Das hat es in der Geschichte der Österreichischen Forschungsgemeinschaft (ÖFG), eines sehr ÖVP-nahen, um nicht zu sagen tiefschwarzen Wissenschaftsvereins wohl noch nie gegeben: Nach mehr als einem Jahr ehrenamtlicher Tätigkeit mit null Cent Einnahmen, ja sogar mit Ausgaben eliminiert man mich aus der Funktion des stellvertretenden Leiters der im Wesentlichen von mir konzipierten und aufgebauten Arbeitsgemeinschaft „Gute wissenschaftliche Praxis im Wandel“ der ÖFG.
Ein Mitglied eines ÖFG-Gremiums mailte mir soeben, „dass der wissenschaftliche Beirat der ÖFG auf einer Neubestellung der Leitung der ARGE GWP bestehen wird. Dieser werden Sie, […] wie aus allen Resümees aus der Klausur vom vergangenen Donnerstag/Freitag schon an Sie gedrungen ist, nicht mehr angehören können. Alles Weitere wird mit der neuen Leitung der ARGE zu besprechen sein.“
Dafür, dass ich ehrenamtlich…
- die Website ins Leben gerufen habe,
- zwei erfolgreiche Webinare veranstaltet habe,
- eine Bestandserhebung zu guter wissenschaftlicher Praxis in der Lehre mit einer Kollegin durchgeführt habe und
- nach dem Aufdecken der schon recht beachtlichen Defizite in den GWP-Richtlinien der ÖAWI einen neuen GWP-Kodex entworfen habe,
… entfernt man mich aus meiner Funktion, ohne mich je mündlich oder schriftlich angehört zu haben. Bestrafung für Leistung, mir ist das von den österreichischen Universitäten nur allzu bekannt.
Rache für Plagiatsvorwurf gegen Karner
Wie bereits in einem vergangenen Blogbeitrag erwähnt, gab es am Tag der Plagiatsvorwürfe gegen Innenminister Karner eine Telefonkaskade: Eine „politische Entscheidung“ wurde meinem GWP-Mitstreiter mitgeteilt, mich aus möglichst allen Tätigkeiten entfernen zu wollen. Das betraf einen geplanten Forschungsschwerpunkt an der TU Wien, meinen Lehrauftrag an der TU Wien und eben auch die stellvertretende Leitung der ARGE der ÖFG. Am selben Tag also, als die Plagiatsvorwürfe gegen Karner publik wurden, telefonierte ein hochrangiger Beamter des Wissenschaftsministeriums mit der Rektorin der TU Wien, Sabine Seidler, und auch mit dem Präsidenten der ÖFG, Ex-ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, und teilte diese politische Willensbekundung mit. Mich würde interessieren, von wem sie kam: Von Polaschek? Nehammer? Und warum funktionieren solche Interventionen eigentlich in Österreich? Bekommt weniger Geld, wer nicht gehorcht?
Auch Publikationen gecancelt
Das Ergebnis zeigt sich jetzt: Konsequent demonstriert die ÖVP ihre Macht. Betroffen sind nun wohl auch ein Prozesslehrbuch „Gute wissenschaftliche Praxis“, das mit Druckkostenzuschuss der ÖFG im nächsten Jahr hätte erscheinen sollen sowie weitere Publikationen wie ein Themenheft zu Regeln guter wissenschaftlicher Praxis einer österreichischen Hochschulzeitschrift.
Erst vor wenigen Tagen hatte ich auf science.orf.at publiziert, dass mehrere Paragrafen zu guter wissenschaftlicher Praxis im Universitätsgesetz (UG) Murks sind. Meine Kritik am UG wird in diesem Blog und anderswo öffentlich fortgesetzt werden. Einige Paragrafen dieses Gesetzes sind wohl ein Fall für ein Gesetzesprüfungsverfahren. Die Legisten des BMBWF, sofern es diese dort überhaupt noch gibt, haben keine gute Arbeit geleistet.
