Ein Jahr nach dem großen Canceling: Gepflegtes Nichtstun in Sachen GWP (guter wissenschaftlicher Praxis) aller Institutionen

Es ist nun etwas mehr als ein Jahr her, als mir nach meinem wahren Plagiatsvorwurf gegen Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) Schritt für Schritt alle begonnenen oder geplanten Projekte zu guter wissenschaftlicher Praxis (GWP) in Österreich weggenommen wurden: eine Arbeitsgemeinschaft in der ÖVP-nahen „Österreichischen Forschungsgemeinschaft“, ein mehrjähriges Prototypen-Entwicklungsprojekt an der TU Wien und schließlich ein bereits weitgehend fertig gestelltes Wiki zu Zitierkonventionen im Auftrag des BMBWF. Ich stand ab Oktober 2022 wieder ohne Finanzierung da.

Man wirft mir seitdem immer wieder vor, aus „rein persönlichen“ Motiven oder aus einer „Gekränktheit“ heraus dieses und jenes zu sagen und zu tun. Das ist völliger Blödsinn und eine Umkehrung von Kausalität: Worum es mir eigentlich ging, manifestiert sich ja in den – dann aus politischen Gründen – abgesägten (Vor-)Arbeiten. Wer sich ein Bild machen will, der besuche etwa diese Website.

Nun, man will die gute wissenschaftliche Praxis aus politischen Motiven heraus nicht mit Stefan Weber. Man will sie aber auch nicht ohne Stefan Weber. – Schauen wir uns an, was seit dem großen Canceling, also in den vergangenen zwölf Monaten, passiert ist. Die Antwort ist ganz einfach: Nichts.

1. Österreichische Forschungsgemeinschaft (ÖFG):

Am 20.02.23 schrieb Heinrich Schmidinger von der ÖFG:

„Nach eingehenden Besprechungen […] ist der Beschluss gefasst worden, auf eine neue ARGE hinzuwirken, die sich dem Thema der ‚guten wissenschaftlichen Praxis‘ mit einer klaren, inhaltlich orientierten Fokussierung widmen soll. In der letzten Beirat-Sitzung am 26. Januar d. J. wurde für diese Lösung grünes Licht gegeben. Gerne informieren wir Sie über das Ergebnis unserer Bemühungen […].“

Passiert ist seitdem nichts Sichtbares. Heinrich Schmidinger ist nicht mehr Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der ÖFG. Eine neue Arbeitsgemeinschaft zu GWP gibt es bis heute nicht. – Wusste Schmidinger schon im Februar, dass nichts passieren wird und hat er über 30 WissenschaftlerInnen angelogen? Oder ist nichts zustandegekommen? Warum dann keine Information genau darüber? Am Ende alles nur heiße Luft, verpackt in distanzierendem Beamtendeutsch?

2. Technische Universität Wien (TUW):

Rein zufällig vier Tage, nachdem ich auch das monatelange Nichtstun in Sachen GWP der TU Wien in meinem Blog kritisiert hatte, wurde das Projekt „FRAME“ aus dem Hut gezaubert. Es soll, so der damalige Vizerektor und Diplomarbeitsabschreiber Kurt Matyas, am „Zentrum für strategische Lehrentwicklung“ der TU angesiedelt sein. – Nun, offenbar schon wieder ein Phantom: Denn das Projekt, das vom BMBWF mit mehr als einer Million Euro finanziert wird und in der aktuellen Leistungsvereinbarung enthalten ist, findet sich nicht auf der Website mit den Projekten. Kann es sein, dass es auch dieses Projekt gar nicht gibt? Nun, das wäre ja dann womöglich Förderungsmittelmissbrauch.

3. Österreichische Agentur für wissenschaftliche Integrität (ÖAWI):

Die GWP-Richtlinien, an denen ich bereits im Jahr 2022 konstruktive Kritik geübt habe, stammen immer noch aus dem Jahr 2015. Richtlinien zu KI-generierten Inhalten für Österreich gibt es ebenso keine, die DFG hat zumindest ein diesbezügliches Schreiben unlängst vorgelegt. Mit zuletzt einer Handvoll Newsposts oder weniger pro Jahr wird die ÖAWI ihrem Auftrag der Bewusstseinsbildung in keiner Weise gerecht. Ich habe im Sommer den Fall Josef Neuert und SMBS der ÖAWI gemeldet – was kam heraus? Sie ahnen es: Schweigen bis zum heutigen Tag trotz Urgenz.


Alles ein nichtendes Nichts. Es ist bizarr, wenn man so viele Missstände aufdeckt und Verbesserungspotenziale sieht – und die verantwortlichen Institutionen tun genau gar nichts.

1 Kommentare zu “Ein Jahr nach dem großen Canceling: Gepflegtes Nichtstun in Sachen GWP (guter wissenschaftlicher Praxis) aller Institutionen

Neuen Kommentar verfassen

  1. Gruen78

    Wir müssen wohl mit einem weiteren Jahr Stillstand rechnen, auf allen Ebenen, bis zu den Neuwahlen im Herbst 2024. Und die Grünen halten brav die Stange.

    Antworten

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Die maximale Dateigröße für den Upload: 20 MB. Sie können hochladen: Bilddatei, Dokument, Spreadsheet, Textdatei. Links zu YouTube, Facebook, Twitter und anderen Dienstanbietern werden automatisch eingebunden. Dateien hierhin ziehen