Während „Kultusminister Dr. Bernd Althusmann“ etwa Kindertageseinrichtungen, Schülerlabors und die überbetriebliche Berufsausbildung in Niedersachsen öffentlich lobt, ist er in puncto Öffentlichkeit bei seiner eigenen Dissertation doch deutlich zurückhaltender. Eine offenbar „mindestens 15 Seiten lange Stellungnahme“ und auch (besonders interessant!) „ein wissenschaftliches Gegengutachten von anderen Hochschulprofessoren“ will er nicht veröffentlichen, schreibt das „Hamburger Abendblatt“. Nun gut, diese Geheimniskrämerei bei umfassenden Gegendarstellungen hat schon Chatzimarkakis wenig genützt. Aber warum will Althusmann, wie alle Politiker stets unterwegs in Sachen Positiv-PR, die gute Nachricht von dem nicht-plagiatorischen (und wohl auch dem nicht den Zitierregeln widersprechenden) Charakter seiner Dissertation nicht veröffentlichen? Es wird doch auch sonst jede Positiv-Story zu einer Pressemitteilung verpackt.
Damit ich nicht missverstanden werde: „Gegengutachten“ sind in der Wissenschaft genau so wichtig wie Gutachten, Wissenschaft lebt von Kritik. Allerdings müssen sie, wenn die eine Seite die Faktenlage schonungslos offenlegt und publiziert, auch von der anderen Seite veröffentlicht werden. Sonst entsteht ein Ungleichgewicht. Wozu hat Althusmann eilig seine eigene Webseite eingerichtet, auf der die Dokumente nun nicht veröffentlicht werden? Ein Kultusminister kann sich so etwas nicht leisten, das ist peinlich und auch demokratiepolitisch untragbar. Damit ist die letzte Glaubwürdigkeit noch vor einem hoffentlich stattfindenden Verfahren wegen Verdachts des wissenschaftlichen Fehlverhaltens dahin. Althusmann muss zurücktreten, oder Abschreiben muss zur offiziellen Kulturtechnik Niedersachsens erklärt werden.
Auch wenn es zu letzterem wohl nicht kommen wird, wäre es immerhin eine Überlegung wert, ob nicht im schulischen Ethik-Unterricht das Thema „Abschreiben, Plagiat, Wissenschaft“ ein reizvoller neuer Stoff wäre. Da könnte Althusmann sich doch mal für einsetzen. Das ist ein komplexes Thema, das nicht nur moralische, rechtliche und wissenschaftstheoretische Aspekte hat, sondern auch soziale, politische und historische (Abschreiben als *die* Kulturtechnik des Mittelalters). Und ein Thema, das nah an der Lebenswirklichkeit der Schüler ist.
Indem man das offen diskutiert, würden ja Schüler nicht zum plagiieren verleitet. Sondern es könnte erst ein Problembewusstsein geschaffen werden, indem Schüler erkennen, *warum* Plagiate nicht gut sind. Das wäre ein anderer Ansatz, als mittels Plagiatswikis oder systematischer Durchforstung mit Entdeckung zu drohen.
Aber um in dieser Richtung etwas zu bewegen, wird Althusmann wohl nicht mehr lange genug im Amt sein.
Auf seiner Homepage – die eigentlich schön minimalistisch gestaltet ist – funktioniert (für mich) weder der Diss.-Download, noch der „Sprechzettel“ (was ist das?). Dann hätte er sich die auch sparen können.
Der „Sprechzettel“ war seine erste Pressemitteilung. Mit der Webseite wollte er zunächst Transparenz schaffen, hat das auch so angekündigt, und nun passiert das Gegenteil.
LG
sw