Mehr GWP, weniger ÖVP wäre gut für die Hochschulen
Interessant fände ich auch die Frage, inwieweit solche Mechanismen eigentlich gegen das im Staatsgrundgesetz verankerte Recht auf Freiheit der Forschung und Lehre verstoßen. Aber ich werde mich nicht verzetteln. Mein Anliegen ist und bleibt der Einsatz für die gute wissenschaftliche Praxis (GWP) und nicht der Kampf gegen die schlechte politische Praxis (namens ÖVP).
Bei GWP stimmt in Österreich die gesetzliche Basis einfach nicht. Außerdem haben wir etwa in den Rechtswissenschaften ein systematisch falsches Zitieren entwickelt. Das sind die Knackpunkte. Und da werde ich weitermachen, es ist mir auch bislang 15 Jahre lang ohne öffentliche Förderungen gelungen.
„Unglaublich – das gibt es doch nicht! So etwas kennt man vielleicht aus Moskau!“, schreibt mir ein Wissenschaftler. Nun gut, hängen wir es tiefer: So etwas kennt man aus Ungarn.
Warum treten Sie überhaupt einem ÖVP-nahen Verein bei?
Wo bleibt da die Unabhängigkeit als Gutachter?
Sollte nicht alleine schon der Anschein einer parteipolitischen Nähe vermieden werden?
Siehe Antwort auf Frau Baum. Im Übrigen bin ich dem Verein nicht beigetreten und war deshalb nie Mitglied. Ich habe nur eine „Arbeitsgemeinschaft“ mit geleitet.
Warum sind Sie überhaupt für eine tiefschwarze ‚Vorfeldorganisation‘ tätig gewesen? Wie vertrug sich das mit Ihrer Unparteilichkeit, Herr Weber?
Liebe Frau Baum!
Ich hielt es nicht für möglich, dass dort ÖVP-Ministerwünsche 1:1 umgesetzt werden, das heißt, dass man zuerst die politische Intervention entgegen nimmt und dass man sich dann Verbündete und fadenscheinige Argumente für eine von der Politik gewünschte/angeordnete „Ablöse“ sucht. Die Politik hätte eigentlich in der ÖFG überhaupt nichts zu suchen. Ein weiterer österreichischer Korruptionsskandal.
Sie, Herr Weber, tun sich mit Ihrer Behauptung, dass das Objektive ein Konstrukt sei, selbst keinen Gefallen. Vermutlich rächt sich das jetzt und hat womöglich Ihre umgehende Entfernung aus der Leitung der ARGE GWP zur Folge. Nicht der Einfluss einer politischen Partei wäre dann zu kritisieren.
Welche berühmte Realist hat nochmals gesagt, die Konstruktivisten gehören von den Unis verjagt?
Tut mir leid, aber was haben Sie erwartet in diesem politischen Konstrukt? – Warum sitzt dort ein hoher Ex-Funktionär der VP als Präsident? – Na eben!
Und: Was kennen Sie für Fälle aus Ungarn? – Ein Vergleich mit Österreich wäre spannend!
Ist Reinhold Mitterlehner nicht ein ausgewiesener Wissenschaftler mit hervorragender internationaler Reputation, die ihn zur Leitung der ÖFG befähigt? Jedenfalls hat ihn am 04.10.22 ein Parteifreund in Sachen ARGE/Weber angerufen.
Starkes Stück. Passt gut zur heute in den Medien veröffentlichten Studien, wonach die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung ein nie gekanntes Ausmaß erreicht hat. Muss man in Zukunft in Österreich Parteimitglied sein, um über die GWP zu sprechen? Woran erinnert mich das jetzt gleich….
Nein, nein, das kann in Österreich nicht Bestand haben…. Das kann nicht durchgehen….
Innerhalb der Strukturen geht nichts weiter. Das Milieu in Österreich ist gekennzeichnet durch übertriebene Rücksichtnahmen und faktisches Nichtstun. Wer nichts tut, tut niemandem weh.