„Österreichische Gesellschaft für Kommunikationswissenschaft“ lehnt Vortrag von mir wegen nicht-gendergerechter Sprache ab

Die „Österreichische Gesellschaft für Kommunikationwissenschaft“ lehnt einen wissenschaftlichen Vortrag von mir zu ChatGPT unter anderem deshalb ab, weil ich im Vortragsabstract keine gendergerechte Sprache verwendet habe. Dieses Faktum führte zu einem Punkteabzug durch den anonymen Reviewer, der wiederum angeblich zum Ausschluss meines Vorschlags führte. Die Konferenz wird im Juli 2023 an der Universität Klagenfurt stattfinden.

In der Tat verwende ich im Abstract zweimal die Form „Wissenschaftler“ (hier das Abstract in der von der Fachgesellschaft gewünschten anonymisierten Form).

Hier die beiden Punkte des negativen Reviewers (mit Kommafehler und stilistischer Unschönheit, aber das ist offenbar kein Kriterium für den Ausschluss des Reviewers):

Nun, wenn die (Nicht-)Verwendung der gendergerechten Sprache in einem Abstract bereits über Exklusion oder Inklusion im Wissenschaftssystem (mit) entscheidet, ist das nicht mehr mein Wissenschaftssystem. Ich habe im akademischen Kontext bislang fast immer gendergerecht formuliert. Aber ich verwahre mich hier gegen ein neues Dogma und einen Exklusionsmechanismus. Bald könnten „alte weiße Männer“ Auftrittsverbot haben. Ich bin daher heute mit sofortiger Wirkung aus der „Österreichischen Gesellschaft für Kommunikationswissenschaft“, zu deren Qualitätsstandards es viel zu sagen gäbe, ausgetreten.


Meinem großartigen Leser „Sven Schroder“ verdanke ich den Hinweis, dass es die Konferenz selbst mit der gendergerechten Sprache nicht so ernst nimmt, siehe den Begriff „Erstautoren“ hier. Oder sind tatsächlich nur Männer gemeint?

22 Kommentare zu “„Österreichische Gesellschaft für Kommunikationswissenschaft“ lehnt Vortrag von mir wegen nicht-gendergerechter Sprache ab

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  1. WM

    Hallo Herr Weber, woher wissen Sie, dass die „nicht-gendergerechte Sprache“ ein Ablehnungsgrund war, und nicht nur ein „ich empfehle dies zu verbessern“? Ich weiß ja nicht, wie der Begutachtungsprozess bei diesem Kongress aussieht, aber als Reviewer schreibt man ja gerne auch noch Verbesserungsvorschläge rein, für den Fall, dass der Beitrag doch angenommen wird – könnte ja sein, dass die eigene Ablehnung überstimmt wird, oder die Autoren den Beitrag woanders einreichen wollen. Zumindest in meinem Fach ist das so üblich.

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  2. DI Thomas Hofer, MSc

    „Ich habe im akademischen Kontext bislang fast immer gendergerecht formuliert. Aber ich verwahre mich hier gegen ein neues Dogma …“

    Sehen Sie, das war Ihr ganz großer Fehler. Indem Sie diesen Ideologiezinnober in Konformistenmanier brav mitgemacht haben, trugen Sie dazu bei, dass er im Laufe der Zeit zum verpflichtenden Quasistandard wurde. Sie lernen daraus hoffentlich etwas, sehr geschätzter Herr Weber.

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  3. Interessierter Leser

    Lieber Herr Weber,

    Ist vielleicht ein bisschen „disconnected“ zu diesem Blogbeitrag, aber mich würde ihr Rat interessieren. Ich bin ein PhD Student (an einem sehr renommierten Institut hier in Österreich) und gerade dabei ein Paper zu publizieren bei dem ich (konservativ geschätzt) 95% der Arbeit gemacht habe. Man versucht nun (mit rein politischen Argumenten) mich von der Position des „First author“ zu verdrängen. Falls das passiert (und es sieht momentan danach aus) würde ich für den „First author“ des Papers quasi als Ghostwriter auftreten da Sie/Er keine Silbe des Papers geschrieben hat und eigentlich alles von mir ist. Was würden Sie mir raten? Wie kann ich mich am besten zu wehr setzen?

    Lg

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    1. Scientia Nigra

      Aus einer E-Mail eines Freundes zum Thema:

      Ich wurde nie von einem Paper verdrängt, auch wenn „er“ es probiert hat. Er wollte mich beim zweiten Projekt quasi als technisches Personal abstempeln, das man nicht in die Autorenliste aufnimmt sondern in einer Fußnote „gratefully acknowledged“.

