschaftliches Fehlverhalten ärgert mich, daß ein Soziologe, der, wie man der Veröffentlichungsliste entnehmen kann, vor seinem Antritt als JA-Leiter so gut wie nichts mit Sozialer Arbeit zu tun hatte und auch weder Ausbildung noch Studium aus diesem Bereich absolviert hat, zum Jugendamtsleiter wird.