Wie Österreichs Parteipolitik auch die Universitäten kontrolliert: Offenbar die meisten der vom BMBWF vorgeschlagenen Uniräte entweder schwarz oder grün

Zwei, drei oder vier Mitglieder der Universitätsräte, also quasi der Aufsichtsräte der 22 staatlichen Universitäten in Österreich, werden von der Bundesregierung auf Vorschlag des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) für eine Amtszeit von fünf Jahren bestellt. Im Dezember 2022 war es wieder einmal soweit. Die Liste der 59 neu bestellten Uniräte ist öffentlich einsehbar. Hier der Bestellmodus (Snippet aus dieser Liste):

Eine besondere Affinität zu Forschung, Entwicklung und Lehre scheint eher nicht ausschlaggebend für eine Bestellung zum Unirat zu sein. Vielmehr lassen sich die meisten der neu bestellten Uniräte zu einer der beiden aktuellen Regierungsparteien zurückverfolgen: Schwarz oder grün. Ich habe 25 Uniräte nacheinander (also nicht bewusst ausgewählt!) geprüft. Nur bei acht ergab sich kein Zusammenhang mit der ÖVP oder den Grünen.

Einige Fallbeispiele, die Parteizugehörigkeiten oder ehemaligen Politikerämter blieben in der Liste des Ministeriums durchwegs unerwähnt:

Silvia Grünberger ist ehemalige ÖVP-Politikerin und Ex-Nationalratsabgeordnete.

Lisa Rücker ist ehemalige Politikerin der Grünen, der Vater war ein (mir bekannter) ÖVP-Stadtrat.

Herwig Hösele ist ehemaliger ÖVP-Politiker.

Und so geht es munter weiter. In der Liste des Ministeriums finden sich des Weiteren Personen mit folgenden beruflichen Verbindungen mit sehr wahrscheinlicher ÖVP-Nähe:

  • Chefin einer Bundesländer-Industriellenvereinigung
  • Ex-ÖAAB-Führungskraft
  • Ex-Forum-Alpbach-Funktionär
  • WKO-Fachgruppenobmann

Über eine andere Unirätin spekulierte ein Medium dereinst, dass sie vielleicht ins „Team Kurz“ kommen werde. Über ein weitere bekannte Unirätin hieß es, sie gehöre ins „bürgerliche Lager“.

Und diese Verbindungen weisen auf sichere oder mögliche grüne Provenienz hin:

  • Obmann Grüne Wirtschaft
  • Gender- und Diversitätsbeauftragte
  • Forscherin Gender Studies
  • Forscherin Kunst und Gender

Ich finde es problematisch, wie dieses Land funktioniert. In den Universitätsräten sollten doch eigentlich Leute sitzen, die Wissenschaft und Forschung lieben, vielleicht auch Pioniere, Freigeister, Erfinder – oder zumindest Mäzene. Aber auch hier scheint die politische Färbung das primäre Nominierungskriterium zu sein. Was haben eigentlich diese Parteileute überhaupt in den Universitätsräten zu suchen?

Eine genauere Analyse wäre ein schönes Thema für eine Diplomarbeit oder eine Dissertation. Wer möchte ran?

Update: Soeben hat mich ein Universitätslehrer erbost angerufen. Früher, vor dem UG, sei alles noch viel schlimmer gewesen. Damals seien die Dreiervorschläge für Professorenstellen vom Ministerium entschieden worden. Nun, das bestreite ich keineswegs: An dem Institut, an dem ich studiert hatte, gab es einen roten und einen schwarzen Ordinarius.

2 Kommentare zu “Wie Österreichs Parteipolitik auch die Universitäten kontrolliert: Offenbar die meisten der vom BMBWF vorgeschlagenen Uniräte entweder schwarz oder grün

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  1. Ronald Benedik

    Müssen alle Mitarbeiter einer Universität Wissenschaftler sein? Ich finde nicht, zumal man als Mitglied eines Universitätsrates keine Publikationen zu schreiben hat. Um Neuerungen durchzusetzen muss man bereit sein andere Wege zu gehen, abseits vom Beamtenwesen. Solche Änderungen brauchen in diesem Land Jahrzehnte, aber es gibt sie dennoch.

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  2. Ralf Rath

    Alexander von Humboldt als der vielleicht berühmteste Schüler von Georg Christoph Lichtenberg bedankte sich einst bei seinem Lehrer mit den Worten: „Wahrheit an sich ist kostbar, kostbarer noch die Fertigkeit, sie zu finden“. Die Formulierung einer dementsprechend leistungsfähigen Suchstrategie ist insofern eine „Frage von Leben oder Tod“ (Karl Marx). Bedenkt man außerdem, dass laut Karl Jaspers eine Universität „die Wahrheit lehren (soll) unabhängig von Wünschen und Weisungen, die sie von außen und innen beschränken möchten“, könnte es verhängnisvoller nicht sein, wenn in Österreich die Universitätsräte sich womöglich am Handeln politischer Parteien orientieren. Ändert sich daran nicht bald etwas, rückt der „höchste Gewinn, den er (der Mensch, R. R.) erringen kann“ (Immanuel Kant) in unerreichbare Ferne. Jedweder theoretisch angeleitete und empirisch kontrollierte Zugriff auf die Wirklichkeit verlöre sich dann von vornherein im Nichts. Am Ende stünden wie zu Beginn alle bloß wieder mit leeren Händen da. Sämtliche Forschung würde schon im Ansatz ad absurdum geführt. Eine Hochschule wäre lediglich ein Fass ohne Boden, in das öffentliche, aber auch private Gelder in Milliardenhöhe geworfen werden könnten, ohne dass es jemals plumps macht. Plädiert somit der österreichische Bundespräsident vor wenigen Wochen in seiner Neujahrsansprache für eine „Generalsanierung“, müsste zuvörderst solch ein eklatanter Mangel an klarer sozialer Struktur behoben werden, der nachweislich pathogenen Einfluss auf die weitere Lebensgeschichte hat. Bekanntlich hatte im Falle von Max Weber der dadurch mit Macht erzwungene Eintritt einer schweren Erkrankung bereits früh die Aufgabe der Lehrtätigkeit zur Folge. Auch Theodor W. Adorno verstarb in noch vergleichsweise jungen Jahren an einem Herzinfarkt aus psychosozialen Gründen, wie Kardiologen inzwischen wissen.

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