      Ich habe allerdings irgendwann in den frühen 2000er Jahren in der Hauspostille der Uni eine Statistik gesehen, in der die Autoren von A und A+ Publikationen gereiht wurden (die Scores wurden nach irgendeinem Gewichtungs-Schema berechnet. z.B. A+: 30 Punkte, A: 20 Punkte). Gemäß der damaligen Situation war mein Professor an erster Stelle. Ich war bei allen seinen Publikationen im Zeitraum dabei, war aber in der Statistik nicht zu finden. Die Durchsicht der anderen Personen im Ranking ergab, dass hier offenbar nur habilitierte Personen überhaupt gereiht wurden. Der höchst produktive Teilzeit-Vertragsassistent hat ihnen scheinbar nicht ins Konzept gepasst.

      Ich hab mir damals gedacht: „Ich steh drüber“. Wer weiß welcher Speichellecker die Statistik erstellt hat.

      Heute sehe ich es so, dass das ungefähr der Zeitpunkt war, seit dem sie mich eigentlich am A**** lecken können.

  4. Ralf Rath

    Das Deckenfresko „Die Erschaffung Adams“ von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle zeigt durch die ausgestreckten, aber sich nicht berührenden Finger mehr als augenfällig, dass von Natur aus die Unmittelbarkeit fehlt. Spricht angesichts dessen die Charta der Vereinten Nationen von der Würde des Menschen, ist die Würde wegen der damit faktisch und insofern prinzipiell gegebenen Schranke stets unantastbar. Es könnte daher ökonomisch ineffizienter nicht sein, sich einer so genannten „geschlechtersensiblen“ Sprache zu bedienen, wenn es realiter ohnehin niemals ermöglicht ist, mit einer schriftlichen oder mündlichen Äußerung gleich welches Subjekt zum Objekt zu degradieren. Wenn man so will, könnte somit kritisiert werden, dass die Österreichische Gesellschaft für Kommunikationswissenschaft sich äußerst „vernunftwidrig“ (Kant, 1790: 374) gebärdet, wenn sie dennoch mit Macht darauf pocht, den Intellekt zu opfern.

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    1. Ralf Rath

      Die Unbestimmtheit ist laut dem Physiker Werner Heisenberg eine Frage der quantentheoretischen Mechanik. Zumindest kritisierte der spätere Nobelpreisträger bereits im Jahr 1925 damit einen Determinismus, der auf Voraussetzungen beruht, die kein Mensch erfüllen kann. Wie Sie, Sextus Empirikus, vermutlich wissen, ist mit physikalischen Gegebenheiten nicht zu verhandeln. Insofern bricht sich Ihr Ausruf „Sie Adornoparodist!“ schlicht an der Wirklichkeit ohne mein Zutun. Dadurch umfassend geschützt, trifft mich Ihr Anwurf nicht, sondern prallt einfach zuvor ab. Mein gesellschaftliches Dasein liegt somit stets außerhalb jedweder Reichweite, wie der früh verstorbene Soziologe Volker Wittke in seiner Dissertation aus dem Jahr 1996 zu bedenken gibt. Angesichts dessen hätten Sie es sich auch sparen können. Ökonomisch wäre solch ein Innehalten allemal sinnvoller gewesen.

  5. Ronald Benedik

    Gibt es Wissenschaft in Österreich?

    Das ist eine leichte Frage, wer sich über Jahrzehnte mit den Naturwissenschaften im Land beschäftigt, sieht ein beständiges sinken der Fachkompetenz an den Universitäten in den letzten 3 Jahrzehnten. Echte Wissenschaftler die Studenten unterrichten kann man an einer Hand abzählen. Die Universitäten waren einmal ein Ort der sozialen und materiellen Aufwertung, das ist heute nicht mehr der Fall. Man sollte nicht zu viel Zeit dort verbringen wie aktuelle Sprech und Verhaltensnormen zeigen.

    Man sollte auch über die Gutachter Praxis nachdenken, die großen Player kennen keine ausländischen Gutachter, die brauchen so etwas nicht. Doch das ist ein eigene Geschichte.

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  6. Berndi

    Was ist denn los mit Ihnen? Mir scheint Sie können mit Ablehnung und Misserfolgen nicht gut umgehen.

    Kopf hoch, diesmal hat eben ein anderer das Rennen gemacht. Aber Ihr Gejammer hilft Ihnen keinen Deut weiter und ist für mich ein Zeichen von Unprofessionalität.

    Btw: nicht gendern könnte das plagiieren von morgen sein!

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  7. Hanno Gärtner

    Wenn das wirklich der komplette Abtract ist: kann es sein, dass er vorrangig deshalb abgelehnt wurde, weil er wie in zwei Minuten hingeschludert wirkt und keinerlei wissenschaftliche Leistung erkennen lässt?

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  8. Franz-Ferdinand Offenbroich

    Exklusive Kommunikationswissenschaften:

    „Die theoretischen Konzepte auf die sich bezogen werden soll“ (soll heißen: „Die theoretischen Konzepte, auf die Bezug genommen wird“?)

    – Aber Gendern ist ganz wichtig

    Wozu ist so ein solche „Kommunikationswissenschaft“ gut? – Wohl einzig für „Kommunikationswissenschaftler*Innen“.

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    1. Stefan Weber Beitragsautor

      Ja, Außenwahrnehmung gilt im Fach als störend. Das habe ich nie begriffen. Schon als ich 1998 Forschungsassistent war, wollte man keine Öffentlichkeit. Die Kommunikationswissenschaft ist nur für die Kommunikationswissenschaftler*innen da.

  9. Joe Taferner

    Die Kärntner sollten sich mal ein ordentliches, gepflegtes, idiomfreies Deutsch aneignen. In weiterer Folge könnte man dann über das höchst überflüssige „Gendern“ reden. Dass sich gerade universitäre Einrichtungen am Verhunzen der „deutschen Sprache“ mit Begeisterung beteiligen, finde ich höchst bedauerlich. „Gendern“ ist politische Linksdiktatur und hat absolut nichts mit der „deutschen Sprache“ und ihrer Ausdrucksfähigkeit zu tun. Die Kommunikationswissenschaften sollten eher die journalistischen Standards und Qualitäten an die ihnen Anvertrauten weitergeben. Standards und Qualitäten, die gerade bei österreichischen Medien kaum mehr vorhanden sind. „Gendern“ hat absolut nichts mit journalistischen Fähigkeiten und Qualitäten zu tun – es ist, wie schon erwähnt, Ausdrucksmittel einer politischen Linksdiktatur. „Gendern“ ist Sprechdurchfall und geht mehrheitlich den Rezipienten auf den Geist, wenn nicht sogar „am Arsch vorbei“. Wie der österreichische Journalismus übrigens auch!

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    1. Stefan Weber Beitragsautor

      Sven Schroder wie immer in Höchstform!

      In der Tat ein Skandal, dass nur männliche Erstautoren in das Panel aufgenommen werden. Ich habe mir erlaubt, dies im Artikel noch zu ergänzen.

  10. Cryticus

    Na, bravo! Gutachter übt sprachliche Kritik und kann selber nicht Deutsch! Einerseits zum Lachen. In Wirklichkeit aber traurig, weil wir hier ein weiteres Sittenbild über den dramatischen Zustand des Wissenschaftsbetriebs in Österreich präsentiert bekommen. Namen dieses „Gutachters“ sofort veröffentlichen!

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    1. Stefan Weber Beitragsautor

      Natürlich lache ich gerne über meine eigenen Blogbeiträge, so wie diesen hier.
      Einerseits schade, ich hätte mich gefreut, die alten Zampanos der Klagenfurter Kommunikationswissenschaft und vor allem -praxis wie Rainer Winter und Matthias Karmasin nach langer Zeit wiederzusehen.
      Andererseits ist es schon komisch, wenn der Gutachter/die Gutachterin (sic), der/die (sic) Sprachmängel moniert, selbst nicht auf korrektes Deutsch achtet. Da ist noch mehr im Snippet zu finden:
      Wenn gefordert wird, dass etwas „klarer in den Vordergrund gestellt werden“ soll, dann wird ja eingestanden, dass es bereits in den Vordergrund gestellt wurde. Gemeint war wohl: „sollten in den Vordergrund gestellt werden“, also ohne „klarer“. Die inhaltliche Pointe an dieser Kritik ist nun, dass ich vorher von einem jungen Mitarbeiter gebeten wurde, ebendiese Theorie-Referenz auf mein Buch über automatisierte Kommunikation (Heise, 2019) in meinem Abstract zu streichen. Das heißt: Ich habe im Zuge der Anonymisierung etwas gestrichen, das dann dazu führte, dass der Gutachter/die Gutachterin dessen Fehlen bemängelte.
      Auch gibt es die Nummerierung „2.)“ nicht, entweder „2.“ oder „2)“.
      Freue mich, heute eher Sprachphilosoph als Kommunikationswissenschaftler zu sein.
      LG

  11. HansSorglos

    Ein derber Verlust über den die Gesellschaft für Kommunikationswissenschaftler aber wohl recht gut hinwegkommen wird.

    Damit haben sie dann wohl beiden Seiten einen gefallen getan.

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    1. Stefan Weber Beitragsautor

      Ob ich da tatsächlich hingefahren wäre oder nicht, steht auf einem anderen Blatt. Ließe sich doch mit einem Adria-Urlaub verbinden.

  12. Interessierter Leser

    Ja, das sind heute die Ausschlusskriterien. Das passiert wenn eine Wissenschaft offenbar tot ist und es nichts interessantes mehr zu entdecken gibt. Dann werden diese Dinge relevant. Vielleicht werden ja Abstracts auch deshalb abgelehnt weil jemand Turnitin drüber laufen lässt und entdeckt, dass 5 aufeinanderfolgende Wörter mit einem anderen Abstract übereinstimmen. Das geht genauso an der Sache vorbei.

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    1. Stefan Weber Beitragsautor

      Das geht nur dann an der Sache vorbei, wenn der Vorwurf falsch ist. Bei einem Plagiatsvorwurf, der auf insgesamt fünf Wörtern basiert, dürfte das in der Tat immer der Fall sein.

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